Topspiel beim FC Arsenal Newcastles Erfolg - für manche Fans mit viel zu hohem Preis
Newcastle United ist auf dem Weg in die Champions League. Manchen Fans ist der Preis des Erfolgs aber viel zu hoch. Sie lehnen den Investor aus Saudi-Arabien brüsk ab.
Die achte Minute der Nachspielzeit lief, als Fabio Carvalho zum 2:1 für den FC Liverpool traf. Es war der letzte Tag des Augusts 2022, und es war der Tag, an dem Newcastle United seine einzige Niederlage in der Premier League kassierte.
Am Dienstag (03.01.2023), dem dritten Tag des neuen Jahres, tritt der Newcastle United Football Club (NUFC) als Tabellendritter beim Spitzenreiter FC Arsenal an. Mit einem Auswärtssieg würden "The Toon" den Rückstand auf sechs Punkte verkürzen.
John Hird ist 61 Jahre alt und seit seiner Kindheit ein Fan der "Toon", wie der Klub auch genannt wird, neben dem gebräuchlicheren "The Magpies". Schon seine Eltern hatten Dauerkarten für den Klub aus dem Nordosten Englands, der viermal Meister wurde, zuletzt 1927.
John Hird (links) ist der Gründer der Initiative "NUFC Fans Against Sportswashing"
Hird, seit Jahrzehnten als Englischlehrer im Baskenland tätig, wird das Spiel seiner Mannschaft beim FC Arsenal nicht schauen. Er ist der Gründer der Initiative "NUFC Fans Against Sportswashing", die bei Twitter unter @NoSaudiToon vertreten ist. Seitdem "The Toon" im Oktober 2021 an ein Konsortium verkauft wurden, das mit Milliarden von Dollar aus Saudi-Arabien finanziert wird, schaut Hird weder im Stadion noch zu Hause die Spiele seines Lieblingsklubs. "Aber wenn ich in meiner Heimat in einem Pub bin und das Spiel läuft, dann schaue ich auch nicht weg", sagt er.
Kein Boykottaufruf, aber Aufklärung
Als Newcastle Ende August in Liverpool verlor, war John Hird in einem Pub in Felling, seinem Heimatort. Mit zwei anderen Fans der "Toon" habe er das Spiel geschaut. Beide hätten eine Kufiya getragen, das arabische Kopftuch für Männer. Solche Begegnungen seien ihm und seiner Gruppe wichtig, so Hird. So komme er mit der "Mehrheit" ins Gespräch, die dem Engagement der Saudis wohlgesonnen gegenübersteht oder höchstens neutral.
Der Twitteraccount der "NUFC Fans Against Sportswashing" hat am Silvestertag 2022 etwa 2.200 Follower, "ein paar hundert Leute" hätten den Newsletter bestellt, so Hird. Er wisse, "dass wir in der Minderheit sind, aber wir werden mehr", sagt der "NoSaudiToon". Er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter "wollen nicht zum Boykott der Spiele aufrufen. Jeder solle selbst entscheiden, ob er die Spiele schaue, ob er Merchandising, lizenziert vom Verein, kaufe, etwa das Trikot, das in den saudischen Nationalfarben gehalten ist.
Nach außen Reformer, gegen Kritiker unbarmherzig
Die "NUFC Fans Against Sportswashing" wollen aufklären, zusammen mit anderen Aktivisten, etwa der "European Saudi Organisation for Human Rights" (ESOHR). Die Organisation listet Menschenrechtsverletzungen des Königreichs am Persischen Golf auf, das faktisch vom Kronprinzen Mohammed bin Salman regiert wird.
Ein Protest der Initiative "NUFC Fans against Sportswashing"
Einerseits gibt sich bin Salman als Reformer, als einer, der etwa die Frauenrechte stärkt, ihnen unter anderem das Autofahren erlaubte. Andererseits regiert er laut Organisationen wie ESOHR und Amnesty International mit harter und blutiger Hand, lässt keine Kritik zu.
"Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden auch 2021 massiv beschnitten. Das Sonderstrafgericht für terroristische Straftaten verhängte hohe Freiheitsstrafen gegen Personen, die sich für die Menschenrechte eingesetzt und abweichende Meinungen geäußert hatten", schreibt Amnesty in seinem jüngsten Bericht zu Saudi-Arabien.
Die ESOHR schreibt in ihrem jüngsten Report, dass die Zahl der Hinrichtungen so hoch wie lange nicht mehr sei. Aktuell seien 61 Menschen mit dem Tod bedroht, darunter acht Minderjährige. Dabei habe Saudi-Arabien 2020 behauptet, die Todesstrafe für Minderjährige abgeschafft zu haben.
Hohe Haftstrafen für regimekritische Posts
Die Einschränkung der Meinungsfreiheit und bizarr hohe Haftstrafen etwa für regimekritische Posts in Sozialen Netzwerken werden dem Kronprinzen von Menschenrechtsorganisationen ebenfalls vorgeworfen.
Im Raum steht weiter, dass bin Salman 2018 einen Mord an Jamal Khashoggi in Auftrag gegeben hat, einem kritischen Journalisten. Der Kronprinz bestreitet das.
Sportswashing im klassischen Sinn
Um von den Todesurteilen, die häufig nach unter Folter erzwungenen Geständnissen verhängt worden sein sollen, abzulenken, hält sich Saudi-Arabien einen Fußballklub im Nordosten Englands, gründete eine Golfserie und pumpte hunderte von Millionen Dollar hinein. Die Formel 1 fährt in Saudi-Arabien, und künftig wird mit Cristiano Ronaldo auch einer der besten Fußballer der Welt in dem Wüstenstaat spielen, der 2029 die Asienspiele ausrichten wird - wohlgemerkt die Winterspiele, für die eine Winterlandschaft erschaffen wird. Das ist Sportswashing im klassischen Sinn, sich mit Prominenz und schönen Bildern Softpower zu erkaufen.
Lionel Messi, Ronaldos Gegenspieler, ist zwar bei Paris Saint-Germain unter Vertrag, dem von Katar finanzierten französischen Serienmeister, aber er kassiert auch schon Geld aus Saudi-Arabien für eine Werbekampagne, die Touristen in den Golfstaat locken soll, der so viel größer ist als Katar.
"Dann will Saudi-Arabien das auch"
Daher glaubt Ali Adubisi, der Direktor des EOSHR, auch nicht, dass Saudi-Arabien sich damit begüngen wird, zusammen mit Ägypten und Griechenland die Fußball-WM 2030 auszurichten. Diese Dreierbewerbung steht im Raum. "Katar hat allein eine WM ausgerichtet. Dann will Saudi-Arabien das auch beweisen. Das ist ihre Mentalität", sagt Adubisi, der vor mehr als zehn Jahren zweimal Zeit in saudi-arabischen Gefängnissen verbrachte, weil er Literatur mit sich führte, die dem Regime nicht gefiel.
"Geld", das sagt auch John Hird, "spielt für die Saudis überhaupt keine Rolle". Er rechnet daher damit, dass Newcastle United künftig auch noch deutlich offensiver als bisher auf dem Transfermarkt agieren wird. Vielleicht erlebt er dann die erste Meisterschaft seines Klubs. Sie wäre, so sehen das die "NoSaudiToon", mit blutigem Geld gekauft.