IOC-Präsident Bach und Giovanni Malago

IOC gegen die Italo-Connection Umstrittene Bobbahn für Olympia 2026 kommt

Stand: 04.02.2024 10:58 Uhr

Die Organisatoren der Olympischen Winterspiele 2026 haben den Bau einer neuen Bobbahn in Cortina d'Ampezzo in Auftrag gegeben. Gegen den Willen des IOC, das sich eigentlich mehr Nachhaltigkeit auf die Agenda gesetzt hat.

Das Internationale Olympische Komitee setzt gerne auf Geheimdiplomatie, vor allem im Umgang mit Autokratenregimen und anderen Problemfällen im Weltsport. Beim Streit um die Bobbahn für die Olympischen Winterspiele 2026 in Italien jedoch hat das IOC deutlich Position bezogen: Mehrfach haben IOC-Offizielle klargestellt, dass sie einen Neubau der Bobbahn in Cortina d'Ampezzo, für veranschlagte 80 Millionen Euro, missbilligen würden. Ebenso wie eine Renovierung der stillgelegten Olympia-Bahn von 2006 bei Turin, die wohl nur unwesentlich günstiger ausfiele.

IOC-Vorgabe: "Nur eine existierende, funktionsfähige Bahn außerhalb Italiens"

Für die Wettbewerbe bei den Spielen 2026 käme nur eine "existierende, voll funktionsfähige Bahn außerhalb Italiens" in Betracht, hieß es ausdrücklich vom IOC im Dezember, in einer offiziellen Erklärung beim Olympic Summit. Kristin Kloster, zuständige IOC-Kommissarin für die Evaluierung der Spiele von Milano-Cortina, wiederholte zuletzt die Vorgabe, es sollten keine neuen, permanenten Wettkampfstätten gebaut werden, bei denen es keinen sicheren Plan für die Nachnutzung gebe.

Die Ringe-Organisation hat sich in ihrer Agenda 2020 zu mehr Nachhaltigkeit bekannt. Auch um die Winterspiele, denen zuletzt zunehmend Bewerbernationen abhanden kamen, in Zeiten des Klimawandels zukunftsfähig zu halten. Der Neubau von Sprungschanzen oder Eisbahnen hingegen, die nach den Spielen oft ungenutzt in der Landschaft herumstehen, passt nicht zum neuen, grüneren Anstrich des IOC.

Italiens Regierung verkündet Neubau der Bobbahn in Cortina

Bloß, die italienischen Olympia-Gastgeber spielten dabei nicht mit: Am Freitag (02.02.2024) verkündete die Regierung in Rom, dass die Infrastrukturgesellschaft Simico, zuständig für die olympischen Anlagen, den Auftrag an das Bauunternehmen Pizzarotti erteilt habe.

Eine überraschende Wende in einer monatelangen Hängepartie. Im vergangenen Oktober, auf dem IOC-Kongress in Mumbai, hatten die Organisatoren von Milano-Cortina 2026 das Bobbahn-Projekt offiziell für beendet erklärt - nachdem sich bei mehreren Ausschreibungsrunden kein Bauunternehmen finden wollte, das bereit war, die abgerissene Olympia-Bahn Eugenio Monti von 1956 komplett neu zu bauen.

Die italienischen Organisatoren verkündeten deshalb, dass nun nach einem Eiskanal im Ausland gesucht werde. Innsbruck-Igls, Sankt Moritz und Königssee wären denkbare Alternativen alleine im Alpenraum gewesen.

Bobbahn als nationales Projekt der Meloni-Regierung

Doch vor allem Politiker der rechtsgerichteten Regierungen in Rom und in der Region Venetien, auf dessen Gebiet Cortina d'Ampezzo liegt, arbeiteten weiter an den Plänen einer neuen, eigenen Bobbahn. Die Blöße, als erster Ausrichter von Winterspielen Wettbewerbe ins Ausland geben zu müssen, wollte die nationalistische Regierung von Giorgia Meloni wohl mit allen Mitteln vermeiden.

Infrastrukturminister Matteo Salvini machte sich zum Anführer einer italienischen Bobbahn-Connection. Der Vize-Premier trieb eine neue Ausschreibung für den Bau einer abgespeckteren Eisbahn in Cortina voran, mit Erfolg: Mitte Januar präsentierte die olympische Infrastrukturgesellschaft die Baufirma aus Parma, die die Bahn in Cortina für die ausgeschriebene Summe von 81,8 Millionen Euro bauen soll.

Italien auf Kollisionskurs mit dem IOC

Das IOC hatte Italiens Organisatoren zuvor eigentlich eine Frist bis Ende Januar gesetzt, bis dahin sollten sie einen Alternativplan vorgelegt haben. Das Organisationskomitee hatte aber schon am Dienstag verkündet, dass der Neubau einer Bahn in Cortina weiterhin die "bevorzugte Option" sei, nun gab es auch offiziell den Zuschlag und den Bauauftrag von der Regierung. "Diese Entscheidung setzt ein klares Zeichen und zeugt von der Entschlossenheit dieser Regierung, alle Arbeiten für die Spiele auf bestmögliche Weise und in Italien durchzuführen", ließen Infrastrukturminister Salvini und Sportminister Andrea Abodi mitteilen.

