Ligue-1-Spiel in Marseille abgesagt "Ekel und Scham": Trainer Grosso bei Angriff auf Lyon-Bus verletzt
Bei einem Angriff am Sonntagabend (29.10.2023) auf den Mannschaftsbus von Olympique Lyon vor dem Auswärtsspiel bei Olympique Marseille ist Trainer Fabio Grosso am Kopf verletzt worden. Die Partie wurde abgesagt, die Ausschreitungen haben in Frankreich neun Monate vor den Olympischen Spielen in Paris eine Sicherheitsdebatte ausgelöst.
Die "L'Equipe" nahm das Foto des verletzten Grosso, mit einer klaffenden Wunde über dem linken Auge, am Montag (30.10.2023) groß auf die Titelseite. "Ekel und Scham" schrieb die französische Sportzeitung unter das Bild, und fasste damit die Stimmung nach den Vorkommnissen rund um das Spiel zwischen Olympique Marseille und Olympique Lyon zusammen.
Attacke auf Bus von Olympique Lyon - Partie in Marseille abgesagt
Die für Sonntagabend angesetzte Partie war abgesagt worden, nachdem Lyons Mannschaftsbus vor dem Auswärtsspiel in Marseille attackiert worden war. Dabei gingen vier Scheiben zu Bruch - wohl durch den Wurf von Bierdosen, wahrscheinlich auch Steinen. Der vorne im Bus sitzende Lyon-Coach Grosso wurde ebenso wie Assistent Raffaele Longo nach Klub-Angaben "ernsthaft verletzt". Als der Bus das Stade Vélodrome erreichte, war ein riesiges Loch auf der rechten Seite zu sehen.
Weil auch sechs Fanbusse angegriffen wurden und vergleichbare Vorfälle "jedes Jahr in Marseille passieren", wie Lyon in einer Mitteilung betonte, begann am Montag die Suche nach den Schuldigen. Olympique Lyon übte aber auch Kritik an Teilen der eigenen Fans. Der Klub verurteile das "inakzeptable rassistische Verhalten einzelner Personen auf dem Parkplatz", teilte Lyon weiter mit und kündigte an, nun Videos auszuwerten, um die Täter zu identifizieren und aus dem Stadion zu verbannen. Es müsse sich dringend etwas ändern, hieß es weiter, "bevor es zu einer noch größeren Tragödie kommt".
Immer wieder Gewalt in Frankreichs Fußball
Laut Innenminister Gérald Darmanin gab es bereits neun Festnahmen, noch mehr aber erhitzte die Frage nach den Sicherheitsmaßnahmen die Gemüter. Innenminister Gerald Darmanin betonte, für ihn liege angesichts von 500 eingesetzten Polizisten "kein Versagen" der Behörden vor. Derzeit gebe es "keine andere Sportart", die "einer solchen Gewalt ausgesetzt" sei.
Für Frankreich gilt das in der Tat. Erst Anfang Oktober war das Spiel zwischen Montpellier und Clermont abgebrochen worden, weil ein Böller in unmittelbarer Nähe des Gästetorhüters explodierte. Den Traditionsklub Girondins Bordeaux hatte eine Fan-Attacke auf einen gegnerischen Spieler inklusive Spielabbruch sogar den möglichen Aufstieg gekostet.
Im November 2021 konnte ein Duell zwischen Lyon und Marseille nicht gespielt werden, damals war das Spiel in Lyon abgebrochen worden, nachdem der damals für Marseille aktive Ex-Nationalspieler Dimitri Payet von einer vollen Wasserflasche am Kopf getroffen wurde. Lyon kassierte einen Punktabzug, das nachgeholte Spiel wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen.
Debatte um die Sicherheit, neun Monate vor Olympia in Paris
Verschärft wird die Sorge um die Sicherheit in Frankreich dadurch, dass Paris im Sommer Gastgeber der Olympischen Spiele ist. Das Innenministerium hatte schon vor der Bus-Attacke angekündigt, die Mittel für Olympia (26. Juli bis 11. August 2024) im Vergleich zur WM zu verzehnfachen.
Frankreichs Fußball muss sich nach der "dunklen Nacht in Marseille" (L'Equipe) erst einmal mit der Gegenwart beschäftigen. Die Ligue 1 ist zudem derzeit auf der Suche nach neuen Käufern für ihre Medienrechte, Bilder wie die des verletzten Lyon-Trainers Grosso kann die Liga nicht gebrauchen.
Der Italiener wurde nach der Attacke umgehend medizinisch behandelt und am Kopf bandagiert, er soll auch über Schwindelgefühle geklagt haben. "Er konnte kein Gespräch führen, er hatte Glasscherben im Gesicht", berichtete OL-Clubchef John Textor, "ich bin sehr wütend, unsere Spieler, unser Trainer haben sich auf heute Abend vorbereitet und die Fans wollten das Spiel sehen."
Lyon: "Waren bereit zu spielen"
Lyon habe nicht darum gebeten, das Spiel abzusagen, so Textor: "Wir waren bereit zu spielen. Die Entscheidung lag nicht bei uns, da es außerhalb des Stadions passierte. So sollte Fußball nicht gespielt werden. Wir unterstützen die Entscheidung des Schiedsrichters."
Pablo Longoria, der Präsident von Marseille sagte: "Was mit Fabio Grosso, dem Trainer von Olympique Lyon, passiert ist, muss verhindert werden, es ist völlig inakzeptabel. Das ist etwas, was jetzt im Fußball nicht mehr passieren darf."
Auch Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra hat die Vorfälle mit deutlichen Worten verurteilt. "Diese inakzeptablen Taten verleugnen die Werte des Fußballs und des Sports, und ihre Täter müssen alle gefunden und streng bestraft werden", schrieb Oudéa-Castéra bei X, vormals Twitter. Die Bilder seien empörend.
Der französische Fußballbund (FFF) verurteilte die Vorfälle am Montag "auf das Schärfste". Die Angriffe auf den Mannschaftsbus sowie auf Fanbusse seien inakzeptabel und verstießen gegen alle Werte des Fußballs. Die Strafanzeigen beider Clubs müssten es ermöglichen, die Täter zu identifizieren und zu bestrafen. Grosso, Longo und allen anderen Betroffenen sprach der FFF seine Unterstützung aus.