
Zwölf Jahre als IOC-Präsident Ein Autokrat tritt ab - die Ära Thomas Bach
Nach zwölf Jahren endet die Amtszeit von Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – ein Rückblick auf eine bewegte Ära.
Anfang März bei der Vollversammlung des Europäischen Olympischen Komitees (EOC) in Frankfurt trat Thomas Bach letztmals als IOC-Präsident in Deutschland auf. Abschiedsworte vermied er, sprach stattdessen von einem "Wiedersehen in allen Sporthallen und Stadien, wo ich meiner Leidenschaft für den Sport frönen kann".
Bachs Amtszeit war allerdings mehr von politischen Verwicklungen als von Leidenschaft für den Sport geprägt – trotz der vom IOC stets propagierten politischen Neutralität. Jens Sejer Andersen, der Gründer von "Play the Game", einer Initiative zur Förderung von Demokratie, Transparenz und Meinungsfreiheit im Weltsport, sieht Thomas Bachs Amtszeit vor allem durch "zwei große Stürme" geprägt: "Der erste war der russische Dopingskandal und der zweite war die Covid-19-Pandemie."
Bachs große Nähe zu Putin
2014, bei seinen ersten Olympischen Winterspielen als Präsident, zeigte sich Thomas Bach demonstrativ an der Seite Wladimir Putins in Sotschi, dem er bei der Abschlussfeier persönlich für das Gelingen der Spiele am Schwarzen Meer dankte. Den Raubbau an der Natur, um die Wettkämpfe zu ermöglichen, die selbst für Olympische Spiele exorbitante Kostenexplosion und die Verhaftung zahlreicher Oppositioneller, ignorierte Bach geflissentlich.
Die Spiele von Sotschi gingen in die Geschichte ein - nicht nur sportlich. Noch während der olympischen Wettkämpfe arbeitete Putin den Befehl aus, russische Truppen auf die Krim einmarschieren zu lassen. Kurz darauf erschütterte der russische Staatsdoping-Skandal den Weltsport.
Milder Umgang mit russischem Staatsdoping
"Als aufgedeckt wurde, dass nicht nur in der Leichtathletik, sondern auch bei den Olympischen Winterspielen massiv mit dem Dopingkontrollsystem betrogen worden war, hat sich das IOC sehr überraschend verhalten", sagt Jens Sejer Andersen. "Man hätte natürlich die Integrität des Sports schützen und das tun sollen, was die Welt-Anti-Doping-Agentur ursprünglich empfohlen hat, nämlich eine kollektive Sperre aller russischen Athleten für die Olympischen Spiele in Rio, vielleicht mit ein paar Ausnahmen, auszusprechen."

Doch zu solchen Konsequenzen konnte sich das IOC unter Bach nicht durchringen: Russische Athleten starteten 2016 ohne Einschränkungen in Rio weiter unter ihrer, ab 2018 unter neutraler Flagge. Bach distanzierte sich zwar – jedoch nur rhetorisch.
Die "gute Zusammenarbeit" mit Putin habe sich durch den Doping-Skandal verändert, sagte Bach. Doch auch nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 durften russische Sportler weiter an Olympischen Spielen teilnehmen. "Athleten, die sich an die olympische Charta halten, müssen teilnehmen dürfen", verteidigte Bach diese Entscheidung gegenüber der Sportschau.
Peking 2022 und die Frage der Menschenrechte
Auch die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking sorgte international für Aufruhr. Trotz massiver Menschenrechtsverletzungen unter der chinesischen Regierung hielt das IOC an der Austragung fest. Im März 2021 verhängte die EU wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen Sanktionen gegen China – die US-Regierung wertet das Vorgehen Chinas gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjang offiziell als Genozid.

Thomas Bach sprach im Vorfeld der Spiele in Peking dennoch von "einem großen Moment, die Welt zusammenzuführen, im Geiste des Friedens, der Solidarität und der Freundschaft". Aus Protest boykottierten westliche Staaten die Spiele diplomatisch.
Olympische Spiele in der Pandemie
Brisant war die Lage für das IOC auch im März 2020. Die Olympischen Sommerspiele in Tokio wurden wegen der Corona-Pandemie am Ende einer Hängepartie erstmals in der Geschichte um ein Jahr verschoben. Während die Welt im Krisenmodus war, spielte Bach auf Zeit - IOC und Veranstalter hielten lange an der Austragung 2020 fest.
Bach inszenierte sich dabei immer wieder als Freund der Athleten, ihre Interessen hätten immer oberste Priorität – Mitte März 2020 forderte er laut US-Athletensprecher Han Xiao die Athleten trotz Lockdown und gesundheitlichen Risiken in einer Konferenz dazu auf, sich trotzdem weiter auf die Wettkämpfe vorzubereiten. Erst als einzelne Athleten sowie große Sportnationen wie die USA ihre Teilnahme an den Spielen verweigerten, wurde die Verlegung beschlossen.

