Schiedsrichter Daniel Siebert spricht mit Rumäniens Kapitän Nicolae Stanciu

Trends der EM-Vorrunde Alters-Extreme, Kartenflut und fast ausgestorbene Rudelbildungen

Stand: 27.06.2024 13:02 Uhr

Die Vorrunde der EM 2024 in Deutschland hatte viel zu bieten - unter anderem wurden bereits jetzt einige Rekorde geknackt. Das sind die Trends der Gruppenphase.

Rekord durch Tore in der Nachspielzeit

Es lief bereits die zweite Minute der Nachspielzeit im dritten deutschen Gruppenspiel gegen die Schweiz. Das DFB-Team lag mit 0:1 in Rückstand und warf noch einmal alles nach vorne. David Raum flankte von der linken Seite nach innen, der deutsche Joker Niclas Füllkrug machte einen Schritt nach hinten, erwischte den Ball per Kopf perfekt und netzte zum späten Ausgleich ein.

Der Treffer des Jokers sorgte nicht nur für den deutschen Gruppensieg, er passte auch voll in den Trend der EM 2024. Denn beim Turnier wurden in der Vorrunde bereits zehn Tore nach der 90. Minute erzielt. Das ist ein neuer Rekord für eine komplette EM-Endrunde - und das bereits in der Gruppenphase.

Die EM-Tore von Niclas Füllkrug

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Bislang eine torarme EM

Doch ingesamt sieht es in Sachen Treffer bei der EM 2024 bislang eher mau aus. Es fielen in den 36 Vorrundenspielen 81 Tore und damit im Schnitt nur 2,25 pro Partie. Beim Turnier 2021 waren es noch 2,78 Treffer pro Partie. Seit der EM 1996 fielen überhaupt nur einmal im Schnitt weniger Tore als aktuell - 2016 waren es 2,1 pro Spiel.

Die schönsten Tore der EM

Sportschau UEFA EURO 2024, 27.06.2024 09:00 Uhr

Modus sorgt für Taktieren am dritten Vorrundenspieltag

Die so begeisternd gestartete EM 2024 verlor im Laufe der Vorrunde etwas an Esprit - wohl weil die Mannschaften berechnender wurden. Das dürfte am Modus liegen: 24 Mannschaften nahmen an der EM 2024 teil, 16 Teams qualifizierten sich für die K.o.-Runde. Dass nicht nur die jeweiligen Erst- und Zweitplatzierten der sechs Vorrundengruppen das Achtelfinale erreichten, sondern auch vier der sechs Grupendritten, sorgte für Rechenspiele am dritten Spieltag - mit deutlichen Auswirkungen.

Die Mannschaften taktierten, die virtuelle Tabelle immer im Hinterkopf, und spielten nicht mehr so bedingungslos auf Erfolg wie zu Beginn der EM. Gab es am ersten Vorrundenspieltag noch in elf der zwölf Duelle einen Sieger, so gab es am dritten Spieltag insgesamt sieben Remis. Auch die Zahl der Tore nahm deutlich ab. Am ersten Spieltag fielen 34 Tore, am dritten nur noch 20 - dafür gab es gleich drei torlose Unentschieden.

Nur der Kapitän darf meckern

Eine Spielertraube, die wild gestikulierend auf den Schiedsrichter einredet, gab es bei der EM 2024 so gut wie noch nicht zu sehen. Das liegt an einer neuen Vorgabe der UEFA. Nur noch die Kapitäne der Mannschaften dürfen sich bei den Referees über deren Entscheidungen beschweren. Sollte der Spielführer ein Torhüter sein, wird ein anderer Spieler als Vertreter benannt. Allen anderen droht beim Meckern eine Gelbe Karte. Die Umsetzung dieser Regel klappt bislang erstaunlich gut. Es gab markant weniger Diskussionen und Rudelbildungen sind somit zumindest bei diesem Turnier fast ausgestorben.

Flut an Gelben Karten

Das Vorrundenspiel zwischen der Türkei und Tschechien (2:1) war eine kampfbetonte Partie: Der rumänische Schiedsrichter Istvan Kovacs ließ entsprechend viele Karten regnen. Am Ende verteilte er 16 Gelbe und zwei Rote Karten - ein neuer Rekord für ein EM-Match. Diese Kartenflut ist typisch für die Vorrunde, denn bislang wurden satte 151 Verwarnungen ausgesprochen - und damit schon mehr als beim kompletten Turnier 2021. Nebeneffekt: Insgesamt zehn Spieler verpassen das Achtelfinale aufgrund einer Sperre, die nach zwei Gelben Karten erfolgt.

Tschechien gegen die Türkei- die kurze Zusammenfassung

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Turnier der Alters-Extreme

Die EM 2024 in Deutschland ist auch ein Turnier der Alters-Extreme. Lamine Yamal wurde zum ersten 16-Jährigen, der bei einer EM eingesetzt wurde. Der Spanier ist nun der jüngste Spieler der Historie dieses Turniers. Die Türkei hatte mit Arda Güler ihren historisch jüngsten EM-Torschützen, der 19-Jährige traf beim 3:1 gegen Georgien. Im krassen Gegensatz dazu steht der Portugiese Pepe der sich mit 41 Jahren den Altersrekord vom "entthronten" Gabor Kiraly schnappte. Was Yamal, Güler und Pepe eint: Das Alter ist nicht entscheidend, sondern die Leistung auf dem Feld.

Warum nicht einfach mal draufhalten?

15 der bisherigen 81 Treffer wurden von außerhalb des Strafraums erzielt, das entspricht einer Quote von 18 Prozent. Damit liegt die EM 2024 auf Rekordkurs, denn seit die Daten genau erhoben werden (seit der EM 1996) lag der Anteil an Toren aus der Distanz noch nie über 17 Prozent. Es kommt somit zu einer Renaissance eines so alten wie einfachen Stilmittels, das im internationalen Spitzenfußball à la Pep Guardiola & Co. schon länger nicht mehr erste Wahl zu sein scheint.

Bislang auch eine EM der Eigentore

Dass die Zahl der Eigentore hoch ist, war bereits bei der EM 2021 ein auffälliger Faktor. Damals gab es einen Negativrekord, elf Mal trafen Spieler vor drei Jahren ins eigene Netz. Bei der Euro 2024 in Deutschland verfestigte sich dieser Trend in der Vorrunde. In den 36 Partien trafen sieben Akteure in die falsche Richtung, teils slapstickartig wie etwa der Türke Samet Akaydin gegen Portugal. Geht es so weiter, ist ein neuer Negativ- Höchstwert durchaus möglich.

Alle Eigentore der EURO 2024

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