FIFA WM 2022 Theo Hernández - Frankreichs Akrobat auf familiärer Mission
Theo Hernández war im Halbfinale mit seinem spektakulären Tor einer der französischen Helden. Der Linksverteidiger hat im Laufe des Turniers eine wichtige Rolle eingenommen - auch für seinen Bruder Lucas.
Es ist nicht neu im Fußball, dass ein Spieler die sich im überraschend gebotene Chance nutzt, weil sich sein Kontrahent verletzt hat. Gerade mit Blick auf Finalteilnehmer Frankreich, bei dem viele Profis davon profitierten, dass eine Reihe von Stars wie Karim Benzema, Paul Pogba oder N'Golo Kanté vor der WM ausgefallen sind, wird klar, dass es ganz und gar nichts Untypisches bei einem großen Turnier ist.
Vom Unglück des Bruders profitiert
Im Falle von Theo Hernández ist das jedoch anders. Der Linksverteidiger hat mit 437 von 540 möglichen Minuten die viertmeiste Einsatzzeit aller Feldspieler der Franzosen, spielt nicht nur wegen seiner drei Torbeteiligungen ein starkes Turnier. Das alles wäre aber wohl nicht passiert, wenn sich sein Bruder, Lucas Hernández, nicht schon nach wenigen Minuten im ersten Gruppenspiel verletzt hätte.
Für den Titelverteidiger hatte das Turnier denkbar schlecht begonnen. Craig Goodwin brachte Australien in der neunten Minute überraschend in Führung und bei einer missglückten Abwehraktion während der Entstehung des Treffers verdrehte sich Lucas Hernández so unglücklich das Knie, dass er sich einen Kreuzbandriss zuzog. Das Aus im Spiel, im Turnier und für die Rückrunde bei seinem Klub FC Bayern München. Aber auch die Chance für seinen Bruder Theo, der plötzlich aus dem Schatten seines Bruders rücken durfte.
Lucas Hernández im Spiel gegen Australien
Topspieler beim AC Mailand
Lucas war schon 2018 beim französischen WM-Titel Stammspieler auf der linken Abwehrseite, feierte als solcher große Erfolge im Vereinsfußball mit Atletico Madrid und dem FC Bayern. Theo Hernández, rund 20 Monate jünger als sein Bruder, ist dagegen erst seit Herbst 2021 Nationalspieler und spielte bei seinen Titeln mit Real Madrid keine Rolle. Doch er macht sich nicht nur wegen der starken Leistungen bei der WM auf, die Nummer eins der Familie Hernández zu werden.
Beim AC Mailand brilliert der 25-Jährige schon seit geraumer Zeit. Er war eine der prägenden Figuren beim Gewinn des Meistertitels in der vergangenen Saison, machte auch schon in den beiden Spielzeiten zuvor enorm auf sich aufmerksam. Hernández war jeweils an mehr als zehn Treffern beteiligt und schoss mindestens fünf Tore selbst - für einen Linksverteidiger eine außergewöhnliche Bilanz. Zudem ist Theo im Gegensatz zum häufiger geplagten Lucas Hernández nie ernsthaft verletzt, fehlt - wenn überhaupt - mal wegen Sperren oder einer Erkältung. Ansonsten spielt er bei Milan immer.
Ein Tor, das nur besondere Spieler machen können
Und aktuell auch bei Frankreich - und das zahlt sich aus. Beim 2:0-Sieg im Halbfinale gegen Marokko überwand er mit seinem akrobatischen Volleyschuss die zuvor im Turnier kaum zu bezwingende gegnerische Defensive schon in der fünften Minute und öffnete seinem Team das Tor zum Finale. "Ich bin stolz darauf, dass wir gewonnen haben und es ist für mich ein sehr stolzer Moment, das Tor erzielt zu haben", sagte Hernández.
Theo Hernández trifft artistisch gegen Marokko
Es war auch ein Moment, der die Besonderheiten seines Spiels zeigte. "Niemand kann das machen, was Theo macht. Er ist unglaublich", sagte Paolo Maldini, sein Sportdirektor bei Milan, vor dem WM-Turnier über Hernández. "Er ist ein ganz besonderer Außenverteidiger, niemand sonst hat diese Abschlussfähigkeit und hilft auf dem ganzen Platz. Seine Sprints haben etwas Unglaubliches, viele seiner Abschlüsse und Vorlagen kommen, nachdem er 70 Meter mit dem Ball gelaufen ist."
Der Bruder spielt immer mit
Und das kommt auch Frankreich zugute. Hernández hat die Kraft, den großen Raum hinter dem wenig verteidigenden Kylian Mbappé zu verteidigen, kann den Superstar gleichzeitig aber auch immer wieder unterstützen. Das Gesamtpaket macht ihn in diesem Turnier so wertvoll.
Doch es geht ihm nicht nur darum, selbst zu glänzen. Theo ist mit den Gedanken stets auch bei seinem verletzten Bruder. "Ich widme Lucas das Tor, er hat es sich in München angesehen. Ich denke an ihn und er hat mich auch direkt nach dem Spiel angerufen. Ich hoffe, dass er beim Finale hier sein wird", sagte Hernández. Wenn auch nur als Zuschauer. Die Arbeit auf dem Platz übernimmt dann wieder Theo - in familiärer Mission. "Ich spiele sowohl für mich selbst als auch für Lucas. Es ist wirklich hart für ihn, seine Verletzung ist sehr schwer. Ich möchte für meinen Bruder gewinnen, wir sprechen jeden Tag, seitdem er weg ist."
Lucas und Theo Hernández
Das Finale zwischen Argentinien und Frankreich am Sonntag live bei der Sportschau
Livestream ab 15 Uhr
Live-Ticker ab 15.30 Uhr
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