An Bedeutung verloren Die Formel 1 hat ein Deutschland-Problem
Nico Hülkenberg ist 2023 der einzige deutsche Stammpilot in der Formel 1. Ein Rennen in Deutschland wird es nicht geben. Bernie Ecclestone sagt, Deutschland habe seine Bedeutung als Formel-1-Land verloren.
Der 92-Jährige sieht Deutschland an einem Tiefpunkt in der Begeisterungsfähigkeit für die Rennserie. "Ich frage mich: Was ist mit Deutschland los? Das Land hatte so viele Weltmeister. Die Öffentlichkeit scheint aber das Interesse an der Formel 1 verloren zu haben", sagte der Ex-Promoter Ecclestone vor dem Saisonstart in Bahrain am Sonntag (05.03.2023). Der Brite war bis zu seiner Absetzung 2017 rund 40 Jahre Chefvermarkter der Formel 1.
"Wir hatten dort so tolle Rennen vor so einem tollen Publikum - aber es ist alles weg. Mir tut es wirklich leid, dass wir Deutschland für die Formel 1 verloren haben. Es gibt ja auch keine Rennen mehr. Es sieht so aus, als ob Deutschland für die Formel 1 gar nicht mehr existieren würde", so Ecclestone weiter: "Vielleicht haben sich die Veranstalter auch nicht genug angestrengt. Sie haben vermutlich zu sehr kleine, nette, lokale Rennen ausgerichtet und nicht internationale Rennen in Weltmeisterformat. Sie sind nicht mitgewachsen."
Haug: "Von der Großmacht zum Entwicklungsland"
Das bisher letzte Mal hat die Formel 1 in Deutschland 2020 Station gemacht - das Rennen auf dem Nürburgring war aber nur wegen des durch die Corona-Pandemie improvisierten Rennkalenders zustande gekommen.
Der frühere Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug erkennt ebenfalls einen Bedeutungsverlust des Formel-1-Standorts Deutschland. Dass sich Deutschland "von der im Zentrum stehenden Formel-1-Großmacht zum kaum beachteten Entwicklungsland ohne eigenes Rennen und ohne Fahrer mit Sieg- geschweige denn Titelchancen zurückentwickelt hat, ist ein Trauerspiel", sagte der 70-Jährige der "Pforzheimer Zeitung".
Nur Hülkenberg noch dabei
Dass absehbar wieder ein Grand Prix in Deutschland stattfindet, schließt er aus. "Der Zug ist abgefahren. Deutschland, die einstige Lokomotive vergangener Jahrzehnte mit zwei Formel-1-Rennen pro Jahr und zwölf gewonnen Fahrer-Weltmeistertiteln zwischen 1994 und 2016, sitzt im letzten Waggon, also dort, wo die rote Laterne hängt", befand Haug.
Nach dem Rücktritt des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel zum Saisonende und dem Aus von Mick Schumacher beim US-Team Haas gibt es nur noch einen deutschen Formel-1-Stammpiloten. Nico Hülkenberg ersetzte Schumacher, der wiederum Ersatzfahrer bei Mercedes geworden ist.
Mick Schumacher im Wartestand
Nur noch einen Deutschen in der Startaufstellung zu sehen, ist ungewohnt. Michael Schumacher hatte mit seinem ersten WM-Titel 1994 einen Motorsport-Boom in Deutschland in Gang gesetzt. Ein Talent nach dem anderen bahnte sich wie selbstverständlich den Weg von der Kartbahn in die Formel 1. 2010 standen zeitweise sieben Deutsche gleichzeitig am Start, Hülkenberg war damals auch schon dabei.
Mick Schumacher ist in dieser Saison Testfahrer bei Mercedes.
Nun ist der 35-Jährige der letzte Deutsche. Mick Schumacher, Sohn des Rekordweltmeisters Michael, sitzt zumindest in der Mercedes-Garage, wenn der illustre Zirkel von 20 Rennfahren aufs Gaspedal tritt.
"Ich freue mich, auch wenn ich auf der Ersatzbank sitze", sagte er. Als Ersatzfahrer kann er bei einem siebenmaligen Weltmeisterteam mit hochprofessionellen Strukturen lernen, seine Kollegen sind Rekordchampion Lewis Hamilton und der hochgehandelte George Russell. Doch viel Fahrpraxis wird Schumacher nicht sammeln. Im Normalfall jedenfalls.
Erfahrung vor Talent
Bei Haas scheiterte Schumacher an der Tatsache, dass Teamchef Günther Steiner und Eigner Gene Haas keine Geduld hatten. Denn Talent hat er unbestreitbar, nur die Erfolge fehlten. Haas entschied sich für die Erfahrung des 181-maligen Grand-Prix-Starters Hülkenberg, der von 2020 bis 2022 selbst "nur" Ersatzmann war, aber seine Qualitäten zeigte, wenn er gebraucht wurde. Hülkenberg müsse "nichts mehr dazulernen, sondern einfach in den Rhythmus kommen", sagte Steiner zuletzt.
Schumacher darf allerdings hoffen, demnächst wieder Stammpilot zu werden. "Über den Winter haben einige Leute schon Interesse bekundet", sagte der 23-Jährige zuletzt über seine Aussichten für 2024: "Sicher, da geht was."
Neue Fahrer nicht in Sicht
Und dahinter? Kommt wenig bis nichts nach, und das ist das eigentliche Problem. Für David Beckmann und Lirim Zendeli ist ein Stammplatz in der Formel 2 nicht mehr zu finanzieren. In der Formel 3 fährt der Deutsch-Däne Oliver Goethe und Sophia Flörsch, unternimmt dort nach zwei Jahren Pause einen neuen Anlauf.