Gegen Bosnien-Herzegowina DFB-Team - mit Kleindienst und Gnabry in besonderem Stadion
Stadien wie in Zenica sind für Blamagen wie gemacht: klein, rustikal und laut. Dort kämpft Deutschland heute um Punkte in der Nations League - aller Voraussicht nach mit Tim Kleindienst und Serge Gnabry (Ab 20.45 Uhr live in der Radio-Reportage und im Ticker bei der Sportschau).
Gerade mal 13.632 Plätze hat dieses Mekka für Fußballromantiker und Groundhopper, es gibt keine Laufbahn rund um den Rasen, flache Tribünen, die das Spielfeld von den umliegenden Plattenbauten sehr gut einsehbar machen.
Im Alltag spielt hier NK Celik Zenica, jetzt am Freitag sollen hier feine Techniker wie Florian Wirtz, Serge Gnabry oder Deniz Undav dem Team von Julian Nagelsmann drei Punkte in Bosnien-Herzegowina bescheren. "Ich gehe davon aus, dass es da emotional wird im Stadion, dass die Heimfans Bosnien-Herzegowina extrem anfeuern und nach vorn puschen werden", sagte Nagelsmann.
Kimmich findet die Absagenflut "verrückt"
Dabei muss der Bundestrainer stark improvisieren, denn es hagelte Absage nach Absage: Torhüter Marc-André ter Stegen fehlt wegen seines Patellasehnenrisses im Knie noch monatelang, auch Niclas Füllkrug ist mit chronischen Achillessehnenproblemen länger absent.
Dann aber folgten noch die Selbstausladungen von Jamal Musiala, Kai Havertz, Robin Koch, David Raum und Benjamin Henrichs - ähnlich tröpfchenweise wie die Kaderbekanntgabe des DFB vor der Heim-EM. "Verrückt", sagte Kapitän Joshua Kimmich dazu.
Comeback von Gnabry
Doch all das muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Nagelsmann, der zwar nach eigenen Worten "so wenig Veränderung wie möglich" wollte, bekommt so die Chance, neue Gesichter und mögliche Alternativen für die WM in zwei Jahren kennenzulernen. Jamie Leweling, Tim Kleindienst und Jonathan Burkardt sind erstmals dabei, Kevin Schade und Serge Gnabry kehren zurück.
Der 45-malige Nationalspieler Gnabry feiert dabei nach fast einem Jahr mit vielen Verletzungen und der verpassten Heim-EM sein Länderspiel-Comeback. Die zahlreichen Ausfälle seien auch eine Chance für "einen Rückkehrer wie Serge, der wieder viele Minuten sammeln kann und auch seiner Verantwortungsrolle, die er einnehmen will, gerecht werden kann", sagte Nagelsmann. Ganbry kam zuletzt im November 2023 beim 0:2 in Österreich zum Einsatz. Er ist mit 22 Treffern der erfolgreichste Schütze im aktuellen DFB-Kader.
Rochade im Tor
Im Tor soll in Bosnien-Herzegowina Alexander Nübel eine Chance bekommen, drei Tage später gegen die Niederlande ist dann Oliver Baumann dran.
Geht es nach der Form in der Bundesliga, müsste im Sturm eigentlich Burkardt auflaufen dürfen, der zuletzt für seine Mainzer teilweise richtig sehenswerte Tore schoss oder in Uwe-Seeler-Manier mit dem Rücken zum Gehäuse köpfte. Doch alles sieht nach einem Debüt für Tim Kleindienst aus.
"Schönstes Telefonat meines Lebens"
Kleindienst litt zuletzt in Mönchengladbach unter den äußerst mangehaften Zulieferdiensten von den Flügeln und aus dem zentralen Mittelfeld, bei seiner einzigen Torchance in Ausgburg erzielte er aber dennoch das 1:2. Zur Sportschau sagte er anschließend: "Der Anruf vom Bundestrainer war das schönste Telefonat, das ich je geführt habe. Aber es fühlt sich immer noch irreal an, vor allem zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie damit gerechnet."
