Zahlreiche Vorfälle Die EM 2024 - auch eine Bühne für Rechtsextremismus
Bei der EM 2024 gibt es zahlreiche rechtsextremistische Vorfälle - Serbiens Verband fordert Konsequenzen nach Rufen von albanischen und kroatischen Fans, ist aber selbst schon von der UEFA bestraft worden. Im Umfeld der türkischen Mannschaft zeigt sich mit den Grauen Wölfen eine rechtsextreme Bewegung.
Jovan Šurbatović, Generalsekretär des serbischen Fußballverbands, forderte von der UEFA eine Bestrafung der Verbände Kroatiens und Albaniens, nachdem deren Fans beim Spiel in Hamburg am Mittwoch (19.06.2024) "Ubi, ubi, ubi Srbina!" ("Tötet, tötet, tötet den Serben!") gerufen hatten (im Video oben zu hören). "Was passiert ist, ist skandalös und wir fordern von der UEFA Sanktionen", sagte Šurbatović im serbischen Sender RTS. Er ließ offen, ob Serbiens Team bei einem anderen Vorgehen das Turnier verlässt. Die UEFA-Disziplinarkammer hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen.
Die Gesänge in Hamburg sind einer von zahlreichen rechtsextremen Vorfällen bei dieser EM. Serbien selbst war schon an einem beteiligt.
UEFA verhängte Strafe gegen Serbien wegen einer Fahne
Die Disziplinarkammer der UEFA wurde bereits in einigen Fällen aktiv. So wurde eine Geldstrafe von 10.000 Euro gegen Serbiens Verband ausgesprochen, nachdem Fans eine Flagge mit einer Landkarte Serbiens gezeigt hatten - inklusive Kosovo, das seit 2008 unabhängig und ein eigenständiges UEFA-Mitglied ist.
Serbische Fußballfans beim Spiel gegen England in Gelsenkirchen mit der Fahne.
Serbische Fans riefen nach Informationen des BR-Politikmagazin Kontrovers am Donnerstag in München vor dem Spiel gegen Slowenien den Namen von Ratko Mladic, einem verurteilten serbischen Kriegsverbrecher. Im Münchner Stadion hing zudem dieselbe Fahne wie beim Spiel gegen England in mehrfacher Ausführung.
Albaniens Verband bereits einmal während der EM bestraft
Die UEFA-Disziplinarkammer hatte zuvor Albaniens Verband ebenfalls mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro belegt, weil auch beim ersten Spiel gegen Italien dieselben Rufe ("Tötet den Serben!") zu hören waren. Weitere Konsequenzen könnten nun folgen. Der Drei-Stufen-Plan, der bei diskriminierenden Rufen zunächst mit einer Spielunterbrechung zum Einsatz kommen soll, wurde nicht genutzt. Warum das nicht geschah, beantwortete die UEFA auf Anfrage zunächst nicht.
Zudem war bei den albanischen Fans die Flagge der UÇK zu sehen - eine paramilitärische Organisation, die in den 90ern für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfte und der zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Kroatische Fans waren in Berlin zu sehen, wie sie vor dem Spiel gegen Spanien einem kroatischen Kriegsverbrecher huldigten.
Albanische Fans bei der EM 2024 mit der Flagge der UÇK.
Publizist: "Nationalmannschaften werden instrumentalisiert"
"Länderspiele sind generell eine Bühne für Nationalismus, die Nationalmannschaften werden dafür häufig instrumentalisiert", sagt der Publizist Ruben Gerczikow im Gespräch mit der Sportschau, der zum Thema Rechtsextremismus im Fußball recherchiert. "Das ist bei Mannschaften aus dem Balkan oft zu sehen. Die Konflikte werden im Fußball zur Schau gestellt."
Das Hauptproblem sei, dass sich Behörden, Verbände und Gesellschaft zu wenig mit den Symbolen und Strukturen beschäftigen, sagt Gerczikow. Seiner Ansicht nach zeige sich "der Rechtsruck in Europa auch in den Stadien der Europameisterschaft wie in einem Brennglas".
