DHB-Präsident Andreas Michelmann

Europa-Dominanz als Problem DHB-Präsident offen für Handball bei Winter-Olympia

Stand: 26.01.2025 21:42 Uhr

Erneut dominiert Europa bei der WM, der Handball bangt deshalb um seine Zukunft bei Olympia. Ein Wechsel zu den Winterspielen könnte eine Chance sein.

Beim Internationalen Handball-Verband IHF dürften sie begeistert sein über den Auftritt Brasiliens bei der WM 2025. Die Südamerikaner haben es doch tatsächlich geschafft, in der Hauptrunde europäische Handball-Giganten wie Schweden, Spanien und WM-Co-Gastgeber Norwegen hinter sich zu lassen. Gegen alle drei Teams haben sie gewonnen - solche Coups sind bei den oft vorhersagbaren Weltmeisterschaften selten.

Einzig Ägypten hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geschafft, in der europäisch dominierten Weltspitze mitzumischen, steht auch 2025 im Viertelfinale. Brasiliens bisher beste Platzierung war der 9. Platz aus dem Jahr 2019 - der Einzug in die Runde der letzten Acht bedeutet als also schon automatisch das beste Ergebnis der Verbandsgeschichte.

Spanien gegen Brasilien - die Zusammenfassung

Sportschau Handball-WM 2025, 26.01.2025 18:08 Uhr

Taktische Wildcard für die USA

Bei der Auswahl der Olympia-Sportarten achtet das Internationale Olympische Komitee (IOC) sehr darauf, dass ein breites internationales Interesse besteht. Und das ist beim Handball überschaubar, erst recht in Kernmärkten wie China und den USA.

Die IHF hat vergeblich versucht, in China Fuß zu fassen, und richtet aktuell den Blick nach Amerika. Weil Los Angeles 2028 die Sommerspiele ausrichtet, gab sie den USA eine Wildcard für die Weltmeisterschaften 2025 und 2027. Bei der aktuellen Ausgabe konnten die Amerikaner gegen Portugal, Norwegen und Brasilien erwartungsgemäß noch nicht mithalten, besiegten aber immerhin Japan, Kuba und Bahrain - drei Siege haben US-Handballer bei einer WM zuvor nie geholt. Auch hier: ein kleiner Fortschritt.

Michelmann will Trainer ausbilden lassen

Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes, sieht auch in anderen Nationen positive Entwicklungen. "Es gibt ein Phänomen, dass im Moment klassische Fußballländer dabei sind, auch gute Handballländer zu werden. Also Brasilien, Portugal, jetzt auch Italien, ansatzweise auch Chile, Argentinien", sagte Michelmann in Herning. "Es könnte ein Ansatz sein zu sagen, wir gießen diese zarten Pflänzchen."

Bleibt beim Rückzug von Saudi-Arabien ganz gelassen: DHB-Präsident Andreas Michelmann

DHB-Präsident Andreas Michelmann

Michelmann setzt auf Entwicklungshilfe durch erfolgreiche Handballnationen und schlägt vor, dass "wir in Deutschland eine internationale akademische Trainerausbildung bekommen - einerseits für uns selbst und andererseits, um anderen Ländern zu helfen."

Handball künftig bei den Winterspielen?

Um Infrastruktur und Knowhow in den Handball-Entwicklungsländern zu stärken, fordert Michelmann den Weltverband auf, "seine Schatulle etwas mehr zu öffnen - die ist ja auch groß genug". Die IHF verdient gut mit den alle zwei Jahre stattfindenden Weltmeisterschaften, vor allem durch TV-Rechte und Werbeeinnahmen.

Um die eigene olympische Zukunft zu sichern, gibt es für den Handball noch eine weitere Option: Den Wechsel in den Winter. Während im Sommer die Konkurrenz durch andere Sportarten mit möglicherweise jüngerem Publikum groß ist, drohen dem IOC im Winter die Disziplinen angesichts des Klimawandels wegzuschmelzen.

Coe will Reform vorantreiben

Der Gedanke, Hallensportarten wie Handball, Basketball oder Volleyball in den Winter zu verlegen, könnte mit der IOC-Präsidentschaftswahl im März Fahrt aufnehmen. Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletikverbandes und aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Thomas Bach, ist beispielsweise ein Befürworter. "Ich habe vorgeschlagen, das Gewicht zwischen den Winter- und Sommerspielen zu überprüfen", sagte Coe der BBC.

Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes

Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes

DHB-Präsident Michelmann findet die Idee "erst einmal nicht schlecht, um die Winterspiele etwas aufzuwerten". Zudem sei es ein großes Problem für den Handball, in Jahren mit Sommerspielen drei Großereignisse innerhalb von 13 Monaten auszurichten - also EM im Januar, Olympia im Sommer, WM im folgenden Januar. Die Handballprofis ächzen schon lange angesichts des extrem voll besetzten Spielkalenders. Nach den Olympischen Spielen in Paris häuften sich Verletzungen bei Olympia-Teilnehmern.

Neue Chancen für den Beach-Handball

Ein weiterer Vorteil für den Handball: Die Beach-Variante könnte auf einen Platz bei den Sommerspielen hoffen. Im Sand sind die nicht-europäischen Teams deutlich konkurrenzfähiger als in der Halle - Brasilien ist bei den Frauen und den Männern ganz oben in der WM-Medaillenstatistik.

Allerdings gibt es ein Hindernis: Im Jahr der Winterspiele müsste der Europäische Handballverband EHF auf seine lukrative Januar-EM verzichten, die wichtige Einnahmequelle würde nur noch alle vier Jahre sprudeln. Geräuschlos würde eine solche Reform also sicher nicht über die Bühne gehen.