v.li. Marko Grgic, Julian Köster und Trainer Alfred Gislason

Deutschland vor WM-Start Gislason setzt auf mentale Stärke, Wolff warnt

Stand: 14.01.2025 18:45 Uhr

Die mitunter zähen Testspiele gegen Brasilien sind abgehakt. Deutschlands Handballer fiebern dem WM-Auftakt am Mittwochabend gegen Polen (20.30 Uhr, live im Ersten und im Stream sowie im Liveticker bei sportschau.de) entgegen - mit viel Euphorie, aber auch mit ein paar Warnhinweisen und einem personellen Ausfall.

Es ist überraschend warm draußen vor der Jyske Bank Boxen in Herning, dieser riesigen Handballarena mitten auf dem platten Land, die neben dem Fußballstadion des FC Midtjylland liegt. Kein Schnee, kein Eis wie gerade vielerorts in Deutschland, stattdessen fast zweistellige Plusgrade in Dänemark. Die erhöhte Temperatur hat Benjamin Chatton auch mannschaftsintern diagnostiziert: "Alle sind heiß darauf, dass es jetzt endlich losgeht", sagt der Nationalmannschafts-Manager. "Die Jungs wirken extrem fokussiert, alle sind jetzt auf Betriebstemperatur."

Erst keine Abwehr, dann kein Abschluss

Das ist auch gut so, denn in den beiden Abschluss-Tests gegen Brasilien war das phasenweise überhaupt nicht der Fall. "Im ersten Spiel hatten wir gar keine vernünftige Abwehr", sagt Bundestrainer Alfred Gislason zur Sportschau. "Und im zweiten Test haben wir uns 20 Mal sehr gute Chancen herausgespielt und die dann alle vergeben."

Die Konzentration, die in diesen Partien laut Gislason gefehlt habe, soll nun gegen Polen die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Turnier sein. Der Coach warnt aber davor, den personell angeschlagenen Gegner nur als Durchgangsstation zum Gruppensieg zu betrachten: "Sie haben Weltklassespieler auf Außen und am Kreis, sie sind alle extrem beweglich. Da dürfen wir nicht wieder so statisch agieren, wie das teilweise gegen Brasilien der Fall war. Da waren wir auch nicht flexibel genug. Als uns der Gegner den Rückraum zum Werfen angeboten hat, haben wir uns zu wenig getraut." All das wurde per Videostudium aufgearbeitet, die Lehren daraus sollen nun die Polen zu spüren bekommen.

Franz Semper fehlt gegen die Polen

Nicht mitwirken kann dabei Rückraumspieler Franz Semper, der laut Gislason "leichte muskuläre Probleme" verspüre. Allerdings musste der Bundestrainer aus seinem 17-Mann-Kader ohnehin einen Spieler streichen, da nur 16 auf dem Spielberichtsbogen erscheinen dürfen. "Da haben wir dann für das Spiel gegen Polen Franz genommen, weil er angeschlagen war."

Topfit geht der frischgebackene Papa Andreas Wolff in das Duell. Viele seiner Gegenspieler kennt er noch aus dem jahrelangen Ligaalltag: Zwischen 2009 und 2014 hielt er für den polnischen Vorzeigeklub KS Kielce die Bälle, er gibt zu: "Natürlich ist das deshalb für mich ein ganz besonderes Spiel. Wir haben uns sehr gut auf den Gegner vorbereitet, ich halte sie für spielerisch sehr stark, sie haben viel Champions-League-Erfahrung."

Wolff - "Wir können auch ganz schnell abstürzen"

Wolff spricht dann auch eine ziemlich deutliche Warnung an seine Mitspieler im DHB-Team aus: "Ich bin sicher, dass wir ein ganz anderes Gesicht zeigen als in den Testspielen, im Training sehe ich, dass es bei uns eher wieder in Richtung Olympia-Form geht. Wir haben Top-Potenzial in der Truppe, aber wir tun uns extrem schwer, wenn wir nicht an unser Maximum gehen. Dann können wir auch ganz schnell abstürzen."

Bei beiden Testspielen waren diese Phasen erkennbar, doch letztlich hat Deutschland das erste mit 32:25 und das zweite mit 28:26 gewonnen. Genau daran hat Gislason sein Team bei der letzten Trainingssession in Herning auch noch einmal erinnert: "Was diese Truppe enorm auszeichnet, ist, wie sie mit Druck umgehen kann. Bei vier Toren Rückstand gegen Brasilien haben sie den Stress abgelegt und trotzdem immer weiter gemacht."

Handball-Bundestrainer Alfred Gislason

Nachdenklich, aber überzeugt von der Mentalität seines Teams: Bundestrainer Alfred Gislason

Gislason hebt die Mentalität heraus

Das war auch bei den Olympischen Spielen gegen Frankreich so, als Deutschland im Viertelfinale praktisch schon ausgeschieden war und das Ding doch noch drehte. Gislason: "Alle sprechen immer über diese letzten zwölf Sekunden. Aber was mich noch mehr beeindruckt hat: Wir lagen zwischenzeitlich mit fünf Toren hinten und niemand bei uns hat gedacht, dass es jetzt vorbei ist, alle haben weiter an sich geglaubt."

Genau diese Mentalität soll das Team nun auch durch die WM 2025 in Dänemark, Norwegen und Kroatien tragen - auch wenn Wolff und Gislason ganz gut auf ähnlich hohe Rückstande verzichten könnten.