Vize-Weltmeister über 100 m Sprinter Tebogo will "Inspiration für Afrika" sein
Letsile Tebogo aus Botswana hat am Sonntag (20.08.2023) bei der Leichtathletik-WM in Budapest als erster Afrikaner eine Medaille über die prestigeträchtigen 100 m gewonnen. Der 20-Jährige steht noch am Anfang einer möglicherweise großen Karriere - und ist der Stolz eines ganzen Kontinents.
Letsile Tebogo stand still auf der Laufbahn und blickte in den Himmel. "Eine Medaille war gar nicht der Plan, das Finale war das Ziel. Aber ich habe mitbekommen, wie knapp es war und gebetet, dass ich es zumindest aufs Podium schaffe", erklärte er später. Die Plätze zwei bis vier waren zuvor nach Hundertsteln zeitgleich ins Ziel gekommen - bange Momente. Und dann: "Boom! - hatte ich die Silbermedaille. Ich bin glücklich. Die Medaille ist ein Bonus für uns und für mein Land."
"Es zeigt, was für ein Potenzial in Afrika steckt"
Einmal mehr hat der erst 20-Jährige, der als legitimer Nachfolger der namibischen Legende Frankie Fredericks gilt, damit Geschichte geschrieben. Er ist der erste Afrikaner, der eine WM-Medaille über 100 m gewann. Für ihn nicht nur ein persönlicher Triumph: "Es zeigt, was für ein Potenzial in Afrika steckt. Wir afrikanischen Athleten stehen zusammen und wollen gemeinsam zeigen, dass es bei uns nicht nur Langstreckenläufer, sondern auch großartige Sprinter gibt."
Es ist an der Zeit, dass Afrika die Sprints übernimmt. Die Menschen sollen sehen, dass afrikanische Athleten mehr drauf haben als Langstrecken.
9,88 Sekunden bedeuteten im spannenden Finale von Budapest nicht nur Platz zwei hinter US-Star Noah Lyles (9,83), sondern auch einen weiteren Landesrekord. "Afrika ist so stolz, er hat den Kontinent ins Bewusstsein gerufen", jubelte Seratiwa Tebogo. Sie hatte einst als alleinerziehende Mutter zu kämpfen, ihn und seinen Bruder aufzuziehen. Ihr Sohn dankte auch seiner Großmutter: "Ich bin größtenteils bei ihr aufgewachsen, sie hat mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin."
Vom Fußball zum Leichtathletik-Profi
Als Junge spielte Tebogo vor allem Fußball - weil er so schnell war, meist im Sturm. Doch die Leidenschaft war nicht von Dauer. "Fußball ist mehr ein Teamsport. Wenn einer nicht funktioniert, funktioniert das ganze Team nicht. Das ist in einem Individualsport anders, man ist ganz auf sich gestellt. Das liegt mir mehr", sagte er. Weil er beim Fußball zudem häufiger auf der Bank landete, sattelte er um. Wirklich ernsthaft betreibe er die Leichtathletik aber erst seit vier oder fünf Jahren, berichtete Tebogo: "Da habe ich gemerkt, dass der Sport mich und meine Familie ernähren kann."
Auch über 200 m in der Spitze der Welt
Von da an ging es steil bergauf. 2020 und 2022 wurde er als erster botswanischer Athlet U20-Weltmeister über 100 m. Über die doppelte Distanz holte er jeweils Silber. Mit seiner Zeit von 9,91 Sekunden beim Titelgewinn im vergangenen Jahr in Cali/Kolumbien hält er den aktuellen U20-Weltrekord. In diesem Jahr hat er sich auf allen Strecken von 100 bis 400 m gesteigert, mit dem Afrikarekord von 19,50 Sekunden vor rund einem Monat in London ist der Mann aus Gaborone über 200 m die Nummer zwei der Welt - nur fünf Sprinter waren jemals schneller.
Die 200 m liegen dem Schlaks eigentlich etwas besser als der große Sprint-Klassiker. Der 20-Jährige versprach wieder "eine große Show", spuckte aber auch keine großen Töne vor dem erneuten Final-Duell am Freitagabend (25.08.2023) mit dem Weltjahresbesten Lyles (19,47). "Es geht jetzt erst einmal darum, zu schauen, wie ich so einen Doppelstart physisch verkrafte." Am Ende sprang sogar wieder eine Medaille heraus, Bronze für Tebogo, Lyles gewann.
Usain Bolt das große Idol
Schon jetzt wird Tebogo, dessen Nachname fast schon bezeichnend "Wir sind dankbar" bedeutet, oft in einem Atemzug mit Usain Bolt genannt. Der jamaikanische Ausnahmesprinter, der seit der WM in Berlin 2009 die Weltrekorde über 100 m (9,58) und 200 m (19,19) hält, ist sein Idol, "weil er der größte Athlet ist, den man sich vorstellen kann. Ich versuche, dieses Level eines Tages zu erreichen."
Für sich selbst, seinen Coach, seine Familie - aber auch, um die Entwicklung in Afrika weiter voranzutreiben. "Ich möchte nicht nur für Botswana, sondern für ganz Afrika eine Inspiration sein. Wir müssen viele werden", sagte er.
Mehr Meetings in seiner Heimat, mehr Nachwuchs, mehr Athleten. Tebogo baut darauf, "dass diese Silbermedaille etwas in Afrika und in Botswana bewegen wird". Und vielleicht, so hofft er, kommen ja auch eines Tages Olympische Spiele nach Afrika: "Damit die Leute sehen, wie schön es dort ist."