Dramatischer Einzug ins Halbfinale Deutsche Handballer gewinnen Olympia-Krimi gegen Frankreich
In einem unglaublichen Viertelfinale verzweifeln Deutschlands Handballer an Frankreichs überragendem Torwart - und retten sich dann mit einem Wunderwurf in die Verlängerung. Dort behalten sie die Nerven und schlagen den Top-Favoriten mit 35:34.
Seinen Höhepunkt erreichte der Handball-Wahnsinn von Lille am Mittwoch (07.08.2024) Sekunden vor dem eigentlichen Ende. Die Franzosen führten da mit 29:28 gegen Deutschland, hätten den Ball eigentlich nur noch festhalten müssen. Dika Mem aber warf ihn Julian Köster in die Hände. Einen Pass und einen Notwurf von Renars Uscins später rutschte er mit Ertönen der Sirene zum 29:29-Ausgleich durch die Hosenträger des Torwarts in Frankreichs Tor.
Auch Linksaußen Rune Dahmke sprach anschließend von "Wahnsinn", sagte: "Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie das am Ende passiert ist." Was aber am Ende passiert war, das dürfte auch Dahmke sehr genau registriert haben. Die ebenfalls dramatische Verlängerung, das 35:34 als diese zu Ende war, der Einzug ins Halbfinale, in dem Deutschland am Freitag (09.08.2024) auf Spanien trifft.
Der große Favorit auf den Einzug in besagtes Halbfinale waren Rune Dahmke und Co. natürlich nicht. Das waren die Franzosen, amtierender Europameister und angepeitscht von einem euphorischen Publikum. Schon bei der ersten Parade von ihrem Schlussmann Vincent Gerard feierten 27.000 Franzosen im umgebauten Stade Pierre-Mauroy ihre Landsleute auf dem Parkett vielstimmig. Nicht zum letzten Mal.
Auf einen guten Start folgt Ernüchterung
Die deutsche Mannschaft konnte die französische Feierlaune anschließend vorerst nur kurz trüben. Nach ihrem 4:2-Start übernahmen die Gastgeber die Kontrolle - angeführt von ihrem Torwart. Gerard, der im Vereinsalltag nur in der zweiten französischen Liga spielt, war direkt voll da. Von den ersten zwölf deutschen Abschlüssen parierte er gleich fünf.
Nach 13 Minuten führte Frankreich mit 10:7. Bundestrainer Alfred Gislason brachte erst den zuletzt starken David Späth für den glücklosen Andreas Wolff, nahm dann seine erste Auszeit. Zunächst mit wenig Wirkung: Gerard hielt gleich zwei weitere deutsche Würfe. Das Publikum wurde noch lauter.
Frankreichs Schlussmann Gerard überragt
Das Spiel gegen die so erfahrenen Franzosen drohte der so jungen deutschen Mannschaft sehr früh zu entgleiten. Dann packte David Späth das erste, zweite und dritte Mal zu. Vorne bediente Lukas Mertens Rückraumspieler Renars Uscins trickreich per Kempa - Deutschland war dran auf 10:12.
Dann allerdings wuchs der ohnehin schon groß aufspielende Gerard weiter über sich hinaus. Mal angeworfen durch die noch präzisionslosen Deutschen, mal reaktionsschnell, zwischendurch auch mit einer Kombination aus Schulter und rechter Wange. Zwölf Paraden bei 26 deutschen Würfen bescherten den Franzosen zur Halbzeit eine 17:14-Führung.
Das Gute: Die Mannschaft von Trainer Gislason hatte nicht abreißen lassen - auch weil David Späth seinem französischen Pendant mit sieben Paraden und 50 Prozent gehaltenen Bällen in nichts nachstand.
Schwacher Start erhöht die Halbzeit-Hypothek
Dann startete die zweite Halbzeit und Frankreich zog davon. Ein 14:20 brachte Deutschland gefährlich in die Bredouille. Aber eines bewies die DHB-Auswahl am Mittwoch zuverlässig: Widerstandsfähigkeit. "Ich bin sehr stolz, wie wir den Kopf behalten haben", sagte Renars Uscins nach Spielende. Mit einem 5:1-Lauf verkürzte Deutschland auf 19:21 (35.), ließ sich auch dann nicht verunsichern, als Gerard - natürlich - auch den ersten Siebenmeter des Spiels hielt.
Vorne verkürzte Golla auf 24:25 (46.), hinten parierte Späth stark. Frankreichs Karl Konan bekam eine Zwei-Minuten-Strafe, Deutschland zauberte mutig: Knorr, Köster, Kempa, der 25:25-Ausgleich war perfekt. Einziges Problem: Vincent Gerard erwachte wieder zum Leben, parierte den nächsten Siebenmeter und danach gleich doppelt.
Ein Drama in drei Akten
Gegen Heymann war kurz darauf aber auch er machtlos: Nach exakt 50 Minuten stand beim 26:25 die erste deutsche Führung seit Langem auf der Anzeigetafel. Die letzten zehn regulären Minuten wurden dann zu einem Krimi. Der erste Akt: Vincent Gerard vernagelte erneut sein Tor, hielt vier deutsche Würfe in Serie und dabei auch den nächsten Siebenmeter. Den zweiten, bereits erzählten Akt schrieben Dika Mem und Renars Uscins. Es folgte der dritte Akt, die Verlängerung.
Späth und Uscins werden zu Helden
In den zwei mal fünf Extraminuten waberte das Spiel hin und her: Frankreich ging mehrfach in Führung, Deutschland glich mehrfach aus. Der herausstechende Renars Uscins ging dabei voran, traf wuchtig und nervenstark - unter anderem per Siebenmeter zum 32:32 am Ende der ersten Verlängerungshälfte.
In der zweiten Verlängerung blieb das Spiel dann erneut bis in die Schlusssekunden spannend. Sekunden vor dem Ende bescherte einmal mehr Uscins Deutschland die 35:34-Führung. Frankreich blieb noch ein Wurf - der erfolglos blieb. Mit seiner 14. Parade hielt der ebenfalls beeindruckend starke David Späth den Sieg und das Halbfinale fest.
Deutschland im Halbfinale gegen Spanien, Dänemark trifft auf Slowenien
Genauso knapp wie das Spiel zwischen Deutschland und Frankreich endete auch das Viertelfinale zwischen Deutschlands Halbfinal-Gegner Spanien und Ägypten: Die Nordafrikaner führten zur Halbzeit noch mit 12:8, nach dem Seitenwechsel war aber Spanien das bessere Team und holte Tor um Tor auf. In der letzten Spielminute glichen die Iberer dann zum 25:25 aus und die Partie ging in die Verlängerung - mit dem glücklicheren Ende für Spanien, das Ägypten mit 29:28 bezwang.
Auch im Viertelfinale zwischen Schweden und dem Gold-Favoriten Dänemark war es bis zum Ende spannend. Nachdem es zur Halbzeit noch unentschieden (16:16) gestanden hatte, setzten sich die Dänen in der Schlussphase knapp mit 32:31 durch. Im Halbfinale trifft der Weltmeister nun auf Slowenien, das sein Viertelfinale mit 33:28 (16:12) gegen Norwegen gewonnen hat.