Serbische Fans rufen Wladimir Putins Namen
Serbische Fans riefen zudem in Gelsenkirchen den Namen von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. Ein Straftatbestand liegt damit noch nicht vor, sagt die Verfassungsrechtlerin Paula Rhein-Fischer von der Uni Köln. "Dafür müsste eine eindeutige Billigung des Angriffskriegs vorliegen. Dazu reichen die Rufe wohl nicht aus", sagt Rhein-Fischer im Gespräch mit der Sportschau.
Anders würde es sich zum Beispiel beim Zeigen des Z-Symbols bei Rufen mit Bezug zu dem Krieg in der Ukraine verhalten, so Rhein-Fischer. Die Polizei München wies vor dem Spiel Serbiens gegen Slowenien darauf hin, dass das Z-Symbol "strafrechtlich relevant sein kann". Grundsätzlich gehöre die Vorbereitung sowohl auf nationale staatsschutzrelevante Gesten und Symbole als auch auf solche aus den Staaten, aus denen Gäste anreisen, "routinemäßig zu unseren Einsatzvorbereitungen".
Graue Wölfe - türkischer Rechtsextremismus bei der EM präsent
Auch beim Spiel der Türkei kam es zu rechtsextremen Vorfällen. Die Grauen Wölfe gelten als größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland und sind auch bei der EM sichtbar. Türkische Fans feierten in zahlreichen Städten Deutschlands, nachdem das Team am Dienstag in Dortmund mit 3:1 gegen Georgien gewonnen hatte.
Ein Mann zeigt den Wolfsgruß bei einem Autokorso nach dem Sieg der Türkei gegen Georgien.
"Der Wolfsgruß war bei Feiern in jeder größeren deutschen Stadt zu sehen", sagt Burak Yilmaz im Gespräch mit der Sportschau. Der Autor recherchiert seit Jahren zu den Grauen Wölfen. "Die Grauen Wölfe nutzen den Fußball für die Rekrutierung neuer Anhänger. Im Umfeld der Spiele der Nationalmannschaft versuchen sie, ihre Symbole zu normalisieren."
"Friedlicher Verlauf? Nicht beim Zeigen des Wolfsgrußes"
Yilmaz fordert einen anderen Umgang mit den Grauen Wölfen. "Der Wolfsgruß ist ein anti-demokratisches Symbol." Yilmaz sagt, dass er sich über Berichte wundere, in denen von einem "friedlichen Verlauf" der Feiern gesprochen werde, obwohl der Gruß gezeigt wurde.
Im Gegensatz zu Frankreich sind die Grauen Wölfe in Deutschland nicht verboten. "Das ist ein Schritt, den Deutschland auch gehen sollte", sagt Yilmaz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von mehr als 12.000 Anhängern der Gruppierung.
"Free Gigi" - Ungarns Fans mit rechtsextremem Code
Als rechtsextremer Code gilt mittlerweile das Lied "L'Amour toujours" des Musikers Gigi d'Agostino. In Deutschland wurde es zuletzt bei zahlreichen Vorfällen durch verfassungsfeindliche Parolen begleitet, viel beachtet auf Sylt, aber auch an vielen anderen Orten Deutschlands.
Ungarische Fans bei der EM 2024 mit einem "Free Gigi"-Banner
Ungarns Fans zeigten vor und während des Spiels gegen Deutschland in Stuttgart ein Banner mit der Aufschrift "Free Gigi" und sangen das Lied. Wegen des Zusammenhangs mit rechtsextremen Parolen hatte die UEFA dem österreichischen Verband untersagt, das Lied im Rahmen seiner Spiele bei der EM zu spielen.
Hitlergrüße und Parolen in Deutschland nach dem Auftaktspiel
Auch durch deutsche Fans kam es zu rechtsextremen Vorfällen, allerdings außerhalb der Stadien. Polizeiberichten zufolge wurden nach dem 5:1 gegen Schottland in Bremen, Warnemünde und in zwei Orten im Saarland rechtsextreme Parolen gerufen und der Hitlergruß gezeigt.