Chelseas Neuzugang Pedro Neto bei der Vorstellung an der Stamford Bridge

Vor Saisonstart in England 56 Spieler, acht Torhüter - Chelseas Transfer-Zirkus

Stand: 12.08.2024 16:22 Uhr

254 Millionen Pfund Transferausgaben, ein Kader von mehr als 50 Spielern, umstrittene Bilanzdeals - der FC Chelsea steht vor dem Beginn der neuen Saison einmal mehr für die finanziellen Auswüchse in der Premier League.

Während das Sportpublikum immer noch berauscht ist, von den gerade beendeten, spektakulären Olympischen Spielen in Paris, ist im europäischen Fußball längst der übliche Wahnsinn ausgebrochen: Der FC Chelsea gab die Verpflichtung von Pedro Neto bekannt. Der portugiesische Flügelstürmer, bei der EM zuletzt nur als Reservespieler im Einsatz, kommt für 54 Millionen Pfund aus Wolverhampton. Damit ist er der zweitteuerste Einkauf des bisherigen Transfersommers nach Dominic Solanke, der für geschätzte 65 Millionen von Bournemouth zu Ligakonkurrent Tottenham wechselt.

Bislang schon 254 Millionen Pfund für neue Spieler

Bei Chelsea ist Neto bereits der zwölfte Neuzugang des Sommers, bislang stehen die "Blues" bei Transferausgaben von 254 Millionen Pfund, wie die BBC errechnet hat. Das "Kaufhaus an der Themse" wird damit wohl auch das dritte Jahr in Folge mehr Geld ausgeben als die auch nicht gerade als sparsam bekannte Konkurrenz in der Premier League.

Zumal die sportliche Leitung Medienberichten zufolge weiterhin nach einem neuen Mittelstürmer sucht, die eigentlich geplante Verpflichtung von Atleticos Samu Omorodion soll vom Tisch sein. Für die Angreifer David Fofana und Romelu Lukaku, den einstigen 100-Millionen-Mann, hat Chelsea keine Verwendung mehr.

56 Spieler und acht Torhüter - Chelsea mit Monster-Kader

Das gilt auch für Torhüter Kepa Arrizabalaga. Der Keeper, der mal für die Weltrekordsumme von 80 Millionen Euro aus Bilbao kam, ist einer von acht Torhütern bei Chelsea, nachdem mit dem Dänen Filip Jorgensen ein weiterer verpflichtet wurde. Insgesamt hat Chelsea inklusive Leihspieler 56 Profis unter Vertrag, wie die BBC nun ermittelt hat. Ein Monster-Kader, der in den britischen Medien die Frage aufwirft, ob es sich womöglich um den größten handelt, den jemals ein Klub in der Premier League unterhalten hat.

Viel war geraunt worden, nachdem Chelsea 2022 vom US-Beteiligungsunternehmen Clearlake Capital übernommen worden war. Der neue Chelsea-Chef Todd Boehly gilt im US-Sport als überaus erfolgreicher Klubmanager, seinen Ruf erworben hat er sich mit als innovativ gerühmten Scoutingmodellen und Datenanalysen.

Chelsea-Besitzer Todd Boehly

1,5 Milliarden Pfund für neue Spieler, sportlich kaum Ertrag: Chelsea-Besitzer Todd Boehly

Verheerende Zwischenbilanz der neuen Klubführung unter Todd Boehly

Die Zwischenbilanz sieht nun wie folgt aus: in den zwei Jahren, seit die Amerikaner an der Stamford Bridge das Sagen haben, hat der Klub nach BBC-Angaben mehr als 1,5 Milliarden Pfund für neue Spieler ausgegeben. Darunter viele junge, entwicklungsfähige Spieler, die den Klub nach Möglichkeit entweder voranbringen - oder ihren künftigen Wiederverkaufswert steigern sollen.

Der sportliche Ertrag, der zumindest theoretisch die Rechtfertigung für derlei hohe Investitionen liefern sollte, fällt dabei allerdings bislang äußerst bescheiden aus: In der ersten Saison unter der neuen Klubführung landete Chelsea auf Platz zwölf - und damit erstmals nach fast 30 Jahren wieder in der unteren Tabellenhälfte.

In der vergangenen, ebenfalls verkorksten Saison retteten sich die "Blues" nur durch eine Aufholjagd in der Rückrunde auf Rang sechs - was ihnen noch einen Platz in den Playoffs zur UEFA Conference League einbrachte. Dort trifft Chelsea, 2021 noch Champions-League-Sieger, entweder auf Braga oder Servette Genf - die Klubs aus der dritten europäischen Garde.

Chelsea mit 650 Millionen Pfund Verlust

Finanziell bedeutet das schlechte Abschneiden für Chelsea ein weiteres Verlustgeschäft. Im vergangenen März meldete die Klubholding einen Nettoverlust von 650 Millionen Pfund. Demgegenüber veröffentlichte die Beraterfirma KPMG zuletzt in ihrem jährlichen "European elite club valuation report", dass der Wert des Londoner Klubs seit der US-Übernahme um 500 Millionen Pfund gestiegen sei. Wenig Grund zur Sorge also - zumindest nach Ansicht der Investmentbranche.

Umstrittener Hotel-Deal - Chelsea im Visier der Premier-League-Wächter

Nicht, dass der Eindruck einsteht, dass das Management bei Chelsea einfach nur das Geld vom offenbar gut gefüllten Wagniskapital-Konto raushaut: Im April hat der Klub tatsächlich auch mal den Verkauf eines größeren Postens aus dem Betriebsvermögen vermeldet. Dabei handelte es sich um den Hotelkomplex am Stadion, für rund 75 Millionen Pfund. Neuer Besitzer der Anlage ist allerdings nach Berichten englischer Wirtschaftsmedien eine Firma, die ebenfalls zum Chelsea-Mutterkonzern Blueco 22 gehört. Die Gesamtbilanz wurde demnach also nicht um einen einzigen Penny entlastet.

Der Deal stieß auch in der Liga auf reichlich Kritik. Gemäß dem neuem Finanz-Regelwerk der Premier League, den "Profitability and Sustainability Rules" (PSR) darf kein Klub über drei Jahre hochgerechnet mehr als 105 Millionen Pfund Verlust machen. Die notorischen Schuldenmacher aus Chelsea, so der Verdacht, wollten mit dem Hotel-Deal wohl in erster Linie ihre Bilanz aufhübschen, um einem Verstoß gegen die Finanzregeln zu entgehen.

Der Argwohn der Liga-Wächter, die zuletzt mehrere Klubs mit Strafen und Punktabzug belegt hatten, ist in jedem Fall geweckt. Dementsprechend wird auch erwartet, dass Chelsea den Kader bis zum Ende des Transfersommers noch ausdünnen wird, schon gezwungermaßen.

Nationalspieler Gallagher zum Verkauf

90 Millionen Pfund haben die "Blues" bereits durch Abgänge eingenommen. Der Verkauf von Nationalspieler und Klub-Eigengewächs Conor Gallagher soll weitere Millionen bringen. Gemäß den Liga-Statuten müssen die Klubs bis zum Ende des Transferfensters einen Kader von 25 Spielern melden, darunter acht in England ausgebildete Spieler. Darüber hinaus kann jeder Klub aber beliebig viele U21-Spieler registrieren und den Kader weiter aufstocken. Bei Chelsea dürfte es weiter viel Bewegung in der Kabine geben.