Dänemarks Partybus Unterwegs mit den Anti-Hooligans
Als "Roligans" bezeichnet sich eine dänische Fanbewegung, die als Antwort auf die Hooligans entstanden ist. Gemütlich und freundschaftlich soll Fußball erlebt werden. Unter diesem Motto hat sich eine Freundesgruppe auf einen Roadtrip durch den EM-Sommer begeben und ist zur Attraktion geworden.
Ein Banker, ein Forensiker, ein Entrepreneur, ein Busfahrer und ein Berater kaufen sich einen Bus. Was anfängt wie ein Schenkelklopfer, der einem allenfalls ein müdes Lächeln entlockt, ist tatsächlich der Anfang einer der größten Attraktionen des dänischen EM-Sommers.
Es war Ende des vergangenen Jahres, als eine Freundesgruppe in bierseliger Laune beisammensaß und Jan Leth vorschlug, einen alten Bus zu kaufen, um damit die dänische Nationalmannschaft bei der EM durch Deutschland zu begleiten. "Die anderen waren so dumm, ja zu sagen", sagt Leth, der ein so herzhaftes Lachen hat, dass man sich kaum vorstellen kann, dass er hauptberuflich Leichen untersucht.
Roligans - Dänemarks Antwort auf prügelnde Hooligans
"Es war eine dieser Ideen, die sich am Abend fantastisch anhören, bis man am nächsten Morgen aufwacht und froh ist, dass daraus eh nie was werden wird", erinnert sich der Banker Lars Graugaard und fügt an: "Aber Jan ist ein Macher. Zwei Tage später hatte er diesen Bus aufgetrieben und plötzlich hieß es: Seid ihr jetzt dabei oder nicht?" Alle waren dabei, zahlten 20.000 Euro für einen renovierungsbedürftigen Bus, der nach einem Leben als Kopenhagener Stadtbus, Kindergartenbus und Wohnmobil nun seine vierte Bestimmung finden sollte. So rollt der "Roliganbussen" - der Bus der Roligans - durch Deutschland.
Alle fünf Freunde würden sich selbst als "Roligans" bezeichnen, die dänische Antwort auf die Hooligans. In den 80er Jahren entwickelte sich im Umfeld der dänischen Nationalmannschaft die Bewegung. "Rolig" bedeutet im Dänischen ruhig. Sie wollen durch friedliches Anfeuern auffallen, vor und während der Spiele, treten gegnerischen Fans freundlich und einladend gegenüber.
"Lieber um Vergebung bitten, als um Erlaubnis fragen"
Und mit genau dieser Mission malten die fünf Freunde aus Aarhus und Odense den alten Bus in roten und weißen Farben an, machten ihn fahrtüchtig und statteten ihn mit fünf Betten und einer Zapfanlage aus. "Jan hat auf den Zapfhahn bestanden. Er hatte - wie auch sonst mit allem - Recht", erzählt Erik Bro, während sich der elf Meter lange Bus durch den Münchner Verkehr in Richtung Innenstadt quält.
Im "Roliganbussen"
Beim großen Augustiner Biergarten nahe dem Hauptbahnhof haben sich die dänischen Fans verabredet, um einen Tag vor dem letzten Gruppenspiel gegen Serbien gemeinsam zu feiern. Und genau dort fährt auch der Roliganbussen hin. Ob es dort Parkplätze gibt, wissen die Insassen nicht, die auf dem Campingplatz noch ein paar andere Fans aufgegabelt haben, die sie nun begleiten. "Wir werden schon irgendwo parken können. Sonst stellen wir uns einfach irgendwo hin. Es ist einfacher, um Vergebung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen", sagt Bro.
Roligan-Bus führt Fanmarsch an: "Es war magisch"
Mit dieser Einstellung kam der Roligan-Bus in Stuttgart vor dem 1:1 gegen Slowenien zum Auftakt auf die Fanzone. Ohne Genehmigung, "nur mit ein paar freundlichen Worten und einem Lächeln", erzählt Leth. Dort hisste der rot-weiße Bus die dänische Flagge, baute seine Dachterrasse inklusive Kunstrasen und Hits aus einer dicken Musikbox auf und wurde zum Mittelpunkt der Party. Slowenische und dänische Fans gingen ein und aus, machten Fotos und bekamen selbstgezapftes Bier, von dem eine dänische Brauerei 325 Liter gesponsert hatte.
Kurz vor der Partie gegen England in Frankfurt kam der Anruf des dänischen Fußballverbandes, der von dem Bus Wind bekommen hatte. Der Roliganbussen sollte den offiziellen Fanmarsch zum Stadion anführen. "13.000 Menschen, die hinter uns hergelaufen sind. Es war einfach magisch. Unfassbar", erzählt Bro und zeigt kopfschüttelnd Videos und Fotos von einem rot-weißen Menschen-Meer, das fröhlich "Sweet Caroline" und "We are red, we are white, we are danish dynamite" singt. Alles gefilmt vom Dach ihres Busses.
"Welcome to Bavaria"
Als der Bus vor dem Biergarten in der Münchner Innenstadt ankommt, ist wie durch ein Wunder ein riesiger Parkplatz nah am Eingang frei. Ziemliches Glück, doch die Besatzung ist nicht ganz zufrieden, schließlich liegen zwischen ihnen und der Party einige Meter und ein Zaun. Für einen elf Meter langen Bus eigentlich ein unüberwindbares Hindernis. Doch plötzlich kommt Lasse Rungholm, der Besitzer einer dänischen Wasserflugzeug-Airline, gemeinsam mit Leth aus dem Biergarten heraus: "Kommt, wir dürfen rein". Kim Barlose zeigt seine gesamte Berufserfahrung, manövriert den Bus durch die viel zu enge und steile Einfahrt, ganz nah hin an die Tische des Biergartens. Dort wird die Crew mit Maßkrügen und einem "Welcome to Bavaria" vom Wirt begrüßt.
"Alles ruhig, alles Spaß" – mit Gelassenheit ans Ziel
Ein paar geübte Handgriffe später ist die Dachterrasse aufgebaut. Nur der Fahnenmast hat keinen Platz unter den dichten Kastanienbäumen, die dafür Schatten für die Stehtische auf dem Bus spenden. Dort stehen Leth und Bro und stoßen mit Maßkrügen an, während sich unten dänische, deutsche und ein paar schottische Fans versammeln, um Fotos zu machen. "Dürfen wir mal rein?", hört man immer wieder. "Klar, selbstverständlich". Eine schlechte Erfahrung hätten sie auf ihrer ganzen Reise nicht gehabt, erzählen sie. "Alles ruhig, alles Spaß", sagt Bro abgeklärt und muss dann doch grinsen, als er auf den Biergarten blickt. "Das hättet ihr nicht gedacht, dass wir hier stehen würden, oder? Aber warum sich Sorgen machen? Was man ändern kann, ändert man – und was man nicht ändern kann, darüber muss man sich auch keine Sorgen machen."
In diese Kategorie fällt wohl auch das Schicksal der dänischen Nationalmannschaft. Ein Sieg gegen Serbien würde das sichere Weiterkommen bedeuten, jedes andere Resultat wohl das EM-Aus. "Am Ende ist es eh nur Fußball. Wichtiger ist der Spaß", sagt Rungholm. Egal wie das Spiel ausgeht, für das Quintett ist die Reise anschließend beendet. "Wir haben ja schließlich auch Jobs", sagt Bro. Am Mittwoch geht es 1.100 Kilometer zurück nach Dänemark. Dort werden ja schließlich ein Busfahrer, ein Berater, ein Banker, ein Forensiker und ein Entrepreneur gebraucht.