Thomas Hitzlsperger

Sportschau-Experte macht den Test Treffsicher aus der Distanz - liegt es am Ball?

Stand: 27.06.2024 21:17 Uhr

Bei der EM 2024 fallen so viele Weitschusstore wie bei keinem anderen großen Turnier. Liegt es am Ball? Sportschau-Experte Thomas "The Hammer" Hitzlsperger macht den Test.

Von Marcus Bark, Herzogenaurach

Den Ball satt zu treffen, ihm ein Sekündchen hinterherzusehen in der Hoffnung, im nächsten Moment tatsächlich zu hören, wie das Netz zischt, am besten noch im Winkel des Tores: ein Traum für jeden Fußballer.

Für manche geht er nie in Erfüllung, andere werden sich vielleicht nur an die allerschönsten Tore erinnern. Einige Fußballer bekamen Beinamen oder Spitznamen, weil sie sehr oft satt den Ball trafen und auch das Tor. Karl Allgöwer etwa wurde "Knallgöwer" genannt. Thomas Hitzlsperger erhielt seinen Namen, als er in der englischen Premier League spielte: "The Hammer".

Er ist Sportschau-Experte und Experte für Weitschüsse - und daher ging er für die Sportschau auch der Frage nach, warum bei der Europameisterschaft so viele Tore durch Weitschüsse fallen. Als solche zählen alle, die von außerhalb des Strafraums erzielt werden.

Thomas Hitzlsperger hat während der EM 2024 einen dichten Terminkalender. Daher fand er erst zum Ende der Gruppenphase den Weg ins Basiscamp der deutschen Mannschaft nach Herzogenaurach, um dort auf dem Sportplatz des ASV über Weitschüsse zu sprechen und vor allem auch den Ball zu testen.

18,5 Prozent Weitschusstore - so viele, wie noch nie bei einem Turnier

Vielleicht liegt es ja an ihm, dass vor allem am ersten Gruppenspieltag so signifikant viele Weitschusstore fielen. Elf waren es. Das entsprach bei insgesamt 35 Toren einem Anteil 31,4 Prozent.

An den weiteren beiden Spieltagen sank die Quote signifikant. Es kamen nur noch vier Weitschusstore hinzu, sodass 15 von insgesamt 81 Toren aus der Distanz erzielt wurden. Das entspricht nur noch 18,5 Prozent, aber das ist immer noch der höchste Wert, der je bei einem großen Turnier ermittelt wurde. Der Dienstleister Sportec Solutions, der die Sportschau beliefert, begann damit bei der EM 1996 in England.

Weitschusstore und Weitschüsse (WS) bei Turnieren
Turnier Tore Tore nach WS (in %) Anteil WS an Torschüssen (in %)
EM 2024 15 18,5 41
WM 2022 12 7 38
EM 2021 19 13 38
WM 2018 25 15 43
EM 2016 16 15 47
WM 2014 19 11 46
EM 2012 7 9 49
WM 2010 27 9 54
EM 2008 6 8 49
WM 2006 25 17 52
EM 2004 12 16 47
WM 2002 24 15 50
EM 2000 13 15 47
WM 1998 21 12 48
EM 1996 8 12 52

Hitzlsperger: "Kein Trend, eher Zufall"

Ist es also der Ball? Nein, sagte Hitzlsperger nach dem Test: "Ich kann nicht behaupten, dass der Ball so anders ist." Auch, "dass die Torhüter schlechter geworden sind", schloss der 52-malige Nationalspieler aus. 

Was ist es dann? "Das ist gar kein Trend, das ist eher Zufall. Im modernen Fußball wird ja immer drüber gesprochen, wo ist die bessere Chance, ein Tor zu erzielen, und die ist definitiv nicht außerhalb des Strafraums."

Dafür sprechen auch weitere Daten. So wurden 41 Prozent der Torschüsse außerhalb des Strafraums abgegeben. Das ist zwar mehr als bei den beiden Turnieren vorher, der EM 2021 und der WM in Katar, aber deutlich weniger als etwa bei den vier Turnieren, bei denen der Wert bei 50 Prozent oder mehr lag.

Zufall dürfte es auch sein, dass schon bei der WM 2006 in Deutschland sehr viele Weitschusstore erzielt wurden. Damals waren es 25, das entsprach einem Anteil von 17 Prozent.

Bei drei Turnieren war die Zahl der Weitschusstore einstellig, am wenigsten waren es 2008 bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz mit sechs.

Ein Weitschuss-Eigentor bei der EM 2024

Eines der Weitschusstore bei der EM 2024 stach heraus. Es war das des Türken Samet Akaydin, der den Ball satt mit der Seite traf, ihm dann zwei Sekündchen bange hinterhersah, als er gemerkt hatte, dass sein Torwart das Tor verlassen hatte. Es zischte zwar nicht, aber Akaydins Mannschaftskollege schlug den Ball erst kurz hinter der Linie aus dem Tor. Der Albtraum eines jeden Fußballers.