Ermittlungen gegen Demiral wegen Wolfsgruß Erdogan reist zum EM-Viertelfinale der Türkei nach Berlin
Die Diskussion um den Wolfsgruß des türkischen Nationalspielers Merih Demiral zieht immer weitere politische Kreise.
Am Donnerstag wurde bekannt, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kurzfristig nach Berlin reist, um sich das Viertelfinalspiel Türkei gegen die Niederlande am Samstag (6. Juli, 21 Uhr) im Stadion anzuschauen. Erdogan sagte dafür seine geplante Reise nach Aserbaidschan ab, wie die Deutsche Presse-Agentur aus informierten Kreisen erfuhr. In türkischen Medien hieß es, Grund sei die Debatte um den Wolfsgruß. Erdogan wolle der türkischen Mannschaft den Rücken stärken.
Zudem meldete das Auswärtige Amt, den türkischen Botschafter einbestellt zu haben. "Wir haben den Vorfall heute mit dem türkischen Botschafter in Berlin thematisiert", sagte eine Sprecherin am Donnerstag. "Die Einbestellung des türkischen Botschafters hat heute Vormittag stattgefunden." Bereits am Mittwoch hatte Ankara den deutschen Botschafter einbestellt.
UEFA leitet Ermittlungen ein
Demiral hatte beim Spiel in Leipzig gegen Österreich am Dienstag (02.07.2024) den Wolfsgruß gezeigt, das Symbol der türkischen rechtsextremen Organisation "Graue Wölfe". Die "Grauen Wölfe" sind eine ultranationalistische, rassistische und gewalttätige Organisation. Sie gilt als die größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland.
Die UEFA-Disziplinarkammer hatte daraufhin am Mittwoch (03.07.2024) Ermittlungen gegen den türkischen Nationalspieler eingeleitet.
Demiral postete ein Foto von sich beim Zeigen des Grußes
Weder die Organisation noch der Gruß sind in Deutschland verboten. Eine Straftat Demirals liegt also nicht vor. In Österreich ist der Gruß allerdings zum Beispiel verboten. Die UEFA sanktioniert immer wieder politische Symboliken, die von der Disziplinarkammer häufig als "für ein Sportereignis unangemessen" gewertet werden. Demiral postete später bei "X" ein Foto von sich beim Zeigen des Grußes.
"Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun", sagte der von der UEFA als "Spieler des Spiels" ausgezeichnete Demiral bei der Pressekonferenz. "Deswegen habe ich diese Geste gemacht. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht haben." Es stecke "keine versteckte Botschaft" dahinter. "Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste. Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin." Es werde "hoffentlich noch mehr Gelegenheiten geben, diese Geste zu zeigen". Die Türkei spielt im Viertelfinale am Samstag um 21 Uhr in Berlin gegen die Niederlande.
Als "Graue Wölfe" werden Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung bezeichnet. In Deutschland wird diese vom Verfassungsschutz beobachtet. Verboten ist die Organisation jedoch nicht, ebensowenig ihre Symbole. Die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot sind hoch: Die Zwecke oder Tätigkeiten des Vereins müssten Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die "Grauen Wölfe" gelten als größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet ihr rund 12.000 Anhänger zu. In der Türkei ist die ultranationalistische Partei MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Kritik von Innenministerin Faeser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte Demiral. "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel", teilte die SPD-Politikerin mit.
"Unsere Sicherheitsbehörden haben türkische Rechtsextremisten in Deutschland fest im Blick. Die 'Grauen Wölfe' stehen unter der Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Türkei bestellt deutschen Botschafter ein
Rückendeckung bekam Demiral aus der türkischen Politik. Der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, bezeichnete die Einleitung eines Verfahrens der UEFA gegen den Spieler als "Provokation". Der Schritt sei "äußerst voreingenommen und falsch".
Auch das türkische Außenministerium antwortete mit deutlichen Worten auf die von Faeser geübte Kritik. In einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums ist die Rede von einer politisch motivierten Reaktion, die nicht hingenommen werden könne.
Wolfsgruß bei Feiern von Fans zu sehen
Schon in der Gruppenphase war der Gruß der "Grauen Wölfe" sichtbar. Tausende türkischer Fans feierten nach den Siegen in zahlreichen Städten Deutschlands. "Der Wolfsgruß war bei Feiern in jeder größeren deutschen Stadt zu sehen. Aber er ist ein anti-demokratisches Symbol", sagte der Autor Burak Yilmaz nach dem Spiel der Türkei gegen Georgien im Gespräch mit der Sportschau. Dass ein Nationalspieler den Wolfsgruß gezeigt hat, ist seiner Ansicht nach eine "Vollkatastrophe". Die rechtsextreme Bewegung habe es dadurch leichter, neue Anhänger zu rekrutieren.
Ein Mann zeigt den Wolfsgruß bei einem Autokorso nach dem Sieg der Türkei gegen Georgien.
Yilmaz recherchiert seit Jahren zu den "Grauen Wölfen" und fordert einen anderen Umgang mit der Bewegung. In Frankreich etwa wurde die Organisation 2020 verboten. Einen solchen Schritt würde er auch in Deutschland befürworten.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen forderte ein strengeres Vorgehen der UEFA. "Die UEFA sollte sich klar gegen das Zeigen rechtsextremer Symbole positionieren", sagte der Nahostreferent der Menschenrechtsorganisation, Kamal Sido, in einer Mitteilung.
Im Lauf der Gruppenphase kam es mehrfach zu Zwischenfällen aus dem Bereich Rechtsextremismus oder Nationalismus. Meist geht es um Fans. Mit Mirlind Daku wurde aber auch ein Spieler auffällig und bestraft. Nachdem der albanische Nationalspieler sich über ein Megafon abfällig über Mazedonien geäußert hatte, wurde Daku für zwei Spiele gesperrt.