Deutschland gegen Österreich Rangnick und Nagelsmann - Weggefährten auf Augenhöhe
Unter Ralf Rangnick hat Österreichs Fußball-Auswahl der Männer einen weiteren Schritt nach vorn gemacht. Im Hinblick auf die EURO ist das Selbstvertrauen beim Team groß.
Ein 1:0-Sieg in Baku gegen Aserbaidschan Mitte Oktober reichte der österreichischen Nationalmannschaft, um das Ticket für die Europmeisterschaft 2024 bereits vorzeitig zu lösen. Sechs Siege, ein Unentschieden und eine knappe Niederlage gegen Gruppensieger Belgien ist die Bilanz der Mannschaft von Ralf Rangnick. Mit der erfolgreichen Qualifikation hat sich auch automatisch dessen Vertrag bis zur WM 2026 verlängert.
Die Stimmung ist euphorisch. Das ÖFB-Motto "Alles machbar beim Nachbar 2024" untermauert den Anspruch der Mannschaft, die zu einem großen Teil aus Profis aus der deutschen Bundesliga besteht und am Dienstag (21.11.2023, ab 20.45 Uhr hier in der Audio-Vollreportage) auf das DFB-Team trifft.
Unter Foda die Basis, unter Rangnick die Weiterentwicklung
In der Weltrangliste liegt Österreich derzeit auf Platz 25, Tendenz leicht steigend. Das bislang letzte internationale Turnier der Auswahl wird vier Jahre zurückliegen, wenn 2024 der Ball in Deutschland rollt. Nach einem für die Österreicher enttäuschenden Aus in der WM-Qualifikation für das Turnier 2022 war Franco Foda als Nationalcoach zurückgetreten.
Foda war zuvor bei der vergangenen Europameisterschaft gegen den späteren Turniersieger Italien unglücklich im Achtelfinale ausgeschieden, feierte 2018 aber zum Beispiel auch einen über 30 Jahre lang ersehnten Sieg gegen eine DFB-Auswahl. Zu seinem Abschied sagte er damals: "Es waren viereinhalb tolle Jahre. Mein Nachfolger kann sich auf eine charakterlich einwandfreie Mannschaft freuen, die gut ist und viel Entwicklungspotenzial hat."
Österreichs Marko Arnautović im Duell mit Gegenspieler Joonas Tamm aus Estland im EM-Qualifikationsspiel.
Das Potenzial beim ÖFB scheint Rangnick bisher gut zu nutzen. Mit Belgien und Schweden als direkten Konkurrenten, dazu Aserbaidschan und Estland, war die Qualifikation kein Selbstläufer und gerade die beiden souveränen Siege über Schweden und die starken Leistungen gegen Belgien waren beeindruckend. Das Team wirkte gereift, ließ sich gegen Schweden zum Beispiel nicht aus der Ruhe bringen, als es bis in die Schlussphase noch 0:0 stand, obwohl man klar überlegen agierte. Am Ende gewann die Rangnick-Elf mit 2:0.
"Heimspiele" in Deutschland
Das sportliche Aushängeschild der Mannschaft ist nach wie vor David Alaba. Die Mannschaft hat aber mehr zu bieten als nur den neunfachen österreichischen Fußballer des Jahres von Real Madrid. An seiner Seite spielen eine Vielzahl an hoch dekorierten Bundesligaprofis - wie der Münchner Konrad Laimer, Xaver Schlager und Christoph Baumgartner (beide RB Leipzig) oder Marcel Sabitzer von Borussia Dortmund. Im letzten Gruppenspiel gegen Estland standen lediglich drei von elf Spielern in der Startelf, die aktuell nicht in der Bundesliga spielen.
Dass das Team auch in seiner Breite mittlerweile auf hohem Niveau mithalten kann, sieht auch Alaba so: "Ich glaube, dass wir grundsätzlich eine Mannschaft sind, die sich vor keinem zu verstecken braucht."
Euphorie und Selbstvertrauen
Nach nur einer Niederlage in der Qualifikation hat sich im Hinblick auf die Endrunde in Deutschland offenbar ein durchaus beachtliches Selbstvertrauen breit gemacht. "Alles machbar beim Nachbar" steht zum Beispiel auch auf den roten Shirts, in denen die Mannschaft ihren Qualifikations-Erfolg gefeiert hat. Ein Marketing-Wortspiel, aber vielleicht auch Realität?
So schallte es aus den Kehlen einiger mitgereister Fans der österreichischen Mannschaft nach dem Schlusspfiff gegen Aserbaidschan: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin."
Rangnick bleibt gewohnt sachlich
Ralf Rangnick bleibt lieber realistisch: "Du hast drei Gruppengegner und man kann sich keine Ausrutscher erlauben, sonst kann das ganz schnell wieder vorbei sein. Das gilt aber für jede Nation, das haben die Deutschen auch bei der WM erlebt, wenn du direkt mit einer Niederlage in so eine Gruppe startest, dann bist du sofort unter Druck."
Am 2. Dezember werden eben diese Gruppen ausgelost. Den Sprung in Lostopf 1, der sich aus den fünf besten Gruppensiegern und Gastgeber Deutschland zusammensetzt, hat Österreich um einen Punkt verpasst. Es wartet also mindestens einer der "ganz Großen" in der Gruppe.
Standortbestimmung zwischen alten Weggefährten
Mit Nagelsmann verbinden Rangnick gleich mehrere Karrierestationen. Bei der TSG Hoffenheim war Rangnick Trainer, als der 29 Jahre jüngere Nagelsmann Nachwuchscoach wurde. Jahre später holte Rangnick, damals als Sportdirektor, Nagelsmann zu RB Leipzig.
In den vergangenen Wochen habe es keinen Kontakt gegeben, sagte Rangnick am Montag. "Vielleicht" sei vor oder nach dem Spiel am Dienstag Zeit für einen Austausch. "Wir haben schon in den ersten Spielen gesehen, welchen Fußball Julian spielen will", sagte Rangnick. Er sei überzeugt, dass Deutschland "die Chance und auch das Potenzial" habe, bei der Heim-EM 2024 eine tragende Rolle zu spielen. "Weil sie die Spielerqualität, aber auch einen absoluten Toptrainer haben", sagte der einstige Bundesliga-Coach.
"Es wird insgesamt ein brisantes, ein spannendes Duell. Auf Vereinsebene würde man das als Derby bezeichnen", so Rangnick weiter. Auf jeden Fall ist es für beide Kontrahenten eine (weitere) Standortbestimmung. Und vielleicht zeigt sich ja am Dienstag, dass beim Nachbar wirklich "alles machbar" ist. So oder so.