Ungarn gegen DFB-Elf unter Druck Von Revanchegelüsten und Risikobereitschaft
Auf den EM-Fehlstart folgt das Duell mit Gastgeber Deutschland: Ungarn steht schon im zweiten Gruppenspiel unter Druck. Die Analyse der Niederlage gegen die Schweiz tat weh - und war eindeutig.
Der Stachel sitzt immer noch tief. Sehr tief. Diese erste Halbzeit im Spiel gegen die Schweiz, dieser defensiv-destruktive und offensiv oft uninspirierte Auftritt - nein, das war ganz sicher nicht der Fußball, den Ungarn bei der Europameisterschaft 2024 zeigen will.
Vor Spiel gegen DFB-Team: Ungarns Trainer Rossi wird deutlich
"Zum ersten Mal geschämt", habe er sich für seine Mannschaft, sagte Trainer Marco Rossi am Dienstagabend (18.06.2024). Das ist eine durchaus knackige Ansage, immerhin hat der 59 Jahre alte Italiener das Amt des ungarischen Nationalcoaches schon verhältnismäßig lange inne: Wenn am Mittwoch (19.06.2024, Anstoß 18.00 Uhr, Livestream, Radioreportage und Liveticker) in Stuttgart das zweite Gruppenspiel gegen EM-Gastgeber Deutschland angepfiffen wird, ist Rossi auf den Tag genau seit sechs Jahren dabei.
Abhängig von Spielmacher Szoboszlai
Wie schon vor drei Jahren hat er auch diesmal die Aufgabe, einen verkorksten Turnierstart seines Teams zu analysieren und möglichst schnell einen Turnaround zu schaffen. Gegen die Schweiz lagen die Ungarn am vergangenen Wochenende nach 45 Minuten mit 0:2 und nach 90 Minuten mit 1:3 hinten, weil sie in der gesamten Partie gerade einmal sechs Torschüsse abgaben.
Zudem schwächelte Spielmacher Dominik Szoboszlai vom FC Liverpool, was das ungarische Spiel hinten wie vorne zusätzlich aus dem Gleichgewicht brachte.
Ungarns Plan gegen Deutschland: Weniger Abstände, mehr Kommunikation
"Ob im Angriff oder in der Defensive: Im Fußball arbeitet man als Team", ließ Verteidiger Adam Lang durchblicken, dass er im Schweiz-Spiel mit Verteilung und auch Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Platz nicht zufrieden war: "Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen waren zu groß. Die Verantwortung liegt bei allen Spielern."
Auch Trainer Rossi machte vor dem Duell mit der DFB-Auswahl von Bundestrainer Julian Nagelsmann deutlich, dass seine Mannschaft die Abstände zwischen den einzelnen Spielern kürzer halten muss. "In der ersten Hälfte waren die Fehler - taktisch und individuell - recht offensichtlich. Und auf dem Platz muss natürlich Kommunikation herrschen, damit die Hauptprinzipien des Plans umgesetzt werden können", sagte er.
Dieser Plan, da darf es aus ungarischer Sicht keine zweite Meinung geben, ist eindeutig: Mindestens ein Unentschieden sollte es gegen Deutschland werden, eine zweite Niederlage würde die Aussichten aufs Achtelfinale deutlich schmälern. Die Ungarn stehen unter Druck, das ist Fakt.
Leistungen von Orban und Varga machen Ungarn Mut
Fakt ist aber auch: Im Duell mit der Schweiz war dann doch nicht alles so schlecht, wie es Spielverlauf, Ergebnis und Interpretation vermuten lassen.
Leipzigs Willi Orban zum Beispiel, der in der Dreier-Abwehrkette der Ungarn den Chef gab, gewann gute 69 Prozent seiner Zweikämpfe, entschied fünf von sechs Kopfballduellen für sich und verzeichnete zudem eine halbwegs geringe Fehlpass-Quote.
Torschütze Barnabás Varga, der erstmals bei einer EM im Aufgebot steht, führte gegen die Schweiz die meisten Zweikämpfe (24) und gewann immerhin 69 Prozent davon. Auf den ersten Blick sind das Statistiken, auf den zweiten sollen sie den Ungarn Mut für das zweite EM-Spiel machen.
Die "Revanchegelüste" der Ungarn
"Ich glaube an die Revanchegelüste meiner Mannschaft", sagt Trainer Rossi. Er ist sicher, dass in der Niederlage gegen die Schweiz etwas Gutes stecken kann. Und Mittelfeldspieler András Schäfer vom 1. FC Union Berlin meint: "Je knapper wir das Spiel halten, desto größer ist unsere Chance zu gewinnen. Wenn es das Ergebnis erlaubt, dann können wir auch ein höheres Risiko gehen." Seinem Trainer ist aber wahrscheinlich einfach nur wichtig, dass er sich nach dem Abpfiff nicht wieder schämen muss.