Rumänische Mannschaft jubelt
analyse

Offensives Duell mit zwei Siegern Slowakei und Rumänien trotzen den Kritikern

Stand: 27.06.2024 12:03 Uhr

Die Slowakei und Rumänien trennen sich mit einem Remis und marschieren Hand in Hand ins EM-Achtelfinale. Das Ergebnis weckt Erinnerungen an die Schande von Gijon. Das Spiel war aber das genaue Gegenteil.

Von Mark Weidenfeller, Frankfurt

Rund zehn Minuten nach Abpfiff traf die Stadion-Regie am Mittwochabend in Frankfurt den Geschmack von beiden Fan-Gruppen. Als DJ Ötzis Cover-Version von "Hey Baby“ aus den voll aufgedrehten Stadion-Lautsprechern dröhnte, lag sich innerhalb weniger Sekunden fast das gesamte Stadion in den Armen und stimmte lautstark mit ein. Rumänische und slowakische Fans feierten gleichermaßen ausgelassen den Achtelfinal-Einzug ihrer Teams und sorgten damit für das passende Finale einer großen Fußball-Party.

"Das ist der größte Moment in unserer Karriere", fasste Rumäniens Trainer Edward Iordanescu wenige Minuten später zusammen. "Das bedeutet so viel für alle in unserem Land und ist ein Grund zum Feiern. Es ist einfach toll", ergänzte der slowakische Torhüter Martin Dubravka. Ein Spiel, zwei Sieger.

Schande von Gijon 2.0? Von wegen!

Die Rumänen und die Slowaken hatten sich zuvor eines der aufregendsten Duelle dieser EM geliefert und damit allen Befürchtungen getrotzt. Da schon vor Anpfiff klar war, dass beiden Mannschaften ein Remis reichen würde, hatten viele Beobachter einen Nichtangriffspakt und geheime Absprachen befürchtet. Mit der viel zitierten Schande von Gijon hatte die Partie - trotz des Wunschergebnisses von 1:1 - aber nicht mal am Rande zu tun.

Beide Teams spielen auf Sieg

Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, die sich bei der WM 1982 mit unsportlichem Ballgeschiebe in die nächste Runde gemogelt hatten, spielten die Rumänien und die Slowakei in beinahe jeder Sekunde voll auf Sieg. Die beinahe ausnahmslos begeisterten Zuschauer, die sich auch von der Hitze und einem Unwetter die Laune nicht verderben ließen, sahen über 90 Minuten knackige Zweikämpfe, jede Menge Tempo und viel Herz.

Dazu gab es vier Gelbe Karten, einen Elfmeter und die Tore von Ondrej Duda (24.) und Razvan Marin (36.). Ein Fußballspiel, bei dem der Fußball im Mittelpunkt steht. Dass es so etwas noch gibt.

Rumäniens Nationaltrainer Iordanescu gab nach Schlusspfiff zwar zu, in der Schlussphase versucht zu haben, "das Unentschieden zu sichern". Da er bei einem Eckball der Slowakei in der 81. Minute jedoch immer noch zwei Angreifer für einen möglichen Konter direkt an der Mittellinie platzierte, strahlten selbst die rumänischen Defensiv-Bemühungen mehr Torgefahr aus als so manch hochgelobte Offensivreihe vermeintlicher Titel-Favoriten. Englische Fans wissen, wer gemeint ist.

Auch die Fans geben alles

Neben den Teams hatten am Mittwoch aber auch die Zuschauer und Zuschauerinnen einen großen Anteil an diesem außergewöhnlichen Fußballabend. Beide Fanlager bewiesen, dass das Frankfurter Stadion auch außerhalb der Bundesliga zum Hexenkessel werden kann.

Vor allem die rumänischen Anhänger, die bislang zu den Entdeckungen dieses Turniers gehören, brannten dabei wieder ein besonderes Feuerwerk ab. Das Stadion färbten sie fast komplett in Gelb. Als Mitte der zweiten Hälfte ein Gewitter über das Stadion fegte, entledigte sich ein Großteil der komplett nassen Klamotten und feierte einfach oberkörperfrei weiter.

"Normalerweise lobe ich immer meine Spieler, aber heute muss ich die Fans loben", hob deshalb auch Iordanescu hervor: "So etwas wie heute erlebt man nur einmal im Leben." Ob das wirklich so ist, sei dahingestellt. Ein Spiel, bei dem sich Spieler und Fans gegenseitig anstacheln und zu einer Symbiose werden, gab es aber auch bei dieser EM noch nicht allzu oft.

Beide Nationaltrainer wehren sich gegen die Vorwürfe

Ganz am Ende des Abends wurde es dann aber tatsächlich auch noch einmal ernst. Angesprochen auf die Schummel-Spekulationen richteten beide Trainer deutliche Worte an die Kritiker und wehrten sich gegen die Vorwürfe. "Niemand kann behaupten, dass meine Mannschaft nicht 90 Minuten Gas gegeben hätte", betonte der slowakische Nationaltrainer Francesco Calzona: "Rumänien wollte genauso gewinnen wie wir."

Sein Gegenüber ging sogar noch einen Schritt weiter. "Manche Menschen sollten sich uns gegenüber entschuldigen", wetterte Iordanescu: "Schon vor dem Spiel so zu reden und den Mannschaften und den Spielern solche Vorwürfe zu machen, ist eine Schande." Rumänien und die Slowakei fanden an diesem Abend in Frankfurt tatsächlich fußballerisch und verbal immer die richtige Antwort.