Bach richtet das IOC auf sich aus
Die Athleten als Mittelpunkt der olympischen Bewegung – das war Bachs Mantra in seiner Zeit an der Spitze des IOC. Als der ehemalige Fecht-Olympiasieger 2013 als erster Deutscher zum IOC-Präsidenten gewählt wurde, trat er mit großen Reformversprechen an. "Ich bin angetreten mit der olympischen Agenda, die Spiele nachhaltiger zu machen, das Bewerbungsverfahren fairer und die Athleten mehr in den Vordergrund zu rücken", kündigte er an.
Doch die Realität sah anders aus. Bach schneiderte das IOC in den Augen von Beobachtern stark auf sich selbst zu. "Thomas Bach war unglaublich effizient darin, die Kontrolle über die olympische Bewegung auf seinem Schreibtisch zu bündeln", sagt Sejer Andersen. "Es gibt nicht eine strategische Entscheidung, nicht eine strategische Aussage des IOC oder seiner verschiedenen Zweige in der olympischen Familie, die nicht von Thomas Bach genehmigt wurde."
Auch das Personal wurde ganz auf den Präsidenten ausgerichtet. Von den 110 IOC-Mitgliedern, die am kommenden Donnerstag im Rahmen der 144. IOC-Session Bachs Nachfolger bestimmen, sind 75 unter seiner Ägide ins Amt gekommen. So viele wie unter keinem IOC-Präsidenten zuvor und die meisten Bach treu ergeben.
Das gescheiterte Reformversprechen "Agenda 2020"
Bachs großes Reformprojekt, die "Agenda 2020", sollte Olympische Spiele wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger machen. Durch die Offenlegung der Verträge zwischen IOC und den jeweiligen Austragungsstädten sollten zukünftige Bewerberstädte nicht mehr durch unkalkulierbare Kosten abgeschreckt werden. Doch der Plan scheiterte: Statt zahlreicher Interessenten für die Spiele 2024 blieben nur zwei Bewerber übrig - es kam zur Doppelvergabe der Spiele 2024 an Paris und 2028 an Los Angeles.
Die Olympischen Sommerspiele in Paris 2024 lieferten für Bach und das IOC dann endlich die gewünschten Bilder inmitten einer europäischen Hauptstadt. Bach nennt die Schlussfeier von Paris 2024 den "schönsten Moment" seiner Amtszeit. Noch liegt keine endgültige Bilanz vor, doch 95 Prozent der genutzten Sportstätten waren bereits vorhanden - das IOC verkaufte die Spiele als Erfolg - ganz im Sinne der "Agenda 2020".
Was folgt für Bach und das IOC?
Lange sah es so aus, als würde Bach noch eine weitere Amstzeit anstreben und dafür die Olympische Charta ändern lassen. Erst in Paris erklärte er seinen Abschied. Er freue sich auf "ein bisschen mehr Selbstbestimmung, aber zuallererst über reichlich Schlaf, mehr Zeit für den Sport und dann vielleicht auch die eine oder andere Kartenrunde wieder aufleben lassen". Einen Einstieg in die Politik oder ein Engagement für eine deutsche Olympia-Bewerbung schließt Bach aus.
Bach übergibt das IOC in Zeiten geopolitischer Spannungen. Herausforderungen wie der Umgang mit Russland und Trump als nächstem Olympia-Gastgeber warten auf den nächsten Mann oder die Frau an der Spitze des IOC.
Was für die Wahl ausschlaggebend sein könnte? Laut Sejer Andersen "sehnen sich die IOC-Mitglieder nach zwölf Jahren strenger Kontrolle von oben wohl nach einer kleinen Atempause, nach einer kleinen Beteiligung an wichtigen Entscheidungen".