Schon jetzt EM-Rekord Immer wieder Last-Minute-Drama: Die EM der späten Tore
Drama, Spektakel, Emotionen. Auch die Fußball-EM in Deutschland ist wieder ein Turnier der großen Gefühle. Das liegt auch an Toren, die besonders spät fallen - das lässt sich auch statistisch belegen.
Die EM 2024 ist ein Turnier der späten Treffer. Es ist sogar ein Turnier der ultraspäten Tore. Denken wir an das deutsche Team, das im Spiel gegen die Schweiz durch einen Treffer von Niclas Füllkrug in der 90.+2. Minute noch zum 1:1 und damit zum Gruppensieg kam. Oder an Italien, das erst durch ein Tor in der 90.+8. Minute gegen Kroatien zum 1:1 traf und damit den Achtelfinaleinzug sicher machte.
Spielentscheidend war auch ein Treffer der Ungarn gegen Schottland, das den Magyaren in der 90.+10. Minute noch ein 1:1 und Schottland das Aus in der Vorrunde brachte. Und auch im letzten Gruppenspiel der letzten Vorrundengruppe entschied ein Tor in der 90.+4. Minute das Spiel: Die Türkei gewann 3:1 gegen Tschechien, zog ins Achtelfinale ein und in vielen deutschen Städten starteten die Autokorsos.
Schon jetzt ein neuer EM-Rekord
Insgesamt fielen in den 36 Spielen der Gruppenphase zehn Tore nach der 90. Minute. Das sind gefühlt ganz schön viele. Und nicht nur gefühlt. In der Geschichte der Fußball-Europameisterschaften ist das ein Rekord. Laut offizieller UEFA-Statistik klingelte es noch nie so spät. Der bisherige Rekord stammt aus der EM 2016 - da fielen in der Nachspielzeit in den 51 Spielen des gesamtent Turniers neun Treffer.
Es gab aber auch Turniere ganz ohne Treffer in der "90.+"-Zeit: Bei der EM 1996, bei der Deutschland bekanntlich durch ein Golden Goal in der Verlängerung Europameister wurde, fiel nicht ein Treffer in der Nachspielzeit.
Häufigere Nachspielzeit-Tore als bei der WM 2022
Die Nachspielzeittreffer-Statistik der EM 2024 übertrifft sogar die Zahlen der WM 2022, die ja als Weltmeisterschaft der besonders langen Nachspielzeiten in die Geschichte einging - in der Vorrundenpartie zwischen England und dem Iran wurden beispielsweise in der zweiten Halbzeit 14 Minuten nachgespielt.
Bei der WM 2022 fielen insgesamt in 64 Partien 96 Tore, davon 13 in der Nachspielzeit - etwa alle fünf Spiele klingelte es also 90.+, rund 13,5 aller Tore fielen in der Nachspielzeit. Bei der EM 2024 fielen schon jetzt nach 36 Spielen zehn Tore in der Nachspielzeit, und das bei insgesamt 81 gefallenen Toren. Heißt: alle rund 3,6 Spiele darf ein Team in der Nachspielzeit jubeln, rund 12,3 Prozent aller Tore sind bisher in der Nachspielzeit gefallen.
Deutlich mehr späte Tore als in der Bundesliga
Die WM 2022 war (nicht nur wegen der langen Nachspielzeit) ein Extrem-Turnier. Vergleichbar mit der EM 2024 ist daher sicher eher eine Bundesliga-Saison. Schauen wir uns einmal die zurückliegende Erstliga-Spielzeit an: In 306 Spielen fielen 985 Tore, davon 64 in der Nachspielzeit. Oder: 6,5 Prozent aller Tore fielen in der Nachspielzeit, etwa alle fünf Spiele traf ein Team später als nach der 90. Minute.
Verglichen mit der vergangenen Bundesliga-Saison fallen prozentual also fast doppelt so viele Tore in der Nachspielzeit. Und statt aller fünf Spiele treffen die Teams bei der EM alle 3,6 Spiele in der Zeit nach der 90. Minute.
Gründe bleiben (noch) offen
Was sind die Gründe für die gehäuften Tore in der Nachspielzeit? Drei Ansätze sind denkbar. Erstens: Es wird mehr nachgespielt - das klingt nach einem validen Punkt. Gefühlt wird bei der EM länger als beispielsweise in der Bundesliga-Saison nachgespielt. Genaue und vergleichbare Daten liegen für die EM aber leider nicht vor. Zweitens: Die Angreifer sind körperlich und mental auch in der Nachspielzeit voll dabei und können für Druck sorgen. Oder drittens: Die Abwehrspieler lassen konditionell und auch in der Konzentration nach. Diese Ansätze sind noch nicht statistisch überprüfbar und bedürfen einer tieferen Analyse.
Noch vier Spiele mit Last-Minute-Toren werden erwartet
Statistisch sicher dürfte nur sein, dass auch in der jetzt beginnenden K.o.-Phase der EM einige Tore in der Nachspielzeit fallen. In den noch verbleibenden 15 Spielen sind etwa vier Tore zu erwarten, die nach der 90. Minute fallen - und dann für Last-Minute-Jubel oder -Trauer sorgen können.