Schild des DOSB in Frankfurt

DOSB-Mitgliederversammlung DOSB will mehr bewegen und Olympia erreichen

Stand: 02.12.2022 18:38 Uhr

Der DOSB trifft sich am Samstag in Baden-Baden zu seiner Mitgliederversammlung. Das Team um Präsident Thomas Weikert stellt sich zur Wiederwahl und verspricht viel - auch eine mögliche Olympiabewerbung.

"Gemeinsam. Mehr. Bewegen." So lautet der griffige Titel des Programms, mit dem der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Weikert, am Samstag (03.12.2022) bei der Mitgliederversammlung in Baden-Baden zur Wiederwahl antritt. Gemeinsam mit dem gesamten Präsidium, bestehend aus Kerstin Holze, Verena Bentele, Miriam Welte und Oliver Stegemann.

Sie alle waren vor einem Jahr bei vorgezogenen Neuwahlen ins Amt gekommen. Weikerts Vorgänger Alfons Hörmann war nicht mehr angetreten. Das Vertrauen in ihn war erschüttert, nachdem sein Führungsstil in einem anonymen Brief kritisiert worden war. Unter den Mitarbeitenden des DOSB herrsche eine "Kultur der Angst", hieß es darin. In der Folge war das komplette Präsidium abgewählt worden und auch die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker aus dem Amt geschieden.

Weitere anonyme Briefe

Weikert und sein Team sind angetreten, das Klima innerhalb des Dachverbandes des deutschen Sports zu verbessern. Mit einem Positionspapier, das sportschau.de vorliegt, werben sie für die Wiederwahl. Es müsse weiter daran gearbeitet werden, heißt es darin, "verlorengegangenes Vertrauen auf allen Seiten wieder aufzubauen" und ein Klima zu schaffen, "in dem es keiner anonymen Briefe mehr bedarf".

DOSB-Präsident Thomas Weikert

Gerade der letzte Punkt hat sich bisher allerdings nicht erfüllt. Ende Oktober tauchten erneut zwei anonyme Briefe auf. In einem davon ging es um Vorwürfe gegen Thomas Weikert. Wer diesen nachgehen wollte, stieß schnell an die Grenzen der Transparenz.

Je eine Anfrage an den Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester und an den Präsidenten Thomas Weikert beantwortete statt der Adressaten die DOSB-Pressestelle gemeinsam. Ohne auf die Fragen konkret einzugehen hieß es: "Die Ethikkommission hat keine Bedenken hinsichtlich der geprüften Integritätsthemen gegen eine Kandidatur von Thomas Weikert geäußert."

Thomas de Maizière, ehemaliger Innen- und Sportminister und Vorsitzender der DOSB-Ethikkommission schreibt auf unsere Anfrage, die Kommission "beantwortet grundsätzlich keine Anfragen von Journalisten über einzelne Verfahrensschritte unserer Arbeit. Das gilt insbesondere im Umgang mit anonymen Briefen."

Ethikkommission hat keine Bedenken

Sowohl der Verband als auch seine Ethikkommission wiesen auf den Integritätscheck hin, dem sich alle Kandidatinnen und Kandidaten für einen Posten im Präsidium freiwillig unterzogen hätten. Mit dieser Prüfung hatte die DOSB-Ethikkommission die "Sportradar AG" in der Schweiz beauftragt. Ein Unternehmen, das weltweit Themen wie Betrug, Doping und Spielmanipulation untersucht und dabei sowohl mit Sportverbänden als auch Behörden zusammenarbeitet.

Laut DOSB habe Sportradar unter anderem die Bereiche Belästigung, Diskriminierung, Gewalthandlungen, Doping- oder Manipulationsfälle oder Verstöße gegen die jeweiligen Good-Governance-Regularien beleuchtet. Das Unternehmen selbst beantwortet mit dem Hinweis auf Vertraulichkeit keine unserer Fragen. So bleibt als Ergebnis lediglich die Aussage der Ethikkommission des Verbandes. Sie hat "keine Bedenken gegen die Kandidatinnen und Kandidaten".

