Karriereende mit 45 Gigi Buffon - Superman fliegt nicht mehr
Sie nannten ihn Superman: Gianluigi Buffon war ein außergewöhnlicher Torhüter, einer der besten seiner Zeit. Nun hört er auf. Über eine ungewöhnliche Karriere, Titel und Skandale.
Ganz am Ende einer langen Reise, als Gianluigi Buffon nach 28 Jahren als Profi sein Karriereende verkündete, war da natürlich auch Pathos. Am Mittwoch (02.08.2023) hat Buffon ein Video in den sozialen Netzwerken gepostet, noch einmal fliegt er und pariert, lacht er und jubelt. Noch einmal ist er Superman, die Heldenfigur, mit der Fans ihn oft verglichen haben. Es ist eine Zeitreise durch drei Dekaden, und es ist auch ein Abschiedsvideo. Superman fliegt nicht mehr.
Buffon, 45, stand eigentlich noch bis 2024 beim AC Parma in der Serie B unter Vertrag, jenem Klub, bei dem seine Karriere begonnen hatte und zu dem er vor zwei Jahren zurückgekehrt war. Doch das Ende bestimmt einer wie Buffon dann schon selbst. Er schrieb: "Das war's, Leute! Ihr habt mir alles gegeben, ich habe euch alles gegeben. Wir haben es zusammen geschafft."
Und so endet sie also, die Karriere eines Torhüters, der erst keiner sein durfte, und dann viele Jahre doch einer der besten auf seiner Position war, eine Zeit lang vielleicht der beste. Buffon war keiner wie Manuel Neuer, am Ball kein Virtuose. Er war ein Torhüter alter Schule, seine größte Stärke waren die Reflexe. Mit ihnen brachte er gegnerische Fußballer zur Verzweiflung.
Buffons Geschichte erzählt von Titeln, aber auch von Tränen, Trauer, Trotz
Buffon hat für Parma gespielt, für Juventus Turin und Paris Saint-Germain. Er hat über 1.000 Pflichtspiele gemacht, mehr als 30 Titel gewonnen, alleine zehnmal die Meisterschaft. Nur die Champions League fehlt ihm: Dreimal stand er im Finale, er gewann nie. Buffon hat 176 Länderspiele für Italien absolviert, an fünf Weltmeisterschaften teilgenommen, einmal ist er Weltmeister geworden.
Gianluigi Buffon mit dem WM-Pokal
Aber die Geschichte des Torhüters Buffon ist keine, in der es nur um Titel ging. Sie erzählt auch von Skandalen, von Wetten und einem Abiturzeugnis ohne Abitur. Von einer Trikotnummer, die für einigen Ärger sorgte. Und von einem Weltstar, der in seiner Karriere zeitweise unter Panikattacken litt und unter einer Depression.
Mit Kameruns N'Kolo begann Buffons Torhüterwerdung
Im Sommer 1990, als in Italien die Weltmeisterschaft stattgefunden hat, war Buffon zwölf, er spielte schon Fußball, nur stand er nicht im Tor, er war Mittelfeldspieler. Jedenfalls sah er vor dem Fernseher zu, wie Kameruns Nationalmannschaft mit dem Torhüter Thomas N'Kolo die Fußballwelt überraschte. Seine Familie hat die Geschichte später oft erzählt: wie Buffon N'Kolo bewunderte. Wie er weinte, als Kamerun ausschied. Wie er dann lieber kein Mittelfeldspieler mehr sein wollte, sondern Torhüter.
Bei seinem Verein waren sie nicht begeistert, also wechselte Buffon, er wurde eben woanders Torhüter. Er wird das nicht bereut haben. Für Parma, zu diesem Zeitpunkt ein bedeutender Klub in Italien, debütierte er mit 17. Beim Gegner AC Mailand spielten Roberto Baggio, Paolo Maldini, George Weah, es waren die ganz großen Namen. Buffon aber hielt stark, er kassierte kein Gegentor. So hat es angefangen.
