Krise beim FC Chelsea Zu viele Baustellen an der Stamford Bridge
Der FC Chelsea kämpft gegen den Niedergang. Die Krise hat mehrere Gründe - viel hat auch mit dem von der neuen Klubführung verordneten Großumbau zu tun.
Gerade einmal zwei Kilometer liegen die Stadien des FC Chelsea und des FC Fulham voneinander entfernt. Auch in der Tabelle der Premier League trennt die zwei Klubs aus West-London aktuell nicht viel: Nur drei Punkte sind es vor dem direkten Duell am Donnerstagabend (11.01.2023). Dass Chelsea dabei drei Punkte hinter dem kleinen Nachbarn aus Fulham liegt, dürften die "Blues", die sich zu Europas Fußball-Adel zählen, als absolute Zumutung empfinden.
Nach nur einem Sieg aus acht Spielen ist Chelsea in der Premier League auf Platz zehn abgerutscht - und damit näher am Schlusslicht Southampton als am Tabellenführer Arsenal. Bis zu den Champions-League-Rängen, eigentlich das angestammte Habitat des Klubs, beträgt der Rückstand schon zehn Punkte.
Wehrloses Chelsea gegen City: "Absolut inakzeptabel"
Die 0:4-Pleite im FA Cup am vergangenen Sonntag gegen Manchester City markierte den vorläufigen Tiefpunkt in Chelseas Abwärtstaumel. Vor allem der Auftritt in der ersten Halbzeit, als Chelsea wehrlos wirkte und selbst keinen einzigen Torschuss zustande brachte, war "peinlich, erbärmlich, absolut inakzeptabel" - so das Urteil von Englands Sturmidol Alan Shearer, als Experte bei der BBC bekannt für seine gleichermaßen fundierten wie schonungslosen Analysen.
Dabei glaubte Chelsea, mit der Übernahme durch die neuen Besitzer um den US-amerikanischen Investor Todd Boehly im Frühsommer 2022 das Schlimmste überstanden zu haben. Zuvor hatten die Sanktionen gegen den langjährigen Klubpatron und Kreml-Intimus Roman Abramowitsch den Klub an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht. Nicht wenige hatten an der Stamford Bridge nach Boehlys Ankunft frohlockt: Der Manager hatte mit den von ihm geführten Klubs im US-Sport einige Erfolge vorzuweisen, mit einer oft als innovativ angepriesenen Kaderplanung, die vor allem auf datengestützten Spieleranalysen basiert.
Großumbau unter Neu-Besitzer Boehly
Bei Chelsea erinnerte Boehlys Führungsstil dann aber eher an die alte Chefetage: Erst wurde im Sommer eine Viertelmilliarde Pfund für neue Spieler ausgegeben, eine neue Rekordsumme selbst für den traditionell spendablen Klub. Dann wurde Thomas Tuchel kurz nach Saisonstart vom Hof gejagt: jener Trainer, der das Team im Januar 2021, damals in einem ähnlich orientierungslosen Zustand wie jetzt, übernommen hatte und in etwas mehr als vier Monaten zum Champions-League-Triumph geführt hatte.
Für Tuchel kam Graham Potter, der als Boehlys Wunschkandidat galt. Und auch sonst trieb Chelseas neuer Boss den Großumbau weiter voran: Nahezu alle Positionen im Management und im sportlichen Stab wurden neu besetzt, zuletzt gingen zwei weitere Scouts, die für die Talentesichtung in Europa zuständig waren.
Globales Klub-Imperium - und auch ein neues Stadion?
Boehlys großes Ziel, so berichtet unter anderem der "Guardian", sei es, bei Chelsea ein globales Klub-Imperium aufzubauen, nach dem Vorbild der "City Football Group" des Rivalen aus Manchester: mit Klub-Filialen in Südamerika oder auch in Portugal, die dem Hauptsitz an der Stamford Bridge nach Möglichkeit gut entwickelte Talente zuliefern sollen. Auch der schon lange geplante Umbau des in die Jahre gekommenen Stadions soll laut englischen Medienberichten vorangetrieben werden, in der Diskussion soll auch ein komplett neues Stadion für 60.000 Zuschauer in Earl's Court sein.
Tuchel-Sprechchöre bei den Chelsea-Fans
Doch dies ist alles Zukunftsmusik, die Gegenwart sieht dafür umso trister aus. Coach Potter, der zuvor in Brighton mit vergleichsweise wenig Mitteln Erstaunliches aufgebaut hatte, hat bislang noch nicht den Beweis erbracht, dass er auch ein großes Team voranbringen kann. Beim Debakel gegen City musste sich der Coach Sprechchöre der eigenen Fans anhören, die sich Vorgänger Tuchel zurückwünschten. In den britischen Medien wird bereits darüber spekuliert, wie viel Geduld die Chefetage mit dem Coach haben wird.
Dabei ist es vor allem der Kader, der renovierungsbedürftig, zum Teil in die Jahre gekommen wirkt und nicht mehr den hohen Ansprüchen genügt. Vor allem in der Offensive, die auch der neu verpflichtete Raheem Sterling nicht beleben konnte. Pierre-Emerick Aubameyang gilt schon jetzt als nächste gescheiterte Sturmspitze, nach 110-Millionen-Mann Romelu Lukaku. Kai Havertz ist in der Liga bislang noch der treffsicherste Offensivmann bei den "Blues" - mit vier Treffern.
Chelsea-Coach Potter: "Der ganze Klub leidet"
Hinzu kommen die vielen Ausfälle und Fitnessprobleme wichtiger Spieler wie N‘Golo Kante, Reece James oder Ben Chilwell, deren Stablität und Wucht dem Team sichtlich fehlen. "Ich kann den Frust der Fans nachvollziehen", sagte Coach Potter nach der Pokal-Pleite. "Der ganze Klub leidet im Moment. Aber das ist unsere Situation, die wir jetzt annehmen müssen." Mit einem Sieg im Craven Cottage wären sie zumindest wieder auf Augenhöhe mit dem Nachbarn aus Fulham.