Athleten bei Spitzensportreform erstmal nicht gefragt

Das Präsidium hat mit dem von ihm im Wahlprogramm angestrebten "transparenten und modernen Dachverband" also noch viel Arbeit vor sich. Das zeigte sich auch bei der Reform der Leistungssportreform. "Neue Wege gehen", heißt das "Grobkonzept", das DOSB und das für Sport zuständige Bundesinnenministerium (BMI) am 22. November vorgestellt haben. Für viele kam der Termin der Veröffentlichung überraschend.

Auch für Athleten und Trainer, die laut Wahlprogramm "immer im Mittelpunkt unseres Handelns stehen". Der Verein "Athleten Deutschland" hatte eine Mitgestaltung am Konzept angemahnt, sah diese Forderung aber nicht erfüllt. "Punktuelle Konsultierung und unregelmäßiger Informationsaustausch decken sich nicht mit unserem Verständnis von ernst gemeinter Mitbestimmung und Mitgestaltung", erläuterte die Interessenvertretung der Leistungssportlerinnen und -Sportler.

Der Berufsverband der Trainerinnen und Trainer war über die Vorstellung des Papiers ebenfalls nicht informiert. "Mit uns wurde über dieses Konzept nicht gesprochen", hieß es. Hier wartet auf das neue Präsidium viel Arbeit, will es der formulierten "transparenten und kontinuierliche Kommunikationskultur" gerecht werden.

Existenzielle Krisen im Sport

Als Kernaufgabe bezeichnet das bisherige DOSB-Führungsteam in seinem Wahlprogramm den Umgang mit den großen Herausforderungen "Corona-Pandemie, Energiekrise und Inflation". Wenn hier nicht die richtigen Antworten gefunden würden, könnten diese Probleme "sogar existenziell bedrohend für das Sportsystem Deutschland werden". Daher solle der Sport in allen gesellschaftlichen Bereichen verankert werden. Dabei soll unter anderem ein Bewegungsgipfel Mitte Dezember helfen.

Leitlinien zur Aufarbeitung von Gewalt im Sport

Ein Thema wird in jüngster Zeit verstärkt von außen an den DOSB herangetragen: Schutz vor psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt im Sport. Bisher hatte der Verband hier eher auf Prävention gesetzt, jetzt aber Leitlinien zur Aufarbeitung entwickelt, die demnächst veröffentlicht werden sollen.

Vor wenigen Tagen hat im Handball die erste Aufarbeitungskommission in einem deutschen Sportfachverband ihre Arbeit aufgenommen. Im September hatte sich in Weimar die erste Aufarbeitungskommission im deutschen Sport überhaupt konstituiert.

Die Mitglieder sollen sich in Baden-Baden zu ihrer Verantwortung zur Aufarbeitung bekennen und auch zu einem "Zukunftsplan Safe Sport". Darin enthalten: die gemeinsam erarbeitete Position des organisierten Sports zu einem geplanten "Zentrum für Safe Sport". Das hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Eine übergeordnete unabhängige Institution, die unter anderem Meldungen über Fälle entgegennehmen, Untersuchungen einleiten und Sanktionen aussprechen können soll.

Anfang Dezember beginnt beim Bundesinnenministerium der Diskussionsprozess über die Ausgestaltung des Zentrums mit allen Beteiligten, auch der DOSB ist dabei. Der begrüßt das "Zentrum für Safe Sport" generell, eine Beteiligung an der Finanzierung lehnt der Dachverband bisher ab.

Stabsstelle für Olympiabewerbung geplant

Bei all den skizzierten großen Problemen und Herausforderungen scheint es, als wolle sich das Präsidium so etwas wie einen positiven Ausblick gönnen. Und das ist – wie sollte es anders sein – einmal mehr eine mögliche Olympiabewerbung.

In einer Beschlussvorlage zur Mitgliederversammlung wird eine Strategie skizziert, an deren Ende eine erneute deutsche Olympiabewerbung stehen könnte. Die vergangenen sechs Versuche, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen, waren gescheitert.

Dieses Projekt ist dem Präsidium so wichtig, dass - sollten die Mitglieder zustimmen - umgehend eine "Stabsstelle Olympiabewerbung" eingerichtet wird. Dafür finanziert der DOSB fünf Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die spätestens im Februar ihr Arbeit aufnehmen.