Großer Preis von Brasilien Kein "Autoscooter" mehr - Formel 1 entschärft Verstappen
Max Verstappen gerät im Rennen um seinen vierten WM-Titel in der Formel 1 immer mehr unter Druck. Vor dem Großen Preis in Brasilien herrscht längst keine Klarheit mehr, wer Weltmeister wird.
Max Verstappen hätte vor einigen Monaten ganz sicher nicht für möglich gehalten, was aktuell um ihn herum passiert. Der dreifache Formel-1-Weltmeister war auf dem allerbesten Weg zu seinem nächsten Titel, von den ersten zehn Rennen hatte er sieben gewonnen und lag zur Hälfte der 24 Grands Prix umfassenden Saison mit 84 Punkten Vorsprung schon nahezu uneinholbar vor Lando Norris. Doch genau der macht dem Niederländer das Leben im Cockpit gerade richtig schwer.
Seit Juni hat Verstappen kein Rennen mehr gewinnen können. Dass er nach wie vor 47 Punkte Vorsprung auf Norris hat, hat er in erster Linie der Vielzahl der stärker gewordenen Konkurrenten zu verdanken. Wie sehr ihn das Abschmelzen des Vorsprungs dennoch beschäftigt, hat der vergangene Grand Prix von Mexiko eindrucksvoll gezeigt, als Verstappen seinen Kontrahenten von der Fahrbahn drängte und dafür bestraft wurde.
Verstappen nach Mexiko-GP in der Kritik
Dieses Manöver hat Folgen. Verstappen wird nicht nur von seinen unmittelbaren Gegnern (McLarens Geschäftsführer Zak Brown: "Es ist unnötig, es gefährdet alle und es ist kein sauberes Rennen.") kritisiert, sondern auch von Experten. Damon Hill nahm gleich den Red-Bull-Rennstall mit ins Boot, der den Weltmeister stets verteidigt hat.
"Es hat fast den Anschein, als könne Max tun und lassen, was er will", sagte Hill bei "Sky". "Es liegt in der Verantwortung des Teams, auch zur Einstellung des Fahrers beizutragen. Er könnte seine Fähigkeiten immer nutzen, um seine Gegner zu besiegen - es sollte nicht nur ein Autoscooter-Rennen sein."
Red Bulls Max Verstappen und McLarens Lando Norris im Zweikampf beim Mexiko Grand Prix
Red Bull setzt auf Motorenwechsel vor Interlagos-Rennen
Verstappen lassen solche Aussagen kalt. "Es ist mein zehntes Jahr in der Formel 1. Ich denke, ich weiß, was ich mache. Ich höre nicht auf sie, ich bin dreifacher Weltmeister", sagte der 27-Jährige vor dem kommenden Rennwochenende in Brasilien. Da "müssen wir alles tun, um konkurrenzfähiger zu sein und stärker zurückzukommen", hatte Verstappen vorher gefordert.
Dazu gehört offenbar ein Motorenwechsel, der Verstappen auf der sogenannten "Buckelpiste von Interlagos" einige Plätze in der Startaufstellung kosten dürfte. Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko hatte das in einer Kolumne bei "speedweek.com" angekündigt. Verstappen wolle mit dem Team dennoch "so erfolgreich sein, wie wir können". Aber die Frage ist, wie erfolgreich der Fahrer und sein aktuell nicht unbedingt titelwürdiges Auto gerade sein können.
Bis zu 34 Punkte beim Großen Preis von Brasilien
Fakt ist, dass das Wochenende in Brasilien - das viertletzte in dieser Saison - eine besondere Bedeutung im Titelkampf haben wird. Es sind nicht nur die 26 Punkte im Rennen am Sonntag (25 für den Sieg, einer für die schnellste Rennrunde) zu vergeben, sondern noch weitere Zähler, weil es in Sao Paolo am Samstag (02.11.2024) das nächste Sprintrennen geben wird. Der Sieger erhält acht Zähler, als Achter bekommt man immerhin noch einen Punkt. Bedeutet: Norris hat eine große Chance, seinen Rückstand signifikant zu verringern.
"Es gibt noch mehr Punkte zu holen, auf geht's!", sagte der McLaren-Pilot, dessen Ausgangslage "großartig" sei. Norris will Jagd auf Verstappen machen, auf Szenen wie in Mexiko hat er allerdings gar keine Lust. "Ich hoffe, dass ich einen saubereren Kampf als den, den wir hatten, erwarten kann", sagte er.
Formel 1 zieht die Zügel an, Verstappen will "Fahrstil nicht ändern"
Weil die Rennkommissare allerdings befürchten, dass Verstappen auch weiterhin kein Manöver scheut, um seinen Thron zu verteidigen, haben sie bereits angekündigt, noch vehementer gegen solche Aktionen vorgehen zu wollen. "Da der Titelkampf immer härter wird, ist es gut möglich, dass die Stewards in Brasilien noch mehr harte Entscheidungen treffen müssen", schrieb die Formel 1 auf ihrer Internetseite.
Die Verstappen-Seite lässt auch das kalt. Vater Jos betonte bereits, sein Sohn werde seinen "Fahrstil nicht ändern, nur weil es ein paar Stewards gibt, die ihn nicht mögen". Und Max stellte in den Raum, der Strafenkatalog sei momentan "vielleicht ein wenig überreguliert".
Sein Blick geht ohnehin eher auf die Strecke - auf die er nach wie vor positiv geht. "Wir haben noch einen guten Vorsprung, ich versuche den Moment zu genießen und alles rauszuholen", sagte Verstappen. Wie sehr er dazu in der Lage ist, wenn es im Titelkampf richtig eng wird, zeigte er 2021, als er im letzten Rennen gegen Lewis Hamilton erstmals Weltmeister wurde. Seitdem war Verstappen nicht mehr unter Druck geraten, doch nun kommt er von allen Seiten.
Mercedes-Chef Wolff befürwortet Strafen
Denn Toto Wolff, Teamchef von Mercedes, glaubt auch, dass Verstappen nun noch kritischer beäugt wird. "Ein Fahrer geht immer ans Limit und wenn die Regeln eine gewisse Art des Rennfahrens erlauben, wird ein Fahrer wie Max die immer ausnützen. Nun gibt es aber eine neue Interpretation und Auslegung der Regeln und ich denke, das wird die Art Rennen zu fahren von allen verändern", sagte er.
Wolff befürwortete, dass Manöver wie in Mexiko nicht mehr durchgewunken werden. "Von jetzt an muss man außen in der Kurve Platz lassen, wenn das Auto neben einem ist. Zu spät zu bremsen und das andere Auto von der Strecke bringen und dabei selbst auch noch die Strecke verlassen - das ist nicht mehr drin." Verstappen muss also nicht nur schneller werden, sondern auch seine Verteidigungsstrategie einschränken. Das Bild verschwimmt im WM-Kampf.