Australien-Star Kerr Unglaubliche vier Wochen - "Wir haben das ganze Land vereint"
Für Superstar Sam Kerr begann die Heim-WM mit einer Hiobsbotschaft. Enden sollen die Titelkämpfe mit einer Medaille. Mit der ersten Medaille Australiens in einem ganz großen Turnier. Für Kerr wäre es der perfekte Abschluss einer langen WM-Karriere.
Als sie an der Tür steht, klickt es drei, vielleicht vier Mal. Ein paar Fotos, mehr nicht. Während ihr Trainer, Tony Gustavsson, gewohnt lächelnd, fast euphorisch die letzten Schritte zum Rednerpult geht, wirkt Sam Kerr nicht ganz so begeistert.
Ist der Hype vorbei?
Der ganz große Hype ist offenbar vorbei. Alleine die äußeren Bedingungen in Brisbane lassen einen Tag vor dem Spiel um Platz drei zwischen Schweden und Australien Samstag (19.08.2023, 10 Uhr, im Livestream und live in der ARD) ein wenig darauf schließen. Der Presseraum ist nur etwa ein Drittel so groß wie der in Sydney vor dem Halbfinale. Es sind auch nur noch zehn Kameras aufgebaut (statt knapp 30), um darüber zu berichten, was Gustavsson und vor allem Kerr zu sagen haben. Einige Stühle sind sogar leer geblieben.
Doch je länger das Frage-Antwortspiel zwischen dem Superstar und den Journalisten dauert, umso besser wird die Laune von Kerr. Am Ende lacht sie sogar mehrfach, unter anderem, als ihr Trainer die Fragen der schwedischen Kollegen in seiner Muttersprache Schwedisch ausführlich beantwortet und sie einfach nur Bahnhof versteht.
Kerr: Kein Vergleich mit Freeman
Sam Kerr ist das Gesicht des australischen Frauenfußballs und das schon seit vielen Jahren. Ihr Markenzeichen sind spektakuläre Tore, die sie dann auch hin und wieder mit einem Rückwärtssalto feiert. Genauso eines ist ihr im Halbfinale gegen die Engländerinnen gelungen, zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich. Ein Treffer für die Ewigkeit, so stand es zu lesen in den hiesigen Zeitungen. "Zu diesem Schuss habe ich mich instinktiv entschieden", sagt sie rückblickend, planbar sei das nicht. Auch kein Vergleich mit dem Moment, als Cathy Freeman vor 23 Jahren die Goldmedaille über 400 Meter gewann, bei den Olympischen Spielen. "Ich persönlich würde so etwas nie vergleichen, das müssen andere tun." Sam Kerr bleibt ganz gelassen.
"Haben mit dem Fußball das Land vereint"
Doch auch diese Superlative in Zusammenhang mit ihrer Person tragen dazu bei, dass die Pressekonferenz letztlich über eine halbe Stunde dauert, was für das Turnier recht ungewöhnlich ist. Kerr hat allerdings auch viel zu sagen. Unglaubliche vier Wochen sind das gewesen, und niemand, wirklich niemand hätte es sich jemals träumen lassen, wie sie und ihre Mannschaft von einem ganzen Land unterstützt wurden.
"Wir wollten etwas Nachhaltiges schaffen", bemerkte die 29-jährige, die mit dem FC Chelsea in dieser Saison das Double gewann in England. "Aber jetzt habe ich das Gefühl, wir haben mit dem Frauenfußball das ganze Land vereint. Das ist so unglaublich, von diesen letzten Wochen wird man in Australien noch sehr, sehr lange sprechen."
Kerr verletzt - Hiobsbotschaft vor dem ersten Spiel
Für Kerr wäre dieser Traum beinahe wie eine Seifenblase geplatzt. Und zwar einen Tag vor dem Eröffnungsspiel. Im Abschlusstraining zieht sie sich eine Wadenverletzung zu. Was zunächst geheim gehalten wird. Aber als sie nicht in der Startelf zu sehen ist auf dem offiziellen Spielberichtsbogen gegen Irland, schrillen im ganzen Land die Alarmglocken.
Die Wade macht einen Einsatz unmöglich, das sind die ersten Informationen. Wie sich später herausstellt, steht für Kerr das gesamte Turnier auf der Kippe. "So eine Nachricht kann die gesamte Mannschaft fürchterlich nach unten ziehen", erklärt Tony Gustavsson. "Und für Sam war das natürlich der schwerste Moment in ihrer Karriere. Aber sie hat das großartig gemeistert."
Muskelverletzung - "Alles neu für mich"
Was er meint: Kerr hat gearbeitet, tagtäglich alles unternommen, um wieder auf den Platz kommen zu können. Sie wurde rund um die Uhr behandelt. "Ich hatte nie zuvor eine Muskelverletzung, das war alles neu für mich", sagt Kerr. "Ich muss mich bei er medizinischen Abteilung herzlich bedanken, ansonsten hätte ich die besten Momente meines Lebens wahrscheinlich verpasst."
Vierte WM soll noch nicht die letzte sein
Egal wie es ausgeht, das Spiel um Platz drei gegen die Schwedinnen: Ihre vierte WM soll aber noch nicht die letzte sein für Sam Kerr. "Ich habe noch große Lust, mit diesem Team zu spielen. Auch die nächste WM in vier Jahren. Vielleicht sind dann ein paar mehr Babys dabei", lacht Kerr, in Anspielung auf die Tatsache, dass immer mehr Mütter in den Nationalmannschaften spielen, so unter anderem Katrina Gorry bei Australien, deren Tochter Harper am Tag des Halbfinales gegen England ihren zweiten Geburtstag feierte.
Und dann funkeln ihre Augen wieder, so als wolle sie sagen: Ich habe noch lange nicht fertig! Den dritten Platz will sie unbedingt sichern, auch das wäre ein weiterer Meilenstein ihrer Karriere. Und der würde gut ins Jahr 2023 passen, in dem sie es als erste Frau auf das Cover des "FIFA 23"-Spiels schaffte und bei der Krönung von Charles III. die Flagge Australiens tragen durfte.