FIFA WM 2022 Die eigene Realität von Katar und FIFA
Ausverkaufte Stadien, keine politischen Statements und eine perfekte Fußball-Welt: Das ist das Bild, das Gastgeber Katar und die FIFA in die Welt schicken. Das lässt sich aber leicht widerlegen.
Auch wenn die Weltmeisterschaft in Katar erst wenige Tage alt ist, arm an Kontroversen ist sie nicht. Für weitere Verwirrung sorgten bereits in den ersten Spielen die Zuschauerzahlen. So wurden beim Eröffnungsspiel des Gastgebers Katar gegen Ecuador 67.372 Zuschauer gemeldet - obwohl das Al-Bayt-Stadion offiziell nur 60.000 fasst.
Auch das Spiel des Senegals gegen die Niederlande sahen offiziell mehr Menschen vor Ort als die angegebene Stadionkapazität eigentlich zulässt: 41.721 statt 40.000. Übervoll waren die Stadien allerdings nicht. In bislang jedem Spiel blieb eine Vielzahl von Plätzen erkennbar leer.
FIFA passt offizielle Stadion-Kapazität an
Nun musste der Weltverband reagieren und hat die offiziellen Kapazitäten nach oben angepasst - bei den meisten Stadien um etwa zehn Prozent, teilweise sogar mehr. Insgesamt gibt es offiziell 46.231 Plätze mehr - so viele wie in einem kompletten Stadion. Klar ist jetzt zum einen: Von den ersten WM-Spielen war keines ausverkauft.
Darüber hinaus scheint auch die neue Auslastung der Stadien nicht ganz den angegebenen Zuschauerzahlen zu entsprechen. Gastgeber Katar und Veranstalter FIFA halten hier die Informationshoheit: Nur sie wissen, wie viele Tickets verkauft wurden und wie viele Zuschauer dann tatsächlich im Stadion sind. Dass sie die Zahlen so veröffentlichen, damit die Weltmeisterschaft wie ein gutbesuchtes Fußball-Fest wirkt, liegt zumindest nahe.
Dank Weltbild ein Stück weit Kontrolle
Auch die Tatsache, dass beim Eröffnungsspiel viele katarische Zuschauer das Stadion vorzeitig verließen, dürfte den Verantwortlichen kaum gefallen haben. Im Fernsehbild war davon allerdings nichts zu sehen. Das wird vor Ort von der Schweizer Produktionsfirma HBS produziert - im Auftrag und unter der FIFA. Sender, die die Spiele übertragen, greifen darauf zurück.
Das Bild, das die FIFA in die Welt rausschicken will, ist im Grunde leicht zu widerlegen. Im Falle des vorzeitigen Abgangs der Fans kamen die Informationen von Kommentatoren, Fotografen oder Fans vor Ort und wurden mithilfe des Internets rasch verbreitet. Die FIFA hat hier zwar kein Informationsmonopol. Doch die Macht der (bewegten) Bilder ist nicht zu unterschätzen.
Proteste unerwünscht
Der FIFA sind dabei nicht nur leere Zuschauerränge ein Dorn im Auge, sondern auch politische Botschaften, die das Heile-Welt-Bild trüben könnten. Beim Spiel gegen England planten iranische Fans in der 22. Minute Proteste gegen das Regime. Zeigen durfte die zuständige Produktionsfirma nach Informationen der Sportschau diese Bilder allerdings nicht. Auch die von einigen Fans hochgehaltenen Protestschilder mit der Aufschrift "Frau, Leben, Freiheit" waren im Weltbild der FIFA nicht zu sehen.