Volle und laute Stadien Das erhoffte Fußballfest
Die Europameisterschaft in Deutschland ist laut und bunt. Das Turnier liefert die erhofften vollen Stadien und teilweise ohrenbetäubende Jubelmomente.
Das Wetter war schlecht vor dem ersten Spiel der Türkei bei diesem Turnier. Richtig schlecht. Nur eine Stunde vor dem Anpriff rauschte ein Wasserfall vom Stadiondach auf die ersten Sitzreihen des Dortmunder Westfalenstadions.
Eine Spielabsage war denkbar und zumindest für neutrale Zuschauer sicherlich eine Option. Aber: Weder die Teams noch die Fans kniffen. Zum Anstoß der Partie Georgien gegen die Türkei war das Stadion voll und extrem laut.
Jubel über Güler-Tor beeindruckte selbst Dortmund-erfahrenen Reporter
Die Nationalhymne der Türken: lautstark mitgesungen. Das spektakuläre Fernschusstor des türkischen Publikumslieblings Arda Güler: Anlass für eine selbst in Dortmund selten erlebte Stimmungsexplosion. Ein Dezibel-Messgerät der Sportschau kam auf über 110 db.
ARD-Radioreporter Holger Dahl hat im Westfalenstadion schon einiges miterlebt. Das Champions-League-Wunder gegen Malaga zum Beispiel. Und jetzt das Tor von Güler. "Ich habe dieses Stadion sehr sehr selten so laut erlebt", sagt er. Und natürlich: Die türkischen Fans sind bekannt für ihre lautstarke Unterstützung. 131 Dezibel wurden im Stadion von Galatasaray schon gemessen.
Stadionauslastung nahe der 100 Prozent
Möglich, dass dieser Wert am Mittwochabend auf einer der Fanmeilen im Land oder im Hamburger Stadion erreicht wurde, als Cenk Tosun die Türken ins Achtelfinale schoss. Doch nicht nur bei den Spielen des inoffiziellen Co-Gastgebers sind die Stadien voll und die Fans laut. Die durchschnittliche Auslastung in der Gruppenphase betrug rund 98 Prozent. Im Schnitt gingen 51.738 Zuschauer pro Spiel ins Stadion. Mehr waren es zuletzt 1988 - ebenfalls in Deutschland (59.243 Zuschauer im Schnitt).
Logisch, dass sich Turnierdirektor Philipp Lahm nach den ersten zehn Turniertagen zufrieden zeigte. Eine "sehr, sehr schöne Atmosphäre", bemerkte der zum Edel-Groundhopper gewordene Lahm in einem Pressegespräch am Montag. Er reist mit der Bahn von Spiel zu Spiel und findet: Deutschland ist ein guter Gastgeber und die Gäste machen gute Stimmung.
Sportpsychologe: Stimmung kann sich auch negativ auswirken
Die naheliegende Schlussfolgerung, Teams wie die Türkei, Deutschland oder auch die Niederländer würden von ihren Fans durchs Turnier getragen, ist aber nicht zwangsläufig richtig. Das sagt zumindest einer, der es wissen muss: Der Sportpsychologe Bernd Strauß von der Universität Münster. "Auch gut gemeinte Anfeuerungsrufe können sich kontraproduktiv auswirken. Das ist zwar nicht gewollt an der Stelle, es kann aber sein, dass es den Druck nochmal erhöht."
Im Normalfall nehmen Sportler die Atmosphäre um sie herum kaum wahr während ihres Spiels. Sie konzentrieren sich auf ihre Aufgabe. Viel Stimmung und ein ungünstiger Spielverlauf könnten allerdings dafür sorgen, dass sich die Spieler auf sich selbst konzentrieren, "dass sie darüber nachdenken, was eigentlich passiert, wenn sie jetzt versagen und das Tor nicht treffen", beschreibt Strauß. "Versagen unter Druck" nenne man das.
Nagelsmann beklagt leise deutsche Fans
Eine Regel ist diese Kausalität nicht. Stimmung kann selbstverständlich auch das tun, was sie soll: motivieren. Das erhofft sich jedenfalls Bundestrainer Julian Nagelsmann. Er hat nach dem letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz angedeutet, dass es ihm in Frankfurt lange Zeit zu ruhig war. Ausgerechnet die Fans des Gastgebers haben sich trotz vieler weißer und pinker Trikots in den Städten noch nicht als Stimmungsmacher hervorgetan.
"Es war schon ruhig lange Zeit", sagte Nagelsmann auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Das Tor von Niclas Füllkrug rettete nicht nur den Gruppensieg, sondern auch Nagelsmanns Fazit: "So ein kleiner Explosionsmoment war da nicht unwichtig zum Ende des Spiels", freute sich der Bundestrainer dann doch noch.
Weitere Highlights erscheinen schon am Horizont
Der aktuelle Turnierbaum hält noch einige potenzielle Stimmungshighlights bereit. Niederlande gegen die Türkei wäre beispielsweise ein mögliches Viertelfinale. Das waren zwei der lautesten und auffälligsten Fanlager bislang.
Spielort wäre: Berlin. Die Stadt, mit der größten türkischen Community Deutschlands. Gründe für große Vorfreude auf die nächsten Turniertage gibt es also genug.