Gelingt gegen Schweden Halbfinaleinzug? Titelfavorit Japan - erst übersehen, jetzt unübersehbar
Japan spielt bei der Frauen-WM stark auf und ist mittlerweile einer der großen Favoriten auf den Titelgewinn. Mannschaftliche Geschlossenheit ist nur ein Erfolgsfaktor der "Nadeshiko". Am Freitag (11.08.2023) soll gegen Schweden der Einzug ins Halbfinale gelingen.
Dass der Weltmeister von 2011 beim Ozeanien-Turnier eine so dominante Rolle würde spielen können, war im Vorfeld der WM nicht zu erwarten gewesen. Zumindest für Außenstehende nicht. Denn bei den jüngsten Kräftemessen mit anderen großen Fußball-Nationen hatte die Auswahl der Japan Football Association stets den Kürzeren gezogen.
Gegen England (0:4) und Spanien (0:1) im vergangenen Herbst sowie gegen Brasilien (0:1) und die USA (0:1) beim SheBelives Cup im Februar setzte es Niederlage ohne eigenen Treffer, auch ein Testspiel gegen Dänemark im April ging mit 0:1 verloren.
Der bis dato letzte nennenswerte Erfolg auf der großen Bühne datiert von 2015, als die Asiatinnen bei der WM in Kanada Zweite wurden. Seitdem spielten sie bei der Vergabe der international relevanten Titel keine Rolle mehr. Das könnte sich den bisherigen Eindrücken zufolge nun ändern.
"Mit der Spielfreude einer Vereinsmannschaft"
Trainer Futoshi Ikeda, der nach dem Viertelfinal-Aus bei Olympia 2021 ins Amt kam und früher Coach bei den U-Nationalmannschaften war, hat in den vergangenen knapp zwei Jahren eine mehr als schlagkräftige Mannschaft geformt. Mit starkem Passspiel lässt Japan die Gegnerinnen laufen, ist selbst läuferisch und technisch top - und spielt zudem taktisch sehr diszipliniert.
Die mannschaftliche Geschlossenheit ist ein weiteres Plus. Das Magazin "The Athletics" schrieb: "Sie haben die Spielfreude einer Vereinsmannschaft und sind wahrscheinlich in der Lage, jeden Gegner bei der Weltmeisterschaft zu schlagen."
Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen, Norwegens Trainerin Hege Riise machte es nach der verdienten 1:3-Niederlage im WM-Achtelfinale dennoch: "Japan ist eine großartige Mannschaft mit vielen guten Spielern (...) Die Kombination aus Tiki-Taka und direktem Spiel ist sehr schwer zu verteidigen".
Trainer Ikeda stellt sein Team flexibel ein und auf
Den in Sachen Ballbesitz klar unterlegenen Norwegerinnen gelang es immerhin, überhaupt ein Tor gegen Japan zu erzielen. Zuvor hatte die von Saki Kumagai organisierte Abwehr der "Nadeshiko" beim Turnier in Down Under 290 Minuten dichtgehalten. In der Vorrunde hatten die Asiatinnen erst mit überlegenem Ballbesitzfußball 5:0 gegen Sambia und 2:0 gegen Costa Rica gewonnen, dann ging beim 4:0 gegen Spanien die Kontertaktik auf.
Japans Trainer Ikeda hatte bis jetzt immer den richtigen Matchplan in der Tasche, die Gegnerinnen waren allesamt chancenlos - auch wenn der Spielverlauf nicht immer identisch war. Gegen Norwegen spielte Japan zum Beispiel 610 Pässe und hatte eine Passquote von fast 90 Prozent, gegen Spanien lag sie bei 265 gespielten Pässen nur bei rund 65 Prozent - hatte aber mit dem schnellen Umschalten Erfolg.
Miyazawa führt Torschützinnen-Liste an
Will Schwedens Coach Peter Gerhardsson es mit seiner "Damlandslaget" im WM-Viertelfinale am Freitag (11.08.2023, 9.30 Uhr MESZ, live im Ersten und auf sportschau.de) besser machen als die Konkurrenz, gilt es vor allem ein Rezept gegen den Offensivwirbel der "Nadeshiko" zu finden. Mit Mina Tanaka im Zentrum und den Außenstürmerinnen Aoba Fujino und Hinata Miyazawa sind die Japanerinnen in der Lage, jederzeit flexibel die Räume zu besetzen und Torgefahr auszustrahlen.
Miyazawa führt mit fünf Treffern die Torschützinnenliste vor der Französin Kadidiatou Diani (vier) an. Tanaka belegt im Scorer-Ranking Platz sechs (zwei Tore, drei Assists). Auch auf die Außenverteidigerin Jun Endo und Risa Shimizu, die oft mit nach vorne ziehen, gilt es zu achten.
Fairplay und "jugendliche" Frische
Interessant sind beim Blick auf Japans Kader noch viele weitere Fakten: Bisher zum Beispiel blieben die Asiatinnen als einziges der 32 Teams bei der WM-Endrunde in Down Under ohne jegliche Verwarnung oder gar einen Platzverweis. Das Team von Trainer Ikeda spielt also nicht nur taktisch äußerst diszipliniert, sondern kanalisiert auch den sportlichen Ehrgeiz in faire Bahnen.
Ein Pluspunkt der Japanerinnen ist auch die Besetzung des 23er-Kaders - mit der 32 Jahre alten Kapitänin Kumagai, die zur neuen Saison vom FC Bayern München zur AS Rom wechselt, ist nur eine Spielerin bereits jenseits der 30. Zwölf Spielerinnen sind 25 Jahre oder jünger.
Das spricht zwar vielleicht gegen große Erfahrung, aber für viel Power und - mit Blick auf die Zukunft - gute Entwicklungschancen. Dass nur neun Spielerinnen in Vereinen außerhalb Japans spielen - vier in England, je zwei in den USA und Italien sowie eine in Schweden -, ist für die mannschaftliche Geschlossenheit auf jeden Fall kein Nachteil.
Neuauflage des WM-Halbfinals von 2011
Und vielleicht sind die verlorenen Testspiele in den Monaten vor Beginn der WM in Australien und Neuseeland ja auch ein gutes Omen für die Asiatinnen. Denn 2011 waren sie auch allenfalls von absoluten Insidern zum Favoritenkreis des Turniers in Deutschland gezählt worden, weil sie bei den beiden vorigen Weltmeisterschaften schon in der Vorrunde ausgeschieden waren.
Zunächst nahezu unbemerkt siegte Japan still und leise vor sich hin und schaltete dann im Viertelfinale mit einem lauten Knall die Gastgeberinnen aus. Der Gegner in der Vorschlussrunde hieß dann übrigens: Schweden.
Nun soll sich für Japan Geschichte wiederholen - auch wenn anders als 2011 nach einem Sieg gegen die Skandinavierinnen noch zwei weitere Erfolge zum WM-Titel benötigt werden würden.
- Spiele gegeneinander: 12 (5 Siege Japan / 4 Siege Schweden / 3 Unentschieden)
- FIFA-Weltrangliste: Japan Platz 11 / Schweden Platz 3
- Beste WM-Platzierung: Japan - Weltmeister 2011 / Schweden - Vize-Weltmeister 2003