Laura Lindemann überquert als Erste die Ziellinie

Olympische Spiele Gold in der Mixed-Staffel - Deutsches Triathlon-Märchen in Paris

Stand: 05.08.2024 09:39 Uhr

Die deutschen Triathleten haben bei den Olympischen Spielen für eine Sensation gesorgt und Gold in der Mixed-Staffel gewonnen. Es ist die erste deutsche Medaille seit Jan Frodenos Olympiasieg vor 16 Jahren.

Von Jonas Schlott

Das deutsche Quartett mit Tim Hellwig, Lisa Tertsch, Lasse Lührs und Laura Lindemann beendete den Wettkampf am Montagmorgen (05.08.2024) dank einer überragenden Leistung nach 1:25,39 Stunden vor den Staffeln aus den USA und Großbritannien. Schlussstarterin Lindemann setzte sich in einem packenden Finish mit einer Sekunde Vorsprung vor der Konkurrenz durch. Favorit Frankreich verspielte aufgrund eines Sturzes früh alle Medaillenchancen.

"Ich habe auf meinen Sprint vertraut. Ich weiß, dass ich das gut kann", sagte Lindemann im Anschluss: "Auf den letzten Metern bin ich All-In gegangen und super glücklich, dass ich als Erste ins Ziel kommen konnte." Teamkollege Hellwig ergänzte: "Es war eine Energie im Team, das wusste man schon heute Morgen. Diese Vorfreude haben wir perfekt an die Linie gebracht."

Lindemann: "Habe mich auf meinen Sprint verlassen, es ist unglaublich"

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Für die deutschen Triathleten ist es erst die dritte Medaille bei Olympischen Spielen. 2008 in Peking hatte Jan Frodeno Gold geholt, acht Jahre zuvor in Sydney gewann Stephan Vuckovic Silber. In den Einzelwettbewerben von Paris waren die deutschen Triathleten noch ohne Podestplatz geblieben. 

Grünes Licht für die Seine

Wie ein Schatten hing die Frage aller Fragen in den letzten Tagen über dem geplanten Start des Mixed-Events: Ist das trübe Wasser der Seine sauber genug, um gesundheitliche Risiken für die Athletinnen und Athleten während der Schwimmwettbewerbe auszuschließen? Nachdem im Vorfeld zunächst die beiden geplanten Trainings abgesagt wurden, gab es am späten Sonntagabend schließlich grünes Licht.

Punkt 8 Uhr sprangen die ersten Athleten der insgesamt 15 Nationen am Fuße der Pont Alexandre III vor Tausenden Fans ins Wasser, um den Grundstein auf dem Weg zur erhofften Medaille zu legen. Unter ihnen auch Hellwig, der gemeinsam mit Tertsch, Lührs und Lindemann für Deutschland an den Start ging. Je 300 Meter Schwimmen, 7 Kilometer Radfahren und 1,8 Kilometer Laufen standen im Supersprint in abwechselnder Reihenfolge für das Quartett an.

Hellwig in Topform - Platz zwei beim Wechsel

Nicht zuletzt die guten Leistungen von Tertsch und Lindemann im Frauen-Rennen sowie der WM-Titel vor einigen Wochen sollten den deutschen Startern den nötigen Rückenwind für eine mögliche Medaille geben.

Hellwig schwamm zunächst taktisch clever, hängte sich direkt an die Füße des Franzosen Pierre le Corre und stieg auf Platz drei aussichtsreich aus dem Wasser. Auf dem flachen Rad-Kurs konnte der 25-Jährige gemeinsam mit einer Verfolgergruppe die Lücke auf die Spitze mit Spanien zügig schließen. Das Tempo war hoch, kurz vor dem Ende der Rad-Etappe kam es zu einem ersten Sturz, in den auch le Corre verwickelt war - die Franzosen verloren wertvolle Zeit.

Als Hellwig in die Laufschuhe wechselte, war der Rückstand auf die Spitze mit dem Schweizer Max Studer weiter minimal. Gemeinsam mit dem Briten Alex Yee, der Gold im Einzel gewonnen hatte, konnte das Trio eine kleine Lücke reißen. Yee verschärfte im Anschluss die Pace und konnte sich absetzen, aber auch Hellwig zeigte sich in Topform, überholte Studer und übergab mit drei Sekunden Rückstand auf Tertsch - eine fantastische Vorstellung des ersten deutschen Starters.

