Benefizspiel gegen deutsche Nationalmannschaft Nationaltrainer Rebrow und die Ukraine - Fußball in Zeiten des Krieges
Wenn die Nationalmannschaft der Ukraine am Montag (12.06.2023, ab 18 Uhr im Live-Ticker) in einem Benefizspiel gegen Deutschland spielt, wird es um Fußball gehen und um den Krieg. Es ist kein einfacher Start für den neuen Nationaltrainer Serhij Rebrow.
Vor einem halben Leben, als die Welt von Serhij Rebrow eine andere war, ohne den Krieg in der Ukraine, ohne Leid, Angst, Tod, da ist er schon einmal in Bremen gewesen. Ende April 1997 spielte die Ukraine in der WM-Qualifikation gegen eine deutsche Nationalmannschaft, die von Berti Vogts trainiert wurde. Für die Oliver Bierhoff und Mario Basler die Tore erzielten, das waren Zeiten.
Rebrow war damals Anfang zwanzig, ein talentierter Angreifer von Dynamo Kiew, er spielte dort und in der Nationalmannschaft an der Seite von Andrej Schewtschenko. Schewtschenko entwickelte sich zu einem der besten Stürmer seiner Zeit, auch Rebrow machte Karriere. Später stand er bei Tottenham unter Vertrag, bei Fenerbahce und West Ham, am Ende seiner Karriere zog es ihn zurück in die Ukraine. Anderthalb Jahre spielte Rebrow auch in Russland, es waren andere Zeiten.
Und nun ist Rebrow also wieder in Bremen, er ist seit einigen Tagen Nationaltrainer der Ukraine, im Benefizländerspiel gegen Deutschland wird er zum ersten Mal für die Mannschaft verantwortlich sein. Es gibt leichtere Aufgaben.
Rebrows Plan: Fußball als Ablenkung von all dem Leid
Rebrow, 49, ist nun für die Nationalmannschaft eines Landes verantwortlich, dem es an talentierten Fußballern nicht fehlt. Aber der Fußball hat im Leben der Menschen in der Ukraine schon mal eine wichtigere Rolle gespielt, sie haben dort andere Probleme. Im August wird es anderthalb Jahre her sein, dass Russland einen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat.
Das Leben in der Heimat von Rebrow ist heute ein anderes als bei seinem ersten Besuch in Bremen, es geht oft auch um Leid, Angst, Tod, und nur sehr selten um Fußball. "Für mich besteht der Fußball aus Emotionen", sagt der Trainer Rebrow. "Genau die fehlen der Ukraine. Alle Blicke sind nur auf das Kriegsgeschehen gerichtet. Ich habe meinen Spielern gesagt, dass wir die Menschen mit Emotionen unterstützen müssen."
Wenn Fußball nur eine Nebensache ist - und manchmal doch hilft
Unterstützt hat der Fußball die Menschen in der Ukraine zuletzt schon manchmal, es ging dann selten um Emotionen und oft um finanzielle Hilfen. Als im Winter Mychailo Mudryk für die unglaubliche Summe von 100 Millionen Euro von Schachtar Donezk zum FC Chelsea wechselte, soll ein Teil der Summe an einen Fonds zur Unterstützung der Verteidiger der zerstörten Stadt Mariupol gegangen sein.
Und Oleksandr Sintschenko, ein Mittelfeldspieler vom FC Arsenal aus der Premier League, der begabteste Fußballer der aktuellen ukrainischen Mannschaft, war laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" kürzlich in der Ukraine, um den Wiederaufbau einer Schule zu organisieren, die von einer russischen Bombe getroffen worden war. Er plant nun ein Benefizspiel in London.
Tatsächlich wird in der Ukraine schon länger wieder Fußball gespielt, in der Premier Liga, der höchsten Liga, ist kürzlich Schachtar Meister geworden. Der Klub aus Donezk stellt die meisten Nationalspieler, aber er ist auch ein Klub ohne Heimat. In Donezk hat Schachtar schon viele Jahre nicht mehr gespielt. Und natürlich war diese Saison in Zeiten des Krieges ohnehin keine normale: Fans waren aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen, und wenn es Luftalarm gab, rannten die Fußballer im Trikot in den nächsten Schutzraum.
Auf Rebrow wartet eine schwere Aufgabe
Die Arbeit des Trainers Rebrow, der zuletzt bei Al-Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet hat, wird dadurch nicht leichter. Einst hat er Dynamo Kiew zweimal und Ferencváros Budapest gar dreimal zur Meisterschaft geführt, aber gerade sind die Ziele andere. "Für mich ist sehr wichtig, hier zu sein und zu zeigen, dass die Ukraine am Leben ist. Und dass wir Fußball spielen", sagt Rebrow.
Auf das Spiel gegen Deutschland folgen für die Ukraine zwei Spiele in der EM-Qualifikation, erst heißt der Gegner am Freitag (16.06.2023) Nordmazedonien, drei Tage später dann Malta. Rebrow kann dann womöglich wieder auf Spielmacher Sintschenko bauen, er wird gegen Deutschland sehr wahrscheinlich verletzt fehlen.
Es sind Spiele, die die Ukraine gewinnen müsste, um die Hoffnung auf eine EM-Teilnahme 2024 aufrechtzuerhalten. In der Gruppe C mit England und Italien ist das Land Vierter - ihr einziges Spiel hat die Ukraine in Großbritannien verloren. Rebrow sagt: "Glauben Sie mir: Wir werden alles geben und gucken, ob es am Ende reicht."