Das 1:1 von Japan gegen Deutschland

FIFA WM 2022 Die Null steht bei Deutschland nie

Stand: 25.11.2022 19:27 Uhr

Seit der EM 2016 hat die DFB-Elf bei Turnierspielen immer mindestens ein Tor kassiert. Vor dem WM-Duell gegen Spanien keimt eine alte Diskussion neu auf: Soll Joshua Kimmich wie einst Philipp Lahm in die Verteidigung zurück?

Bei der deutschen Nationalmannschaft haben sich Gewohnheiten eingeschlichen, auf die sie gerne verzichten würde. Das 1:2 gegen Japan bedeutete die dritte Auftaktniederlage bei einem großen Turnier hintereinander.

Seit 2016 kein DFB-Turnierspiel mehr zu Null

Titel, das hatte Berti Vogts schon vor Jahrzehnten von den Amerikanern übernommen, werden in der Defensive gewonnen. Daher ist es für Bundestrainer Hansi Flick, der in Katar Weltmeister werden will, noch beängstigender, dass die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) seit nun zehn Spielen bei großen Turnieren stets mindestens ein Tor kassiert hat. Letztmals durfte sich Manuel Neuer im Achtelfinale der Europameisterschaft 2016 darüber freuen, zu Null gespielt zu haben. Damals wurde die Slowakei mit 3:0 besiegt. Seitdem kassierte er in den besagten zehn Spielen 16 Tore.

Deutschlands WM/EM-Bilanz seit 2016
Turniere Gruppenphase Achtelfinale Viertelfinale Halbfinale
EM 2016 Ukraine 2:0 Slowakei 3:0 Italien 6:5 (1:1) n.E. Frankreich 0:2
Polen 0:0
Nordirland 1:0
WM 2018 Mexiko 0:1
Schweden 2:1
Südkorea 0:2
EM 2021 Frankreich 0:1 England 0:2
Portugal 4:2
Ungarn 2:2
WM 2022 Japan 1:2

Einer geht immer rein

Seitdem kassierte er in den besagten zehn Spielen 16 Tore. Auch in den sechs Spielen der Nations League 2022 gelang den Gegnern jedes Mal mindestens ein Tor. Drei der Gegentreffer bei Turnieren resultierten aus Kontern, drei aus Eck- und Freistößen, unter anderem das Siegtor Japans durch Takuma Asano. Dazu kommen zwei Elfmeter.

Simple Pässe überfordern das DFB-Team

Ob Konter oder langsamerer Angriff - die deutsche Mannschaft zeigte sich bei den vergangenen Turnieren vor allem gegen Pässe anfällig. Annähernd zwei Drittel der Tore erzielten die Gegner nach Pässen, in der Bundesliga sind es laut Statistikdienstleister Sportec Solutions nur knapp mehr als die Hälfte der Treffer, die auf diese Weise fallen.

Die Menge an Länderspielen der deutschen Mannschaft ist zwar deutlich geringer als die von Bundesligaspielen. Aber die Differenz ist ein Indiz für Probleme, die für Auswahlmannschaften immanent sind. Sie haben weniger Zeit, um zu trainieren, und sie sind auch wegen personeller Wechsel seltener eingespielt. Das trifft vor allem auf die DFB-Auswahl zu. 

Wechselnde Formationen

Es gab in all den besagten Spielen seit dem Achtelfinale bei der EM 2016 viele verschiedene Formationen, sowohl vom System als auch vom Personal her. Eine Formation der Abwehr mit der Aussicht auf nachhaltigen Erfolg wurde nie gefunden. Einzig Antonio Rüdiger hat aktuell seinen Platz in der Startelf ohne jegliche Diskussion sicher.

Um den Profi von Real Madrid herum ist die Besetzung offen. Niklas Süle war als Rechtsverteidiger bei beiden japanischen Toren in der Mitschuld, seinem Dortmunder Vereinskollegen Nico Schlotterbeck ist hauptsächlich das 1:2 anzukreiden. Linksverteidiger David Raum hat Schwächen in der Defensive, aber auch Freiburgs Christian Günter gilt als nur minimal stabiler. Thilo Kehrer, unter Flick schon häufig als Linksverteidiger eingesetzt, wäre eine weitere Option.

Flick schließt Dreierkette aus

Flick schloss am Tag nach der Niederlage gegen Japan aus, am Sonntag (27.11.2022) in der enorm wichtigen Partie gegen Spanien auf eine Dreierkette zu wechseln. "So weit sind wir noch nicht, dass wir das System umstellen", sagte der Bundestrainer.

Bayernprofi Kimmich eine Option als Rechtsverteidiger?

Bei den Spekulationen, wie die Viererkette gegen Spanien gebildet werden soll, keimt allerdings eine Diskussion auf, die auch zu einer Gewohnheit geworden ist. Es geht um Joshua Kimmich, der gegen Japan im zentralen Mittelfeld spielte, das aber mit einer durchschnittlichen Leistung. Bei den Experten der Sportschau gehen die Meinungen auseinander, ob der Münchner auf der "Sechs" bleiben oder ans rechte Ende der Abwehrkette rücken soll.

Pro und Contra Kimmich in der Viererkette

Almuth Schult plädiert dafür, Kimmich in der Mitte zu belassen: "Grundsätzlich ist die Idee von Hansi Flick, ihn im Zentrum zu belassen. Das wäre jetzt auch wieder nur eine Notlösung. Ich würde versuchen, mit den Abwehrspielern, die wir haben, die Defensive zu stabilisieren."

Joschua Kimmich im Spiel gegen Japan

Joshua Kimmich

Sami Khedira schließt sich an: "Für mich ist Kimmich keine Option für die Rechtsverteidigerposition." Stattdessen solle dort Kehrer spielen, sagte der Weltmeister von 2014, der zudem die Umstellung auf eine Dreierkette erwägt, mit Jonas Hofmann oder Serge Gnabry als "Schienenspieler" im rechten Mittelfeld.

Hitzlsperger würde Kimmich in der Abwehrreihe aufstellen

Thomas Hitzlsperger ist hingegen der Meinung, dass es eine "gute Überlegung" sei, Kimmich in die letzte Kette zurückzuziehen. Allerdings hat der Experte dabei vor allem die Tatsache im Blick, dass die deutsche Mannschaft nur bei einem Sieg realistische Chancen hat, das Achtelfinale zu erreichen. Kimmich habe Erfahrung im Verteidigen, aber eben auch "einen Vorwärtsdrang". Im Mittelfeld würde eine Umstellung zudem keine Lücke reißen. Da gebe es ein "Überangebot".

Kimmich wie Lahm? Systemumstellung hat 2014 geklappt

Sportschau-Experte Bastian Schweinsteiger erinnert an einen erfolgreichen Positionswechsel bei der WM 2014. "Die Umstellung hat uns gerade im Viertelfinale gegen Frankreich sehr gut getan", sprach er die Versetzung von Philipp Lahm aus dem zentralen Mittelfeld nach rechts hinten an. Es war allerdings ein erzwungener Zug. Rechtsverteidiger Shkodran Mustafi musste im Achtelfinale gegen Algerien verletzt ausgewechselt werden. In den drei folgenden Partien kassierte Deutschland noch einen Treffer - von Brasilien. Es war das 1:7 in der 90. Minute.