Remis gegen Tschechien Georgien hadert trotz "historischem Punkt"
Das 1:1 von Georgien gegen Tschechien am Samstag (22.06.2024) war historisch: Für die Nation vom Schwarzen Meer war es der erste Punktgewinn ihrer EM-Geschichte. Doch nach Feiern war den meisten Spielern im Team von Trainer Willy Sagnol nach einer vergebenen Großchance in der Nachspielzeit nicht zumute.
Der georgische Nationaltrainer war nach dem Spiel sichtlich darum bemüht, das Positive herauszustellen. "Mein größtes Gefühl ist Stolz", betonte Willy Sagnol und fügte hinzu: "Wenn man sieht, wo wir herkommen, muss man stolz auf diesen Punkt sein." Der Vizeweltmeister von 2006 war sich sicher: "Das ganze Land wird heute feiern - auf seine ganz besondere georgische Art."
Doch seinen Spielern war diese Freude nicht anzumerken. Torhüter Giorgi Mamardashvili sprach zwar von einem "historischen Moment". Doch der 23-Jährige fügte unumwunden hinzu, dass er auch "ein bisschen enttäuscht" sei. Und Khvicha Kvaratskhelia, der große Star im Team von der SSC Neapel, erklärte mit versteinerter Miene: "Natürlich war das unser erster Punkt bei einer EM, aber wir hätten auch drei holen können."
Mit Blick auf das abschließende Gruppenspiel gegen Portugal (Mittwoch, 26.04.2024, 21 Uhr) und den immer noch möglichen Einzug ins Achtelfinale wäre die Ausgangslage deutlich besser gewesen. So sieht alles nach dem Ausscheiden nach der Vorrunde aus.
Mamardashvili hat "fantastisch gehalten"
Es war ein dickes Brett, das die Georgier am Samstagnachmittag im Hamburger Volksparkstadion zu bohren hatten. Die Tschechen waren im Vergleich zu ihrer Auftaktniederlage gegen Portugal (1:2) kaum wiederzuerkennen. Die Georgier konnten sich nur selten befreien.
Tschechiens vermeintlichem 1:0 von Adam Hlozek wurde zu Recht wegen Handspiels die Anerkennung verweigert. Ansonsten hatte es der Außenseiter vor allem Mamardashvili (Sagnol: "Er hat fantastisch gehalten") zu verdanken, dass die Tschechen nicht deutlich in Führung gingen.
Georgien - nur beim Elfmeter ging der Ball aufs Tor
"Believe" hatten georgische Fans in großen Lettern auf weiße Plakate geschrieben. Doch eine Überraschung lag überhaupt nicht in der Luft. Schon die Torschuss-Statistik zum Ende der ersten Hälfte sprach Bände: Tschechien schoss 13 Mal, sechsmal davon aufs Tor. Georgien hatte einen Schuss abgegeben, aber damit auch noch das Tor verfehlt.
Zwar brachte Georges Mikautadze sein Team per Handelfmeter noch vor der Pause in Front (45.+4). Patrick Schick erzielte aber nach knapp einer Stunde das längst überfällige erste tschechische Tor - 1:1. Und in der Folge waren wieder die Tschechen am Drücker.
Lobjanidze vergibt die große georgische Siegchance
Doch das zweite Tor fiel nicht und als die Nachspielzeit eigentlich schon abgelaufen war, rollte ein letzter georgischer Konter. Giorgi Chakvetadze legte vor dem Tor quer - und für einen Moment schien das ganze Stadion die Luft anzuhalten. Auch die Georgier von der Auswechselbank waren neben Sagnol an die Seitenlinie geeilt - und waren wie die Fans zum Jubeln bereit.
Als Saba auf das Tor zugelaufen ist, dachte ich, dass wir die Gruppenphase überstehen können - wenn er jetzt trifft ...
Doch Joker Saba Lobjanidze jagte den Ball freistehend über das tschechische Tor. Wie vom Schlag getroffen fielen einige Ersatzspieler zu Boden. Genauso enttäuscht wie entkräftet taten es ihnen die Kollegen auf dem Feld gleich, als Sekunden später der Abpfiff ertönte.
Fans und Journalisten feiern das georgische Team
Die gut 20.000 georgischen Fans feierten ihre Mannschaft nach dem Abpfiff trotzdem - und zwar genauso lautstark wie die 90 Minuten zuvor. Sogar die georgischen Journalisten, einige im Nationaltrikot zur Arbeit erschienen, applaudierten Mamardashvili, als er zur Pressekonferenz erschien.
Auch Sagnol, über den es im vergangenen Jahr in Georgien schon Diskussionen gegeben hatte, ob er wirklich der Richtige sei, erhielt lauten Beifall.
Ein georgischer Sieg wäre nicht verdient gewesen
Der Coach hatte schon unmittelbar nach dem Abpfiff die Richtung für die kommenden Tage vorgegeben. Er war der Erste bei Pechvogel Lobjanidze und sprach ihm Mut zu. "Man kann in solchen Momenten viel sagen. Es ist die Frage, ob der Spieler das hören will", sagte Sagnol mit einem Schmunzeln: "Aber ich habe ihm gesagt, dass nur der es schaffen kann, der es auch probiert. Wir werden jetzt alles tun, um ihn wieder aufzurichten."
Zur Wahrheit gehört natürlich, dass ein georgischer Sieg nicht verdient gewesen wäre. "Ich weiß nicht mal, ob wir heute diesen Punkt verdient hatten", unterstrich Sagnol: "Aber wir hätten gegen die Türkei (1:3) einen Punkt verdient gehabt und haben uns den Punkt auch in den vergangenen dreieinhalb Jahren redlich verdient."
Führt die "fast learning experience" ins Achtelfinale?
Als krasser Außenseiter habe seine Mannschaft bei dieser EM "nichts zu verlieren gehabt. Als Georgien kannst du das Turnier nicht gewinnen". Es sei eigentlich nur darum gegangen, Erfahrungen zu sammeln. Und die beiden ersten Spiele bezeichnete Sagnol als "fast learning experience".
Die "gemischten Gefühle" nach dem 1:1 gegen Tschechien sollen schon bald dem Stolz auf das Erreichte weichen. Dafür will Sagnol schnell sorgen. Und wer weiß, was gegen Portugal möglich ist? Star Kvaratskhelia gab sich jedenfalls angriffslustig: "Wir werden bis zum Ende kämpfen."