Marvin Ducksch im DFB Training

Neuling Ducksch beim DFB Freigeist mit Sinn für das Verrückte

Stand: 14.11.2023 19:00 Uhr

Als der Bundestrainer anrief, hielt er das zunächst für einen Streich: Marvin Ducksch ist neu in Deutschlands Nationalmannschaft. Er darf sich für ein EM-Ticket empfehlen – und hat dabei bessere Chancen als die anderen Neulinge.

Vor anderthalb Jahren, als Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch noch sehr weit von der Nationalmannschaft entfernt waren, als sie mit Werder Bremen in der 2. Fußball-Bundesliga spielten und der Aufstieg das Ziel war, da haben sie sich oft gut ergänzt. Sie sind aber auch einmal aneinandergeraten, das war kurz vor Ende der Saison, als Bremen gegen Erzgebirge Aue spielte.

Später erschien eine Doku von "DAZN", in der das gut zu sehen war. Wie Füllkrug keinen guten Tag hatte und Ducksch meckerte. Und wie Füllkrug dann sagte: "Wenn du noch einmal deine Fresse aufmachst, ich schwöre es dir, ich gebe dir eine Schelle." Dazu kam es nicht. Beide sprachen sich aus, und Werder gewann das Spiel noch. Eine Woche später stand der Aufstieg fest.

Heute ist die 2. Liga weit weg für Füllkrug und Ducksch, auch wenn sie sich am Dienstag (14.11.2023) noch einmal erinnert haben. Da saßen sie nun nebeneinander, links Füllkrug, als Nationalspieler längst etabliert, rechts Ducksch, gerade erstmals nominiert. Füllkrug sagte: "Reibung gehört zu einem Verhältnis, zu einer Beziehung."

Anruf des Bundestrainers - Ducksch hielt das für einen Scherz

Begonnen hatte das mit Ducksch und der Nationalmannschaft wenige Tage zuvor, als auf dem Telefon des Angreifers eine unbekannte Nummer aufleuchtete. Der Anrufer am anderen Ende der Leitung hatte gute Neuigkeiten für Ducksch. Dem kam die Stimme bekannt vor, aber misstrauisch war er schon. "Man hat sich schon gedacht, jetzt scherzt da irgendjemand", sagte Ducksch. Es hat sich aber niemand einen Scherz mit ihm erlaubt, der Anrufer war tatsächlich der Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Er hat Ducksch für die Länderspiele gegen die Türkei in Berlin (Samstag 20.45 Uhr, live im Audiostream) und gegen Österreich in Wien (21.11.2023, live im Audiostream) nominiert. Ein "Kindheitstraum" gehe in Erfüllung, sagte Ducksch: "Ich war sehr, sehr aufgeregt und sehr, sehr nervös. Das kenne ich eigentlich so gar nicht von mir."

Ducksch dachte ans Karriereende

Ducksch, 29, hat für Werder Bremen im Jahr 2023 vierzehn Tore in der Bundesliga erzielt, kein deutscher Profi hat in in diesem Zeitraum öfter getroffen. Er hat dann immer auf dieselbe Art und Weise gejubelt: Die Hände an den Ohren, die Finger abgespreizt, die Zunge weit ausgestreckt.

Der Jubel gehört zu Ducksch heute wie früher der Zweifel. Es hat in seiner Karriere auch Zeiten gegeben, in denen Ducksch wenig zu jubeln hatte. Und solche, in denen er gejubelt hat, aber kaum einer bekam es mit. Nur liegt das lange zurück. Ducksch ist beim BVB ausgebildet worden, sein Debüt in der Bundesliga machte er, da hieß der Trainer noch Jürgen Klopp. Es folgten Leihstationen, Verletzungen, nur der Durchbruch folgte nicht.

Thomas Tuchel schickte ihn sogar zurück in die 2. Mannschaft, Regionalliga West, das war in der Saison 2015/16. Ducksch erzielte 15 Tore, es sollte seine letzte Spielzeit in Dortmund werden. Er habe damals ans Aufhören gedacht, hat Ducksch kürzlich im Interview mit dem Sender "Sky" gesagt. "Das war eine sehr schwierige Zeit für mich."