Tertsch läuft überragend an die Spitze

Tertsch stand ihrem Teamkollegen in nichts nach. Nach erneuten 300 Metern im Wasser wuchs der Rückstand auf Giorgia Taylor-Brown zwar leicht an, aber auch der Vorsprung vor den Verfolgern blieb konstant bei einigen Sekunden. Während die Britin auf dem Rad an der Spitze weiter Meter um Meter zwischen sich und ihre Konkurrentinnen brachte, setzte Alice Betto zum Angriff auf Platz zwei an. Tertsch hängte sich ans Hinterrad und ließ die Italienerin die Führungsarbeit machen, um Kraft für das Laufen zu sparen.

Doch noch vor den abschließenden 1,8 Kilometern hatte eine größere Verfolgergruppe aufgeschlossen. Tertsch verlor einige Sekunden, konnte aber schnell wieder aufschließen. Die 25-Jährige präsentierte sich - wie schon im Einzelrennen - in starker Form. Nein, sie lief ein überragendes Rennen, konnte zunächst mit der Schweizerin Julie Derron Zeit auf die Spitze abknapsen und übernahm kurz vor dem Wechsel sogar die Führung von der Britin Taylor-Brown.

Lisa Tertsch aus Deutschland (l) läuft an Julie Derron aus der Schweiz vorbei

Lührs im Gleichschritt mit Großbritannien

Die deutsche Staffel also erstmals an der Spitze und auf Medaillenkurs. Was hatte Lührs nach Platz 21 im Einzelrennen im Köcher? Im Wasser musste er Großbritannien mit Samuel Dickinson zwar die Führung überlassen, ließ sich vor dem Wechsel auf das Rad aber nicht abschütteln. Derweil wuchs der Vorsprung auf die Verfolger an. Das Duo an der Spitze legte von Beginn an ein enormes Tempo an den Tag, um die Lücke weiter auszubauen. Lührs und Dickinson wechselten sich immer wieder clever mit der Führungsarbeit ab. Die Taktik sollte aufgehen.

Der Vorsprung war auf 17 Sekunden angewachsen, als es auf die Laufstrecke ging. Lührs und Dickinson arbeiteten zunächst weiter Hand in Hand, doch dann zog der Brite das Tempo an. Lührs musste abreißen lassen, auch die Verfolger kamen ein Stück näher. Beim Wechsel auf Lindemann betrug der Vorsprung auf Platz drei aber weiter 15 Sekunden. Mitfavorit Frankreich hatte dagegen weiter mit dem Sturz von le Corre zu Beginn des Rennens zu kämpfen und lag beim letzten Wechsel fast mit einer Minute im Hintertreffen.

Lindemann und das Rennen ihres Lebens

Lindemann hängte sich in der Seine an die Füße der führenden Beth Potter, konnte den Rückstand aber nicht entscheidend verkürzen. Fast noch wichtiger: Die Verfolgerinnen blieben ebenfalls auf Distanz, elf Sekunden betrug das Polster auf die drittplatzierte Staffel aus den USA mit Taylor Knibb beim Wechsel aufs Rad. Die US-Amerikanerin, etwas stärker auf dem Rad als Lindemann, konnte im Anschluss die Lücke schließen. Die 28-Jährige zeigte aber weiter ein beherztes Rennen und hielt Schritt.

Als es zum letzten Mal in die Laufschuhe ging, war die Medaille zum Greifen nah. Portugal auf Platz vier lag bereits mehr als eine Minute im Hintertreffen, sogar die führende Britin Potter konnte von Lindemann und Knibb noch eingeholt werden. Die Entscheidung um Gold, Silber und Bronze fiel in der direkten Laufentscheidung.

Lindemann lief am Anschlag, machte aber weiter einen kontrollierten Eindruck. Keine der Konkurrentinnen konnte sich zunächst entscheidend absetzen. Auf den letzten Metern rannte die Potsdamerin schließlich das Rennen ihres Lebens, übernahm die Führung und holte sensationell Gold im Schlussspurt.

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 05.08.2024 | 18:00 Uhr