Umweltverbände: "Starke politische Lobby für Cortina-Neubau"

"Es war der politische Wille der Region Venetien und des italienischen Staats, auf den Bau der Bobbahn in Cortina zu beharren", sagt Luigi Casanova von der italienischen Umweltorganisation Mountain Wilderness. Eine neue Bahn in Italien bezeichnet er als "pure Verschwendung", allein wegen der überschaubaren Zahl an italienischen Athleten, die professionell Bob- oder Schlittensport betreiben.

Neubau der Bobbahn in Cortina: "Starke politische Lobby"

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Das IOC, erklärter Gegner einer neuen Bobbahn für die Spiele, setzt dies unter Zugzwang. In einer ersten Reaktion gegenüber AFP bekräftigte das IOC seine Überzeugung, dass die "Anzahl an Wintersportzentren weltweit für die derzeitige Anzahl an Athleten und Wettkämpfen" in den Bob- und Schlittendisziplinen ausreiche.

Zugleich hatte das IOC aber schon im Vorjahr, auf eine Anfrage der Alpenschutzorganisation Cipra, erklärt: Sollte Italien bis zu den Winterspielen einen Eiskanal bauen, dann wäre es "unvernünftig, diesen nicht auch für die Wettbewerbe zu nutzen".

Widerstand in Italien gegen Olympia-Bauvorhaben

Gegen das Mega-Projekt in den Dolomiten hatte es schon seit dem Zuschlag für Olympia großen Widerstand gegeben. Die großen italienischen Umweltverbände, die sich zu Beginn noch mit den Olympia-Organisatoren am Runden Tisch getroffen hatten, kündigten im vergangenen September den Dialog gleich ganz auf. Wegen mangelnder Mitsprache und Transparenz, und aus Protest gegen die ausufernden Kosten der olympischen Bauvorhaben, die, nach Berechnungen der NGOs, die Marke von fünf Milliarden Euro überschritten hatten.

"Wir sprechen von öffentlichen Geldern, vom italienischen Staat oder von den Regionen Venetien, Lombardei und Südtirol-Trentino. Ausgaben, die keinerlei Nutzen für die Menschen vor Ort haben", sagt Umweltexperte Casanova, selbst im Trentino ansässig. "Die Olympischen Spiele, das ist unsere große Befürchtung, werden viele Schäden in unserer Region mit sich bringen, auch in sozialer Hinsicht."

Umweltexperte Casanova über die ausufernden Kosten für Milano-Cortina 2026

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Berechtigte Zweifel gibt es weiterhin an der Nutzung einer neuen Eisbahn in Italien. Die sündhaft teuren, für die Spiele von Sotschi und Peking errichteten Bahnen haben bis jetzt keinen festen Platz im Weltcupkalender, es gibt weit mehr Anlagen als gebraucht werden.

Enger Zeitplan - Erstabnahme schon im März 2025

Scheitern könnte der Cortina-Neubau aber immer noch - am äußerst engen Zeitplan. Für das Projekt sind 625 Tage Bauzeit veranschlagt, bei der vorangegangenen Ausschreibung hatte man noch mit 807 Tagen gerechnet. Demnach wäre die Bahn zum Wintereinbruch 2025 fertig - eine echte Punktlandung: Die Eröffnungsfeier der Spiele ist für den 6. Februar 2026 angesetzt. Als erste, verbindliche Deadline hat das IOC aber schon den März 2025 vorgegeben, dann sollen eine erste Abnahme und Testfahrten stattfinden.

Freigabe der neuen Olympia-Bahn offen

Angesichts der tickenden Uhr bis zu den Spielen wiederholte das IOC seine Zweifel an dem Projekt und ließ es auf eine ARD-Anfrage hin offen, ob dem neuen Eiskanal überhaupt eine Freigabe für die olympischen Wettbewerbe erteilt werden könne. Nach dem aktuellen Planungsentwurf werde die Cortina-Bahn die technischen Anforderungen nicht ausreichend erfüllen, hieß es von einem IOC-Sprecher.

Die italienische Zeitung "La Repubblica" skizzierte bereits ein neues Horror-Szenario: Die Bahn werde gebaut, aber nicht rechtzeitig fertig, für die Testwettkämpfe und die Spiele. Oder, so die andere Befürchtung, die Inspektoren der olympischen Fachverbände verweigerten die Freigabe für einen auf den letzten Drücker hingezimmerten Eiskanal - etwa weil er den Wettkampf-Anforderungen nicht genügt. Womöglich steht dann am Ende in Cortina eine Bobbahn - die olympischen Wettbewerbe 2026 finden aber dennoch im Ausland statt.