Olympia-Zulassung Leichtathletik-Weltverband bleibt bei Anti-Russland-Linie
Trotz der näher gerückten Zulassung russischer und belarusischer Athleten unter neutralem Status bei den Olympischen Spielen 2024 bleibt der Leichtathletik-Weltverband bei seiner Anti-Russland-Linie.
"Der Standpunkt von World Athletics zur Teilnahme Russlands bleibt unverändert und war von Anfang an sehr klar", teilte World Athletics am Mittwoch (05.12.2023) auf Anfrage des Sportinformationsdienstes mit und verwies auf den bestehenden Ausschluss russischer Athleten. "Wir werden die Situation weiter beobachten, aber wenn sich die Umstände bis zu den Olympischen Spielen nicht grundlegend ändern, wird dieser Ausschluss auch für Paris 2024 gelten", hieß es weiter.
Vom IOC dargestellte Einigkeit offenbar brüchig
Vertreter der internationalen Sommersportverbände sowie mehrere Nationale Olympische Komitees hatten sich nach Angaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) beim 12. Olympic Summit am Dienstag dafür stark gemacht, Sportlerinnen und Sportler aus den Aggressorländern im Ukraine-Krieg als neutrale Athleten bei den Sommerspielen im kommenden Jahr (26. Juli bis 11. August) zuzulassen. Vermittelt wurde der Eindruck, als sei die Sportwelt einig. An dem Treffen in Lausanne hatte auch WA-Präsident Sebastian Coe teilgenommen.
Neben World Athletics hat auch der Verein Athleten Deutschland auf die nähergerückte Zulassung neutraler Athleten aus Russland und Belarus für die Olympischen Spiele 2024 reagiert und in der Russland-Frage zugleich Klarheit vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) verlangt.
Athleten Deutschland: "Forderungen überraschen nicht"
"Die gestrigen Forderungen des Olympic Summits überraschen nicht. Sie reihen sich in eine wohl orchestrierte Handlungskette ein, deren nächste Schritte bereits anberaumte Konferenzformate des IOC mit Anspruchsgruppen, unter anderem Athletenvertretungen, darstellen. Dieses 'Playbook' vollzog sich bereits im letzten Jahr in ähnlicher Form, bevor die Empfehlungen des IOC zu neutralen Athletinnen und Athleten aus Russland im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht wurden", teilte Athleten Deutschland mit.
"Leider gehen die unterzeichnenden Organisationen der gestrigen Beschlussempfehlungen nicht auf notwendige Detailfragen ein", schrieb Athleten Deutschland in seiner Stellungnahme und verwies auf "praktische Umsetzungsprobleme" bei der Wiederzulassung sowie die "weiterhin bestehenden Zweifel an der Wirksamkeit des Dopingkontrollregimes für russische Athletinnen und Athleten". Zudem fehlten "vollständige Angaben, wie den Schutzbedürfnissen von ukrainischen Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen im Detail Rechnung getragen werden soll".
Die Vertreter der geladenen Verbände hatten bei ihrem 12. Olympic Summit zudem aufs Tempo gedrückt, sie hätten "um eine schnellstmögliche Entscheidung" gebeten, wie es in der IOC-Aussendung heißt, um "Klarheit in die olympischen Qualifikationsverfahren und für alle betroffenen Athleten" zu schaffen. Zuletzt hatte auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der beim Olympic Summit allerdings nicht vertreten war, seinen Kurs geändert und sich auf die Linie der meisten NOKs und Welt-Fachverbände begeben.
Entscheidung weiter nicht gefallen
Ende September hatte bereits das Internationale Paralympische Komitee (IPC) vorgelegt und neutrale Russen nach Paris eingeladen. Eine Entscheidung des IOC über die Zulassung zu den am 26. Juli 2024 beginnenden Olympischen Sommerspielen, die "nur unter den bestehenden strengen Bedingungen" denkbar sei, ist laut IOC-Kommunique zwar weiter nicht gefallen. Und doch scheint es, als sei durch das Hinterzimmertreffen in Lausanne der Weg endgültig bereitet für das "Ja" von Thomas Bach und der Ringe-Organisation.
Zumal auch der Rückhalt der Aktiven gegeben sei: Die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission Emma Terho habe mitgeteilt, dass "die überwiegende Mehrheit der Athleten weltweit" der Ansicht sei, dass "Athleten nicht für die Handlungen ihrer Regierungen bestraft werden sollten". Auch habe die frühere finnische Eishockeyspielerin bei dem Gipfeltreffen mit geladenen Gästen in der IOC-Zentrale betont, dass die Athleten "es begrüßen würden, wenn Klarheit darüber herrschen würde, ob individuelle neutrale Athleten in Paris antreten können und welche Bedingungen für ihre Teilnahme gelten".
Die Bedingungen für russische und belarusische Athleten
Athleten aus Russland und Belarus sind seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 mit Sanktionen in einer Vielzahl von Sportarten belegt worden. Im Laufe des Jahres 2023 wurden nach einer entsprechenden "Empfehlung" des IOC vom 28. März in einer Reihe von olympischen Sportarten die Beschränkungen jedoch gelockert, sodass die russischen und belarusischen Aktiven unter bestimmten Bedingungen wieder an Wettkämpfen teilnehmen können.
Diese sind unter anderem: neutraler Status ohne Flagge und Hymne, keine Verbindungen zum Militär, Einhaltung der Anti-Doping-Regeln. Bezüglich letzterer stellte das IOC, das den Präsidenten der Welt-Anti-Doping-Agentur, Witold Banka, nach Lausanne geladen hatte, fest: "In diesem Jahr wurden mehr als 10.500 Proben von russischen Athleten in und außerhalb von Wettkämpfen entnommen, obwohl die Zahl der neutralen individuellen Athleten, die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, äußerst gering ist. Damit gehört Russland nach wie vor zu den zehn am häufigsten getesteten Nationen."
Spannungen zwischen IOC und Russland
Auch der jüngste Zwist zwischen dem IOC und Russland dürfte die Olympia-Zulassung nicht verhindern. Wegen der Aufnahme regionaler Sportverbände in besetzten ukrainischen Gebieten in das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) hatte die IOC-Exekutive das ROC suspendiert.
Die Entscheidung vom 5. Oktober, die regionalen Sportverbände Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischja aufzunehmen, verletze die Olympische Charta, weil sie die territoriale Integrität des ukrainischen olympischen Komitees missachte, hieß es zur Begründung.
Der olympische Gipfel verurteilte zudem die Pläne des Kreml, im kommenden September sogenannte "World Friendship Games" in Moskau und Jekaterinburg auszurichten. Das Multisportereignis sei "klar politisch motiviert", hieß es in der Erklärung. Die olympischen Dachverbände betonten ihren Willen, dass Ergebnisse dieser Veranstaltung keine offizielle Anerkennung erhalten sollen.