Schottland bei der EM Europameister werden höchstens die Fans
"No Scotland, no party": Schottland droht bei der Europameisterschaft nach dem 1:1 (1:1) gegen die Schweiz am Mittwoch (19.06.2024) das Aus schon in der Vorrunde. Überraschend ist das nicht. Aber die schottischen Fans würden fehlen.
Ziemlich am Ende eines langen Tages stützte Andy Steve, und Steve stützte Andy. So standen sie da auf halber Strecke zwischen Stadion und Hotel, miteinander verbunden durch Hände auf Schultern und die Liebe zum Fußball, und schauten vom Bürgersteig aus der Straßenbahn hinterher, die nun doch gekommen war. In der Straßenbahn trugen die meisten Menschen Rot, es waren Fans der Schweizer, sie hüpften und sie sangen. "No Nati, no party."
Andy, 54, und Steve, 47, leben in Glasgow. Für die Europameisterschaft haben sie sich Urlaub genommen. Nun reisen sie in Trikot und Schottenrock durch Deutschland. Sie waren in München, als Schottland das Auftaktspiel der Europameisterschaft verlor. Sie waren in Köln, als Schottland gegen die Schweiz in Führung ging und doch nur remis spielte.
In diesem Moment aber beschäftigte Steve nicht die Frage, wie Schottland vielleicht doch noch das Achtelfinale erreichen kann. Er deutete auf die Straßenbahn und auf die Schweizer darin, die hüpften und sangen. Er sagte: "Das ist doch unsere Melodie. Sie haben das Ding einfach umgetextet."
Schottlands Fans sorgen für schöne Geschichten
In Köln waren knapp 100.000 Fans der Schotten erwartet worden. Und die Schotten kamen. Sie fuhren auf einem Schiff feiernd über den Rhein. Zwei Fans halfen einer älteren Person mit Rollator in der Altstadt mit einem Regenschirm aus und wurden selbst nass. Und sie sangen, eigentlich sangen sie fast immer. Besonders gerne über die Menschen aus Schottland, ohne die es nirgendwo eine anständige Party gebe.
Das Lied gefiel offenbar auch den Schweizern, die ihre Nationalmannschaft gerne "Nati" nennen. Steve und Andy war das natürlich gleich aufgefallen, als an ihnen die Bahn vorbeifuhr, auf die sie so lange gewartet hatten. Die sie dann doch verpassten, weil sie das Warten leid waren. "Sollen sie doch singen", sagte Andy. "Wir sind lauter."
Nicht nur die Ergebnisse sind wichtig
Laut waren die Fans der Schotten schon Stunden zuvor gewesen, als Tausende sich in der Altstadt und vor dem Dom versammelt hatten. Später liefen viele von ihnen gemeinsam zum Stadion, begleitet von der Polizei, von den eigenen Gesängen und dem Klang der Dudelsäcke. Dabei waren auch Matt und seine Freunde. Matt trug Shorts, aber kein T-Shirt. Auf den Bauch hatte er sich die schottische Flagge tätowiert.
Ihm sei vor allem das Drumherum wichtig, sagte Matt. Die gemeinsame Zeit, das zusammen Erlebte. "Darum geht es doch. Das ist wichtiger als irgendein Ergebnis."
Ginge es nur um die Inbrunst der Fans, um deren Kreativität und Leidenschaft, dann hätten die Schotten gute Chancen auf den Titel bei dieser Europameisterschaft. Aber sie werden eher nicht Europameister. Über diesen Titel wird auf dem Platz entschieden. Für Schottland ist das keine gute Nachricht.
"Good luck on Sunday, Scotland"
"Natürlich wollen wir zeigen, dass wir es besser können", hatte Nationaltrainer Steve Clarke gesagt, als seine Mannschaft gerade fünf Tore von Deutschland kassiert hatte. Gegen die Schweiz zeigten die Schotten, dass sie es besser können. Sie überließen den Schweizern gern den Ball, aber verteidigten engagiert und setzten auf Konter. So fiel die Führung durch Scott McTominay (13.).
In diesem Moment sah es so aus, als habe sich Robin Flury, 30, geirrt. Flury hatte vor dem Spiel vor dem Stadion gestanden. Er trug ein Trikot der Schweizer Nationalmannschaft und vor der Brust ein Schild aus Pappe. Darauf stand: "Good luck on Sunday, Scotland." Er gönne den Schotten schon einen Sieg, sagte Flury, nur eben nicht in diesem Spiel. Und die Schweiz werde auch nicht verlieren.
Flury hat sich doch nicht geirrt, das weiß man jetzt - auch weil Xherdan Shaqiri Shaqiri-Dinge machte. Sein Ausgleichstreffer war ein feiner Schlenzer in den Winkel, ein Traumtor (26.). In diesem Moment verstummten die Schotten, das kam nicht oft vor.
Ohne Schottland keine Party, sagen die Schotten
Sie jubelten, wenn Linksverteidiger Andrew Robertson einen Zweikampf gewann. Sie riefen "Scotland, Scotland", wenn ihre Mannschaft unter Druck geriet. Sie beklatschten jede Flanke, die Rechtsverteidiger Anthony Ralston schlug - auch dann, wenn sie nicht bei einem Mitspieler landete.
Im letzten Vorrundenspiel gegen Ungarn muss die schottische Nationalmannschaft am Sonntag (23.06.2024) gewinnen, dann könnte sie als einer der vier besten Gruppendritten doch noch das Achtelfinale erreichen. Und so sah der Trainer Clarke, 60, anschließend auch nicht unzufrieden aus, als er über das Spiel seiner Mannschaft urteilen sollte. Er sagte: "Es ging darum, eine bessere Leistung zu zeigen. Das ist uns gelungen."