Denn vor Augsburg war er dreimal torlos geblieben, Burkardt hingegen kommt mit dem Rückenwind von vier Toren in zwei Spielen. Einer dieser Doppelpacks gelang ihm witzigerweise gegen Bosniens Torwart Nikola Vasilj, der sein Geld beim FC St. Pauli verdient und einer von etlichen Profis mit Deutschland-Erfahrung im Kader von Sergej Barbarez ist.
Kleindienst oder Burkardt in der Startelf
Die wahrscheinliche Aufstellung vor Keeper Nübel ist eine Viererkette mit Kapitän Joshua Kimmich rechts, Antonio Rüdiger und Jonathan Tah in der Innenverteidigung, und Maximilian Mittelstädt links. Auf der Sechs dürften wie gewohnt Pascal Groß und Robert Andrich spielen. Rückkehrer Gnabry wird auf dem rechten Flügel gebraucht.
Links könnte Florian Wirtz spielen, in der Mitte Undav als hängende Spitze. Das wiederum würde im Sturmzentrum eben das Debüt von Tim Kleindienst bedeuten. "Wahrscheinlich wird Tim vorne beginnen", sagte Nagelsmann in einem gemeinsan Interview von ARD und ZDF, verwies aber noch auf eine finale Sitzung mit seinem Trainerteam.
Der 1,93 Meter große Kleindienst soll der Zielspieler im Angriff sein. "Wir werden versuchen, ihm auch die Bälle zu präsentieren, dass er sofort dem Spiel den Stempel aufdrücken kann, weil er einfach auch sehr gut in der Luft ist", sagte Nagelsmann.
Sturm mit Demirovic und Altstar Dzeko
Bei den Bosniern wird vorne neben Altstar Edin Dzeko (38) der Stuttgarter Ermedin Demirovic spielen und versuchen, seinen Vereinskumpel Nübel zu ärgern.
Edin Dzeko im Kopfballduell mit dem Niederländer Virgil van Dijk
"Wir müssen ehrlich sein. Wir wissen, dass wir ganz klar der Underdog sind", sagte der Stürmer. Das Spiel zu gewinnen, so Demirovic, sei "sehr, sehr schwierig. Um nicht zu sagen, es ist unmöglich."
Viertelfinale in der eigenen Hand
Für die Bosnier wäre etwas Zählbares extrem wichtig, zum Auftakt hatten sie gegen Ungarn nur 0:0 gespielt. Deutschland schlug bislang die Ungarn 5:0 und holte in Amsterdam gegen die Niederlande ein 2:2. Das bedeutet: Mit zwei Siegen in den Oktober-Spielen hat das DFB-Team den Einzug in das neu eingeführte Viertelfinale im März selbst in der Hand.
Zeit, mit diesem aus DFB-Sicht bisher ziemlich ungeliebten UEFA-Wettbewerb Frieden zu schließen, wird es langsam: Bisher blamierte sich das Team bisher in unschöner Regelmäßigkeit, das Finalturnier der besten vier Nationen im Sommer durfte Deutschland bislang immer nur am Fernseher verfolgen.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Bosnien und Herzegowina: Vasilj/FC St. Pauli (28 Jahre/11 Länderspiele) - Barisic/FC Basel (23/6), Katic/FC Zürich (28/5), Bicakcic/Eintracht Braunschweig (34/38), Kolasinac/Atalanta Bergamo (31/58) - Burnic/Karlsruher SC (26/4) - Gazibegovic/Sturm Graz (24/19), Gigovic/Holstein Kiel (22/6) - Huseinbasic/1. FC Köln (23/4), Dzeko/Fenerbahce (38/136), Demirovic/VfB Stuttgart (26/28)
Deutschland: Nübel/VfB Stuttgart (28/0) - Kimmich/Bayern München (29/93), Rüdiger/Real Madrid (31/74), Tah/Bayer Leverkusen (28/31), Mittelstädt/VfB Stuttgart (27/8) - Groß/Borussia Dortmund (33/10), Andrich/Bayer Leverkusen (30/12) - Gnabry/Bayern München (29/45), Undav/VfB Stuttgart (28/4), Wirtz/Bayer Leverkusen (21/25) - Kleindienst/Borussia Mönchengladbach (29/0)