EM 2024 "Menschenrechte? Die UEFA ist jetzt daran gebunden"
Die EM 2024 hat Sponsoren aus Katar und China und trotzdem ist sie die erste, die sich explizit den Menschenrechten verpflichtet. Für eine beteiligte Menschenrechtsaktivistin ist es zumindest ein Anfang.
Menschenrechte waren bei den vergangenen Fußballturnieren ein zentrales Thema. Die WM 2018 in Russland, die teilweise in Aserbaidschan und Russland ausgetragene EM 2021 und allem voran die WM 2022 in Katar standen in Sachen Menschenrechte im Fokus.
Die EM 2024 in Deutschland ist die erste, bei der Menschenrechte Teil der Bewerbungsanforderungen waren. Andrea Florence, die für die Menschenrechtsorganisation Sports and Rights Alliance arbeitet, sieht darin einen sinnvollen Schritt. "Sowohl Deutschland als auch die UEFA mussten bei der gesamten Entwicklung des Turniers die Menschenrechte bei der Umsetzung berücksichtigen", sagte Florence im Gespräch mit der Sportschau. Sie sitzt im Menschenrechtsrat der EM, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern weiterer Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise Reporter ohne Grenzen oder dem Deutschen Institut für Menschenrechte.
Andrea Florence, geschäftsführende Direktorin der Menschenrechtsorganisation Sports and Rights Alliance
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Fans, Spieler oder Medien können sich melden
Bei Verstößen gegen Menschenrechte oder bei Übergriffen können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Fans, Spieler oder Medien sich über eine Beschwerdestelle melden. Ein "sofort wirksamer Reaktionsmechanismus" soll ein schnelles Eingreifen sicherstellen. In den Stadien hängen Plakate, die den Menschen zeigen, an wen sie sich wenden können.
In Deutschland sind solche Maßnahmen bei einigen Klubs bereits bekannt. Unter dem Begriff wie beispielsweise "Wo geht's nach Panama?" (Köln, Dortmund, Wolfsburg), "Wo ist Lotte?" (Hertha BSC) oder "Fuchsbau" (Freiburg) können sich Fans bei Übergriffen an das Ordnungspersonal wenden.
Das Plakat bei den EM-Spielen, das auf Hilfestellung hinweist
Kritik: Beschwerdemechanismus kam sehr spät
"Das ist eine wichtige Entwicklung", sagt Florence mit Blick auf die EM: "Jeder kann jetzt eine Beschwerde gegen die EM-Organisatoren wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der EM einreichen." Das System bei der EM funktioniert ohne einen Begriff als Passwort, über einen QR-Code kann eine Meldung erstellt werden. "Und genau in dem Moment, in dem du den QR-Code scannst, kannst du um Unterstützung bitten. Und kommt jemand um Hilfe anzubieten", so Florence.
Der DFB und die UEFA hatten Ende 2023 eine Menschenrechtserklärung für die EM präsentiert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem Meilenstein. Kritik gab es damals weniger inhaltlich als am Zeitpunkt. "Im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit ist es wichtig, dass ein Beschwerdemechanismus möglichst frühzeitig eingerichtet wird", sagte damals Sophie von Waitz vom Verein Reporter ohne Grenzen: "Journalisten recherchieren schon jetzt zur EM." Auch Florence sagt: "Es kam alles sehr spät."
Sponsoren aus Katar und China - wie passt das?
Bei den Sponsoren des Turniers bleiben dagegen Zweifel in Sachen Menschenrechte. Zwei der großen Geldgeber kommen mit "Visit Qatar" und "Qatar Airways" aus Katar. Mehrere andere Sponsoren aus China, von denen einige einer Recherche von "Play the game" zufolge in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit stehen. Wie passt das zusammen? "Im Idealfall wäre die Menschenrechtsstrategie in allen Bereichen der UEFA verankert", sagt Florence: "Natürlich müsste man, wenn man eine zusammenhängende Strategie haben will, durchgängig vorgehen. Das ist etwas, das wir uns für die Zukunft wünschen, klar."
Sponsoren aus Katar sind allgegenwärtig bei der EM 2024 in Deutschland.
Das jetzige Vorgehen sei aber ein wichtiger Anfang. "Das ist das Schöne: Die UEFA ist nun wirklich daran gebunden. Und sie muss die Menschenrechtsstrategie in allen Turnieren in allen Ländern umsetzen, so wie sie auch in Deutschland umgesetzt wird. Die UEFA setzt einen Standard, der überall eingehalten werden muss", sagt Florence. 2032 findet die EM auch in der Türkei statt, die in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 158 von 180 geführt wird - weit hinter Katar (Platz 84). "Und wir werden da sein, um die UEFA zur Verantwortung zu ziehen und um das System zu verbessern", kündigt Florence an.
WM 2034 in Saudi-Arabien - "Die FIFA soll nur ihre eigenen Regeln einhalten"
Am 11. Dezember wird die FIFA voraussichtlich die Weltmeisterschaften der Männer 2030 und 2034 vergeben. Menschenrechtsorganisationen forderten die FIFA zur Sicherung der Menschenrechte auf. Für die beiden Turniere, die aller Voraussicht nach am 11. Dezember 2024 bei einem digitalen FIFA-Kongress vergeben werden, gibt es jeweils nur eine Bewerbung:
- 2030: Spanien, Portugal und Marokko mit Eröffnungsspielen in Uruguay, Paraguay und Argentinien
- 2034: Saudi-Arabien
Florence erarbeitete mit der Sports and Right Alliance in Zusammenarbeit mit Amnesty International einen Bericht dazu und erinnerte daran, dass die FIFA Menschenrechtsfragen in den Voraussetzungen für die Bewerbungen verankert habe. "Ob dies jedoch zu sinnvollen oder angemessenen Maßnahmen führen wird, bleibt ernsthaft fraglich", heißt es in einem Bericht.
"Die FIFA ist an einem Wendepunkt", sagt Florence: "Wir haben jetzt alles offenkundig gemacht, was die FIFA wissen sollte. Und jetzt können sie nicht sagen, dass sie nichts davon wussten, wenn Verstöße auftreten. Wir hoffen, dass sie sich an ihre eigenen Regeln halten. Die FIFA muss bereit sein, Bewerbungen abzulehnen, wenn sich ein Land weigert, die Menschenrechte einzuhalten."