Ducksch und Füllkrug - Wiedersehen der "hässlichen Vögel"

Über den FC St. Pauli, Holstein Kiel und Hannover 96 kam Ducksch 2021 nach Bremen, sein Partner im Angriff wurde Niclas Füllkrug, das passte. Sie legten sich die Tore auf und jubelten gemeinsam, Füllkrug und Ducksch, ein Strafraumstürmer und ein Freigeist. Irgendwann wurde Füllkrug gefragt, ob sie nicht langsam einen gemeinsamen Spitznamen bräuchten. Er überlegte, suchte nach Worten. Dann sagte er: "Die hässlichen Vögel."

Nun kommt es zum Wiedersehen. Füllkrug spielt nicht mehr für Werder Bremen, Tore schießt er nun beim BVB und in der Nationalmannschaft. Dort ist er als Mittelstürmer die Nummer eins, bei der EM im Sommer dürfte er beste Chancen auf einen Stammplatz haben. Der Bundestrainer Nagelsmann aber sucht noch einen Angreifer, einen, der Füllkrug im Laufe eines Länderspiels ersetzen oder neben ihm beginnen könnte.

Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch

Ducksch, sagte Nagelsmann kürzlich der ARD, kenne Füllkrug "sehr, sehr gut. Auch das ist sicherlich eine Komponente, die uns helfen kann." Für Ducksch spricht aber nicht nur die gemeinsame Bremer Vergangenheit mit Füllkrug, für ihn spricht auch die Formkurve. Bei den Länderspielen im Oktober hatte Nagelsmann noch Unions Kevin Behrens nominiert, aber der schießt gerade keine Tore mehr. Ducksch trifft ziemlich regelmäßig.

Ducksch über Ducksch: "Klassischer Bolzplatzspieler"

Und noch etwas schätzt Nagelsmann an Ducksch, er nennt das einen "guten Grad an Verrückheit". Es war natürlich ein Kompliment. Eine Mannschaft, so sieht der Bundestrainer das, brauche mitunter ein solches Element, gerade in engen Spielen. Ducksch sagt über sich, das Risikobehaftete gehöre zu seinem Spiel, er sei eben "ein Freigeist". So habe er das Fußballspielen gelernt, auf Asche, als nur der Gewinner auf dem Platz bleiben durfte und die Gegner oft älter waren und körperlich überlegen.

Ducksch, Blaswich, Prömel - über die unterschiedliche Perspektive dreier Neulinge

Neu im Kader der Nationalmannschaft ist aber nicht nur Ducksch, auch Torhüter Janis Blaswich und Mittelfeldspieler Grischa Prömel sind erstmals dabei, mit ihnen hatte man eher nicht gerechnet. Blaswich, 32, ist ein Spätstarter, in der Bundesliga spielte er vor knapp einem Jahr zum ersten Mal.

Eigentlich hatte RB Leipzig ihn als Ersatorhüter für Péter Gulácsi verpflichtet, aber der verletzte sich schwer und seitdem spielt Blaswich. Nun ist Gulácsi wieder fit, aber nicht mehr die Nummer eins. Die Nominierung von Blaswich ist eine Anerkennung dieser Entwicklung, und doch wäre es eine Überraschung, wenn er zu einem Einsatz käme. Wenn Blaswich sich gar ein EM-Ticket sichern könnte.

Das gilt auch für den Hoffenheimer Prömel, ihn hat der Bundestrainer für den verletzten Felix Nmecha nachnominiert. Prömel ist als zentraler Mittelfeldspieler kein Stratege wie Joshua Kimmich oder Ilkay Gündogan, er erinnert eher an Leon Goretzka. Prömel, 28, lebt von seiner Dynamik, of taucht er vor dem Tor des Gegners auf, manchmal trifft er auch.

Grischa Prömel

Nagelsmann und Prömel kennen sich schon länger, auch ihre Geschichte hat mit dem Handy begonnen. Als Prömel noch ein sehr junger Spieler war, hat ihm Nagelsmann mal eine Textnachricht geschickt, er wollte ihn in die Akademie der TSG Hoffenheim locken. Prömel landete tatsächlich in Sinsheim. Nun hat ihm Nagelsmann nicht geschrieben, er hat direkt angerufen. "Ich bin einfach unglaublich stolz", sagt Prömel. "Für mich geht ein Traum in Erfüllung."