WM-Proteste nach "One Love"-Verbot Katars Sicherheitskräfte konfrontieren Journalisten
Folgenreiches "One Love"-Verbot: ZDF-Reporterin Claudia Neumann kommentierte im Regenbogenshirt, ein US-Journalist wurde wegen eines bunten Jerseys festgehalten, ein Däne muss die Armbinde ausziehen.
Der Weltfußballverband FIFA spricht durch das Verbot der "One Love"-Spielführerbinden bei der Fußball-WM ein Machtwort. Ein Ende der Debatte ist aber noch lange nicht in Sicht. Einige Journalistinnen und Journalisten setzten mit bunten Kleidungsstücken rund um die Montagsspiele (21.11.2022) ein Zeichen.
"Entfernen Sie das, bitte" - Polizei konfrontiert Journalisten
Der dänische Fernseh-Journalist von TV 2, Jon Pagh, hatte die Original-Kapitänsbinde Dänemarks um den Arm, als die katarische Polizei ihn ansprach. Eigentlich hätte Simon Kjaer am heutigen Dienstag, 22. November, beim Spiel gegen Tunesien die weiße Binde mit dem Regenbogen-Herz tragen sollen, doch wegen der drohenden Sanktionen der Fifa konnte der Verband die Binde entbehren und gab sie Pagh.
So machte sich der Journalist mit der Kapitänsbinde am Arm vor dem Hotel der dänischen Nationalmannschaft für eine Liveschalte bereit, als er von Polizisten angesprochen wurde. "Das ist nicht erlaubt", sagte der Polizist, wie man in einem Video hören kann, das Pagh auf Twitter veröffentlicht hat. "Entfernen Sie das, bitte", lautet die Aufforderung der Sicherheitskraft. Es folgte eine Diskussion, ob Pagh die Binde zumindest in die Kamera halten könnte, was ebenfalls verwehrt wird. Auf die Frage des Journalisten, warum das Tragen der Binde verboten sei und ob die Farben das Problem seien, bekommt er ein kurzes "Ja" als Antwort.
Angst vor Handgreiflichkeiten
"Ich hoffe wirklich, dass das niemand als Provokationsversuch auffasst", sagte Pagh später in einem Interview mit Tipsbladet. "Wir stehen mitten im Dunkeln, 30 Kilometer draußen in der Wüste. Ich hätte keine Sekunde gedacht, dass das ein Problem sein könnte. Für mich ist es keine Politik. Es sind Menschenrechte. Es ist ein Kleidungsstück, das ich trage und das ich in der westlichen Welt und nach allen Menschenrechten tragen darf", so Pagh.
Der Journalist erzählte, er habe daraufhin den Ort verlassen müssen - auch weil Pagh und seine Kollegen die Befürchtung hatten, die Situation könnte handgreiflich werden, berichtet Tipsbladet. "Mein erster Gedanke war, die Sitaution zu lösen, indem ich die Binde abnehme. Aber dann ging etwas durch mich hindurch, wo ich dachte 'Nein, verdammt, nein, ich nehme keine Kapitänsbinde ab, weil sie irgendwelche Steinzeitgesetze haben'".
US-Journalist wegen Regenbogenshirts festgehalten
Auch dem US-amerikanischen Journalisten Grant Wahl bescherte das Tragen eines Shirts mit Regenbogenfarben vor dem Spiel zwischen den Niederlanden und dem Senegal eine unangenehme Begegnung mit katarischen Sicherheitsbehörden.
Wahl twitterte den Vorfall zunächst und hielt seine Erlebnisse dann in einem längeren Internet-Artikel fest. Zunächst sei er aufgefordert worden, sein T-Shirt zu wechseln, da dieses im Stadion "nicht erlaubt" sei. Unmittelbar nach einem ersten Tweet sei ihm das Mobiltelefon entrissen worden.
30 Minuten in den Händen der Security
Rund eine halbe Stunde lang sei er festgehalten und immer wieder aufgefordert worden, sein T-Shirt auszuziehen. Andrew Das, ein befreundeter Reporter der "New York Times" sei zufällig vorbeigekommen und ebenfalls kurzzeitig festgesetzt worden.
Fadenscheinige Entschuldigung
Als beide später wieder gehen durften, habe man sich bei ihm entschuldigt, berichtete Wahl. Auch eine FIFA-Entschuldigung sei noch gefolgt. Die Erklärung der Sicherheitsleute war allerdings ernüchternd: Man habe ihn festgehalten, um ihn vor Fans zu schützen, die ihn wegen des Shirts angreifen könnten.
Wahls Schlussgedanke: "Wie ist es für einen normalen Katarer, der vielleicht ein Regenbogenshirt trägt, wenn die Welt nicht hinschaut? Wie wird das sein?"
ZDF-Reporterin: "Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen"
Claudia Neumann, die im ZDF das Vorrundenspiel zwischen den USA und Wales kommentierte, saß mit Regenbogenshirt und passender Armbinde auf ihrem Reporterplatz. "Ich möchte damit ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen", sagte sie noch während des Spiels.
Alex Scott, Expertin für die britische BBC, trug am Rande des Spiels zwischen England und Iran die viel diskutierte "One Love"-Armbinde am Spielfeldrand. Zahlreiche europäische Topteams, darunter Deutschland, hatten angekündigt, mit dieser Spielführerbinde auflaufen zu wollen, um ein Zeichen für Toleranz zu setzen. Die FIFA hatte unter Androhung von Strafen am Vormittag das Tragen allerdings verboten.