Bundestrainer Markus Gaugisch in einer Auszeit

Handball-EM der Frauen DHB-Team - Fehlende Konstanz, Druck und der nächste Schritt

Stand: 26.11.2024 19:39 Uhr

Am 29. November starten die deutschen Handballerinnen in die Europameisterschaft in Österreich, Ungarn und der Schweiz. Bei vergangenen Turnieren scheiterte das DHB-Team regelmäßig am Einzug ins Halbfinale. Es wird Zeit, meinen die Nationalspielerinnen Antje Döll und Viola Leuchter.

Den nächsten Schritt gehen - das ist seit Jahren die Zielsetzung der deutschen Handballerinnen bei großen Turnieren. Gemeint ist: in die Weltspitze vordringen, ein Halbfinale erreichen. Kann es dieses Jahr mit zurückhaltender Zielsetzung und einer neuen Mischung im Team gelingen?

„Ziel ist es, uns zu verbessern, damit wir auch mal eine der Top-4-Mannschaften schlagen“, sagt Bundestrainer Markus Gaugisch zum Start der EM-Vorbereitung beim Medientermin am Dienstag. Er meint die Top-Teams aus Norwegen, Dänemark, Frankreich und Schweden. „Aber dass das gelingt, ist nicht garantiert, auch wenn wir Topleistungen bringen.“ Der Bundestrainer übt sich kurz vor dem EM-Start in Zurückhaltung. Immer wieder kratzte die DHB-Auswahl in den vergangenen Jahren am Halbfinale, immer wieder scheiterte sie an ihrer Konstanz in den entscheidenden Partien.

Bisher ohne Medaille

Viele dieser Enttäuschungen erlebte Antje Döll mit: Seit 2017 spielt sie für das DHB-Team. Mit 36 Jahren ist sie die Älteste im Team. „Wir haben es satt, dass wir immer so ein Scheiß-Spiel dabei haben, in dem wir nichts auf die Platte bringen“, sagt die Außenspielerin im Interview mit der Sportschau.

Mit ihrem Verein hat Döll die deutsche Meisterschaft, den DHB-Pokal, den Supercup und die EHF European League gewonnen. Mit der Nationalmannschaft ging sie bisher immer leer aus. Wie lange Döll noch für das DHB-Team auflaufen möchte, weiß sie nicht. Die Heim-WM 2025 hat sie aber noch fest im Blick. Eine Medaille mit der Nationalmannschaft würde ihre Handball-Karriere krönen. „Ich wünsche mir das von ganzem Herzen, weil ich ja schon einige Turniere mitgespielt habe, wo wir knapp daran gescheitert sind. Es ist nervig, wenn sich das immer wiederholt.“

Antje Döll

Schmerzhafte Erinnerungen an vergangenen Jahre

Bei der Handball-WM 2019 in Japan fehlte ein Tor gegen Serbien zum Einzug ins Halbfinale. Im Jahr darauf verhinderte eine Schwächephase im Spiel gegen die Kroatinnen den Sprung unter die letzten Vier. 2021 verlor man nach Führung gegen Gastgeber Spanien das Viertelfinale. Ebenfalls im Viertelfinale scheiterte die DHB-Auswahl bei der WM im vergangenen Jahr nach einer katastrophalen Leistung gegen Schweden. Mehr als einmal schlug sich das DHB-Team vor allem selbst.

Rückschläge, mit denen Döll gelernt hat umzugehen. „Ich bin gelassener geworden. Ich sehe die Entwicklung, auch wenn Außenstehende das nicht tun. Aber ich sehe sie und bin deswegen voller Hoffnung“, sagt sie. Hoffnung, dass die Mannschaft dieses Jahr die Konstanz hat, um in die Top Vier vorzustoßen.

Jung lernt von jung geblieben

„Wir wollen mit den Spielerinnen, die in den letzten Turnieren die Hauptlast getragen haben, weitergehen, um die Stabilität zu haben“, erklärt Gaugisch die Rolle von Spielerinnen wie Döll. „Und das ergänzen mit jüngeren Spielerinnen, die langfristig die Nationalmannschaft tragen sollen.“ Vier Spielerinnen werden in Österreich ihr erstes großes Turnier spielen. Für viele weitere ist es erst das zweite oder dritte. Jung und alt – auf diese Mischung kommt es bei dieser EM an.

„Ich bin trotzdem auch noch sehr jung geblieben, wenn man das so sagen darf“, sagt Döll mit einem Lachen. „Aber natürlich, ich versuche, den Jungen etwas mitzugeben und vorneweg zu gehen als erfahrene Spielerin.“ Eine, die von Döll nicht nur bei der Nationalmannschaft, sondern seit dieser Saison auch im Verein bei der HB Ludwigsburg lernt, ist Viola Leuchter. „Man guckt sich in vielen Bereichen etwas ab. Handballerisch natürlich, aber auch Abläufe und Einstellung: wie man sich auf ein Spiel vorbereitet, wie man sich fokussiert.“

Viola Leuchter

Die 20-Jährige hat ein turbulentes Jahr hinter sich: 2023 ihr erstes Turnier mit der Nationalmannschaft, bei dem sie als „beste junge Spielerin“ ausgezeichnet wurde. Im letzten WM-Spiel verletzte sie sich und musste monatelang pausieren – eine Erfahrung, an der sie gewachsen ist, wie sie selbst sagt. Im Sommer folgte die Teilnahme an den Olympischen Spielen und der Wechsel von Leverkusen nach Ludwigsburg.

Druck ist spürbar

Obwohl Leuchter erst letztes Jahr ihr Nationalmannschaftsdebüt gegeben hat, spürt auch sie einen gewissen Druck, dass es jetzt endlich mal klappen soll mit dem nächsten Schritt. „Sicherlich steht dahinter, dass man es eben jetzt auch mal zeigen will und muss. Aber der Wille ist größer als der Druck“, sagt sie.

Vielleicht gerade deshalb sieht sie die „bunte Mischung“ aus jungen und erfahrenen Spielerinnen als Vorteil: „Junge Spielerinnen, die etwas unbekümmerter sind, bringen eine gewisse Lockerheit rein, und die älteren Spielerinnen bringen Erfahrung mit und geben den ein oder anderen Tipp mit an die Hand“, meint Leuchter.

Die Handball-Nationalmannschaft der Frauen

Konstanz bleibt das Thema

Auch Bundestrainer Gaugisch nimmt den positiven Effekt seiner diesjährigen Mischung im Team wahr: „Die noch unerfahreneren Spielerinnen bringen frischen Wind“, sagt er. „Jede kämpft um ihren Platz und um Spielzeit. Nur über diesen Konkurrenzkampf geht die Qualität nach oben.“

Dennoch: Das Problem mit der Konstanz ist damit noch nicht gelöst. „Die Ausschläge nach oben und nach unten sind sehr groß“, so der Bundestrainer. „Wir müssen Strukturen festigen.“ Wenn das gelingt, könnten die DHB-Frauen den lang ersehnten nächsten Schritt gehen.