Rückzahlung von Coronahilfen Vereine gewinnen vor Gericht
Zwei deutsche Sportvereine, darunter Handball-Bundesligist HSG Wetzlar, haben erfolgreich gegen die Rückzahlung von Coronahilfen geklagt. Die Urteile könnten ein Muster für weitere Prozesse sein. Der Bund hat allerdings noch Möglichkeiten, das Geld einzutreiben.
"Einen gewissen Mustercharakter für die Zukunft", wies der Vorsitzende Richter Paul Jacoby zwei Prozessen zu, die am Freitag (06.12.2024) vor dem Verwaltungsgericht Köln verhandelt wurden. Sollte seine Prognose zutreffen, können Sportvereine aufatmen, von denen das staatliche Bundesverwaltungsamt (BVA) Rückzahlungen von "Coronahilfen Profisport" forderte.
Gericht: Bund stellt falsche Nachrechnungen an
Zu denen zählt die HSG Wetzlar, deren Männermannschaft in der Handball-Bundesliga spielt. Die HSG sollte 300.000 Euro zurückzahlen, die ihr im November 2020 gewährt wurde. Der entsprechende Widerspruchsbescheid wurde jedoch aufgehoben, weil er "rechtswidrig" sei, wie das Gericht urteilte.
Die HSG Wetzlar, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lars Diederichsen, zeigte sich erleichtert: "Eine Rückzahlung in der geforderten Höhe hätte für den einzigen Erstligaklub Mittelhessens eine enorme wirtschaftliche Herausforderung für die Zukunft bedeutet. Deswegen freuen wir uns sehr, dass sich das Gericht unseren Argumenten angeschlossen hat." Das hervorstechende Argument war, dass der Bund bei den Jahresabschlüssen der betroffenen Klubs falsch nachgerechnet habe.
Um "Coronahilfen Profisport" durften sich sämtliche Klubs mit Profiabteilungen bewerben. Ausnahmen waren die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga im Männerfußball. Die Hilfen waren dafür gedacht, die Verluste durch entgangene Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten zu kompensieren.
Bund wird möglicherweise neue Bescheide erlassen
Die Verordnungen wurden während der Anfang 2020 nach Deutschland gekommenen Pandemie mehrmals geändert. Grundsätzlich galt jedoch: Sollte sich herausstellen, dass ein Verein trotz Corona in einem Geschäftsjahr Gewinn macht, muss er die Hilfen zurückzahlen. Schwierig waren die Berechnungen schon deshalb, weil das Bundesverwaltungsamt das Geschäftsjahr einem Kalenderjahr gleichsetzte, viele Klubs jedoch vom 1. Juli bis 30. Juni rechnen, einer Saison entsprechend.
Der Fehler, den das Gericht dem BVA vorhielt, war aber vor allen Dingen, dass die Behörde auch andere Beihilfen wie Überbrückungsgelder pauschal als Einnahme der Klubs eingerechnet habe. Dies sei deshalb rechtswidrig, weil dies in den Förderrichtlinien für die "Coronahilfen Profisport" nicht so vermerkt gewesen sei.
Vertreter der beklagten Bundesrepublik Deutschland deuteten vor Gericht an, dass sie mit dem neuen Wissen neue Bescheide erlassen und so vielleicht noch an das Geld kommen werden. Die HSG Wetzlar sieht dem, sollte es kommen, gelassen entgegen.
"Auf jeden Fall Zeit gewonnen"
Katja Rothert, Geschäftsführerin der SG H2Ku Herrenberg, hat aber noch Bauchschmerzen, obwohl auch ihr Verein vor Gericht erfolgreich war. "Ich bin ein Stück weit erleichtert. Richtig glaube ich erst, dass wir nichts zurückzahlen müssen, wenn alles final entschieden ist." Die SG H2Ku Herrenberg war während der ersten Jahre der Pandemie noch mit den Handballerinnen in der 2. Bundesliga und damit im Profibereich vertreten. Sie sollte 15.000 Euro an Coronahilfen zurückzahlen.
Die nach dem Abstieg inaktive GmbH, die als Lizenzbedingung des Deutschen Handballbundes hatte gegründet werden müssen, hätte dies aus ihrem Vermögen nicht leisten können. Also hätte der Amateurbereich des Klubs die Rückzahlungen leisten müssen. Die Gefahr besteht weiterhin, Richter Jacoby sagte aber in Richtung von Katja Rothert: "Sie haben jetzt auf jeden Fall Zeit gewonnen."
Es sind noch viele Verfahren in gleich gelagerten Fällen am Verwaltungsgericht Köln anhängig. Über die genaue Zahl schweigt das Gericht nach wie vor. Die Kläger dürften nach "dem ersten Aufschlag" (Jacoby) hoffnungsfroh sein, ihre Verfahren ebenfalls zu gewinnen. Klubs, die den Rückforderungen des BVA klaglos nachkamen, dürften kaum Chancen haben, nachträglich noch den Rechtsweg zu beschreiten und Recht zu bekommen.
165 Millionen Euro Hilfe für Ticketausfälle
Das war jedenfalls die vorläufige Einschätzung von Juristen am Freitag in Köln. Die Vertreterinnen der beklagten Seite verwiesen bei der Bitte um eine Stellungnahme an die Pressestelle des Bundesinnenministeriums, die einen Fragenkatalog der Sportschau erhalten wird.
Über das BVA gewährte die Bundesrepublik für die Jahre 2020 bis 2022 "Coronahilfen Profisport“. Auf seiner Homepage führt das BVA detailliert nach Sportarten auf, wie viel Geld in den jeweiligen Jahren beantragt, bewilligt, ausgezahlt und von den Vereinen erstattet wurde. Die beantragten Hilfen summieren sich bei den Ticketausfällen auf mehr als 200 Millionen Euro, ausgezahlt wurden etwa 165 Millionen. Hinzu kommen knapp sechs Millionen Euro ausgezahlte Coronahilfen für sonstige Verluste.
Sportart | beantragt (in Mio. €) | ausgezahlt |
---|---|---|
Handball | 41,1 | 36,9 |
Eishockey | 54,7 | 47,4 |
Basketball | 32,4 | 29,9 |
Fußball | 27,9 | 23,1 |
Reitsport | 5,1 | 0,7 |
American Football | 3,6 | 3,36 |
Boxen | 0,2 | 0 |
Hockey | 0,12 | 0,03 |
Die Coronahilfen retteten viele Vereine vor der Insolvenz. Mit einiger Verzögerung sorgten sie aber aufgrund der Rückzahlungsbescheide für Ärger und wirtschaftliche Nöte. So auch beim BBC Bayreuth, der in der zweitklassigen ProA der Männer Basketball spielt.
"Wir haben überhaupt keine Planungssicherheit", klagte Geschäftsführer Friedrich Hartung Anfang des Jahres im Gespräch mit der Sportschau. Sein Klub habe 293.000 Euro wegen der möglichen Rückzahlungen an die Seite gelegt. Das seien etwa zehn Prozent des Etats. Auch der BBC Bayreuth klagte inzwischen vor dem Verwaltungsgericht in Köln. Ein Verhandlungstermin steht noch aus.