FIFA WM 2022 Von Klinsmann bis Völler - die Reaktionen der "Ex" zum WM-Aus
Jürgen Klinsmann erwartet nach der WM-Blamage des DFB-Teams einen "Hurrikan" in den Medien. Michael Ballack und Dietmar Hamann fordern vor der Heim-EM einen Neuanfang.
Tiefe Enttäuschung, geharnischte Kritik und ein bisschen Spott. Die Reaktionen ehemaliger Fußball-Nationalspieler auf das erneute frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei einem großen Turnier fallen natürlich deutlich kritischer aus als die der Akteure selbst, sind aber vor allem von der Forderung nach personellen Konsequenzen und der Sorge um die DFB-Auswahl vor der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land geprägt.
Klinsmann erwartet einen "Hurrikan" in den Medien
"Deutschland hat jetzt anderthalb Jahre Zeit, um sich auf die EM vorzubereiten. Das kann eine gute Sache sein, es kann helfen, den Fokus neu auszurichten", schrieb Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann in seiner Kolumne für die britische BBC. Das Weiterkommen habe das DFB-Team schlicht nicht verdient, es sei "in allen drei Gruppenspielen zu unbeständig" gewesen und habe im Angriff die notwendige Effizienz vermissen lassen.
Jürgen Klinsmann: DFB-Team hatte das Weiterkommen nicht verdient.
Die Heim-EM 2024 könnte bei einem neuen Anlauf helfen, meinte der Weltmeister von 1990. Aber zunächst werde es sehr ungemütlich beim DFB, "es wird alles hinterfragt, von einem Ende zum anderen, während ein Hurrikan von den deutschen Medien aufzieht. Die nächsten Tage werden sehr, sehr rau und schwierig."
Ballack würde jeden Stein umdrehen
Michael Ballack, ehemaliger Kapitän der Nationalmannschaft, forderte ebenfalls eine schonungslose Aufarbeitung des Debakels. "Es gehört beim DFB dazu, dass jede Position hinterfragt wird. Da gehört auch der Trainer dazu - alle", sagte Ballack bei "MagentaTV". Es gehe jetzt darum, "jeden Stein umzudrehen". Bundestrainer Hansi Flick und Geschäftsführer Oliver Bierhoff hatten nach dem Ausscheiden einen Rücktritt ausgeschlossen. Für Ballack eine zu schnelle Entscheidung. "Man darf nicht den gleichen Fehler wie 2018 machen, als der Präsident sich kurz nach dem Ausscheiden hinstellt und sagt: Der DFB und sein Trainerteam analysieren das jetzt und dann macht Jogi weiter", meinte der Vize-Weltmeister von 2002.
Hamann fordert Neuanfang - ohne Flick
Einen Neuanfang fordert auch Dietmar Hamann mit Blick auf die anstehende Europameisterschaft in Deutschland: "Das war jämmerlich. Es ist Zeit, jetzt mal einen Cut zu machen", sagte der "Sky"-Experte und Vize-Weltmeister von 2002. "In den 18 Monaten müssen wir schauen, dass wir die Fans wieder hinter die Mannschaft bekommen. Für mich ist es ausgeschlossen, dass wir in dieser Konstellation weitermachen." Bundestrainer Flick habe es nicht geschafft, harte Entscheidungen zu treffen und eine Mannschaft zu formen. Er müsse deshalb Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Das frühe Scheitern sei das "Ende einer großen Fußball-Nation".
Schweinsteiger vermisst das "Brennen"
Bastian Schweinsteiger hatte als Sportschau-Experte direkt nach dem Abpfiff gesagt, dass er "echt enttäuscht und schockiert" sei über das Spiel gegen Costa Rica. "Wenn man führt, darf man dem Gegner nicht immer diesen Glauben geben, dass er zurückkommen kann. Das hatten wir früher so nicht. Mir fehlt in den entscheidenden Momenten das Brennen der Spieler, dass sie richtig hingehen, in der Defensive voll konzentriert sind und nicht nur zuschauen", kritisierte der emotionale Anführer der Weltmeister-Mannschaft von 2014.
Gary Lineker spottet - und lacht sich kaputt
Einer, der an Deutschlands früherer Übermacht regelmäßig verzweifelte, hatte dieses Mal nur Spott übrig: "Fußball ist ein einfaches Spiel. 22 Männer jagen 90 Minuten einen Ball und am Ende gewinnen immer die Deutschen - wenn sie es durch die Gruppenphase schaffen", schrieb der ehemalige englische Nationalspieler Gary Lineker in Abwandlung seines berühmten Spruchs auf Twitter und postete dazu ein Video, auf dem er selbst und die beiden Ex-Profis Micah Richards und Alan Shearer in brüllendes Gelächter ausbrechen.
Völler fehlt die "letzte Gier"
Der ehemalige DFB-Teamchef Rudi Völler beklagte das Fehlen deutscher Tugenden im Flick-Team. "Man hatte das Gefühl, dass die letzte Gier fehlt. Der letzte Wille, vorne das Tor erzielen und hinten das Tor verteidigen zu wollen", sagte der Weltmeister von 1990 dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Völler hatte die DFB-Elf vor 20 Jahren zur Vize-Weltmeisterschaft geführt.
Für die kommenden Jahre sieht er genug Potenzial, um wieder wieder einen erfolgreichen Weg einzuschlagen. "Bei den Belgiern hat man wirklich das Gefühl, dass eine goldene Generation zu Ende geht. Wir aber haben Spieler wie Jamal Musiala, Florian Wirtz, Kai Havertz und Leroy Sané, nach denen sich andere Nationen die Finger lecken würden. Dazu Joshua Kimmich, der auch erst 27 ist. Das sind wunderbare Spieler, hier ist Qualität genug vorhanden."
Klinsmann schwärmt von "Wunderkind Musiala"
Auch Klinsmann versuchte, trotz der Blamage positive Ansätze herauszustellen. Das DFB-Team könne Trost in der Tatsache finden, "dass sie das Wunderkind Jamal Musiala haben. Er ist ein außergewöhnlicher Spieler." Allerdings sei es nicht fair gewesen, dass der 19 Jahre alte Profi von Bayern München bei der WM "die Erfahrung machen musste, dass fast das gesamte Team auf ihn angewiesen war", erklärte Klinsmann. Es gebe noch andere Talente in der Mannschaft, "die noch nicht in den höchsten Gang geschaltet haben. Also kommen sie hoffentlich stärker zurück."
Bonhof: "Hansi macht tollen Job"
Klar pro Flick positionierte sich Rainer Bonhof, Weltmeister von 1974: "Das ist doch wahnsinnig darüber nachzudenken", sagte er über Forderungen nach dem Rücktritt des Bundestrainers. "Hansi macht einen tollen Job. Und es geht auch nicht darum, wer es stattdessen macht, es geht darum, dass Flick gut ist." Man müsse anerkennen, dass die sogenannten Kleinen nicht mehr klein sind, sagte der 70-Jährige. Das hohe Anspruchsdenken in Deutschland sei verständlich, in der Ausbildung müsse vielleicht aber auch an der Willensschulung und am Gemeinschaftssinn gearbeitet werden.