Gianluigi Buffon bei einem Serie-A-Spiel für Parma
Als Buffons Trikotnummer für Ärger sorgte
Später, als Buffon bereits Stammtorhüter bei Parma war und auch Nationaltorhüter, da ging es manchmal nicht nur um seine Paraden. Einmal wollte er gerne eine andere Trikotnummer und hatte sich für eine doppelte Null entschieden. Das, so sah Buffon das, sollte für zwei Eier stehen, für ein Zeichen besonderer Männlichkeit. Der Klub lehnte ab, aber Buffon hatte schon eine neue Idee: die Nummer 88, vier Eier.
Nur ist die doppelte Acht ein beliebtes Symbol der rechtsradikalen Szene, ein Chiffre für HH, für: Heil Hitler. Kam gar nicht gut an. Buffon gab an, nichts davon gewusst zu haben. Er sagte: "Wer ahnt denn, dass hinter dieser Zahl ein Tribut an Hitler steht? Das wissen doch wirklich nur Nazis."
Die Frage, ob er wirklich so unwissend war, ist anschließend viel diskutiert worden. Er selbst blieb bei seiner Darstellung, aber die Geschichte war nicht nur ein ziemliches Ärgernis, sie hat auch einen Schatten auf seine sportlichen Leistungen geworfen.
Aber so war das mit Gianluigi Buffon, er war nicht frei von Widersprüchen. Seinen Zivildienst hat er in einem Zentrum für Drogenabhängige geleistet, später hat er sich sozial engagiert, etwa bei einem Brunnenbauprojekt in Kamerun. Und nicht nur einmal schritt Buffon ein, wenn Italiens Fans bei Länderspielen während der Hymne den Gegner auspfiffen.
Buffon hatte ein Abiturzeugnis, aber kein Abitur
Vor einigen Jahren, als Buffon längst kein junger Torhüter mehr war und der Ärger um die Trikotnummer mehr als ein Jahrzehnt zurücklag, da hat er dem "SPIEGEL" ein Interview gegeben. Es waren nur wenige Wochen vergangen, seitdem Italien mit Buffon die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 verpasst hatte. Es wäre seine sechste WM gewesen, das hatte noch kein Fußballer geschafft. Doch daraus wurde nichts.
Also sprach Buffon über seine Enttäuschung, er sprach aber auch über Fehler und den Umgang mit ihnen. Denn Fehler hatte er gemacht. Einmal, es war noch im vergangenen Jahrtausend, hatte sich Buffon für ein Jura-Studium einschreiben wollen. Doch das Abiturzeugnis, das er vorlegte, war eine Fälschung. Er hatte die Schule offenbar vor der Hochschulreife verlassen.
Buffon sagte: "Wer Fehler macht, muss dafür bezahlen"
Und als Italiens Fußball im Jahr 2006 von einem Manipulationsskandal erschüttert wurde, wurde zunächst auch Buffon verdächtigt. Doch die Vorwürfe erhärteten sich nicht. Später hieß es, dass Buffon knapp 1,5 Millionen Euro bei Fußballwetten verloren hatte. Offenbar hatte er nur auf ausländische Ligen gewettet und das zu einer Zeit, als Fußballprofis das noch nicht verboten war. Er hat die Vorwürfe stets bestritten.
Als der "SPIEGEL" Buffon auf all das ansprach, auf das gefälschte Abiturzeugnis und auch auf die Wetten, sagte er: "Wer Fehler macht, muss dafür bezahlen."
Es ist die andere Seite eines Torhüters, den sie Superman nannten, der fast alles gewonnen und manchmal doch danebengegriffen hat. Man kann dem italienischen Fußball nur wünschen, dass Buffon aus seinen Fehlern gelernt hat. Dass auch seine Rolle im Manipulationsskandal vollständig aufgearbeitet worden ist.
Denn offenbar wird Buffon dem Fußball erhalten bleiben, das zumindest berichten italienische Medien. Demnach soll Buffon Delegationschef der Nationalmannschaft werden.