FIFA Frauen WM Hervé Renard - der "weiße Zauberer" pusht jetzt "Les Bleues"
In Afrika verehren sie ihn als "weißen Zauberer", jetzt soll er Frankreichs Frauen zum WM-Titel führen. Coach Hervé Renard ist nicht nur für seine Hemdfarbe berühmt.
Und plötzlich trägt er blaue Hemden. Hervé Renard musste in seinem neuen Job mit einer - ihm vermutlich lieb gewonnenen - Tradition brechen: Jahrelang war der Coach am Spielfeldrand stets in einem eng geschnittenen weißen Oberhemd zu sehen gewesen. Es war gewissermaßen sein Markenzeichen geworden.
Aber nun - seit März dieses Jahres - trainiert er "les Bleues", die "Blauen" - Frankreichs Frauen-Nationalmannschaft. Klar, dass der Franzose für den Job in seinem Heimatland dann auch gern mit seinen Traditionen bricht und nunmehr blau trägt.
Triumphe in Afrika
Aber dies sind natürlich nur Äußerlichkeiten - viel wichtiger für den 54-Jährigen und sein neues Team wäre: an jene Erfolge anknüpfen, die Renard in den vergangenen Jahren mit seinen Teams immer wieder geschafft hat. Sein größter Triumph: 2012 wurde er mit Sambias Männermannschaft Afrikameister. Das hatte ihm und dem Team damals nun wirklich keiner zugetraut.
Es gilt in Afrika bis heute als eine der größten Sensationen in der Fußballgeschichte. Als absoluter Underdog pflügten die Ostafrikaner damals durch das Turnier, begeisterten mit unwiederstehlichem Offensivfußball. Und schlugen im Finale die übermächtig erscheinende Elfenbeinküste um Didier Drogba und Co.
"Wie ein Papa"
Drei Jahre später machte er den damals unterlegenen Finalgegner glücklich: 2015 gewann er das Turnier als Trainer eben jener Elfenbeinküste. "Er ist wie ein Papa zu mir", erklärte damals nach dem Turnier der ivorische Angreifer Wilfried Bony.
Ja, wie ein wirklich authentischer Papa ist Renard als Trainer in Afrika tatsächlich aufgetreten. Allerdings nicht wie ein Vater, der seine Söhne verhätschelt. Renards donnernde Kabinenansprachen sind legendär. Hat er im Spiel seiner Jungs Nachlässigkeiten erkannt, lässt er seine Spieler das im geschützten Bereich der Umkleidekabine auch hören. Und zwar derart nachhaltig, dass auch die jeweils angesiedelte Nachbarschaft etwas davon hat.
Renard in seinem Element: weißes Hemd, klare Ansage.
Authentisch, leidenschaftlich
Aber es ist eben diese Leidenschaft für den Fußball und für seine jeweilige Mannschaft, die man dem ehemals allenfalls drittklassigen Fußballer total abnimmt. Spieler spüren, wenn ein Trainer keine Show vor ihnen abzieht. Wenn er es ernst meint. Und das war bei Renard immer so. Auch in Saudi Arabien, wo er 2019 den Job als Nationaltrainer übernahm und 2022 bei der WM in Katar mit einem 2:1-Sieg über den späteren Weltmeister Argentinien wieder einmal für Furore sorgte.
Dabei offenbart Renards Lebensweg diverse Brüche und Erstaunlichkeiten, die man gemeinhin bei Fußballtarinern aus dem obersten Regal kaum erwartet. Im jungen Erwachsenenalter erkannte er als Mitglied einer Fußball-Jugendakademie an der Seite von Klasseleuten wie Didier Deschamps, dass es für ihn als Aktiver nicht für ganz oben reichen würde.
Fensterputzer und Amateurcoach
Renard verwarf seinen ursprünglichen Plan vom Fußballprofi und wurde - Gebäudereiniger. Er putzte Fenster - in schwindelnden Höhen. "Ich weiß, wie es ist, für wenig Geld sehr hart arbeiten zu müssen", hat er einmal erklärt. Nebenbei coachte er abends ein Amateurteam.
Auf die Bühne des Weltfußballs geriet er, als die französische Trainerlegende Claude LeRoy einen Assistenten für seinen neuen Trainerjob in Shanghai suchte. Er entschied sich für Renard, der bei ihm vor allem lernte, sich an fremde Kulturen anzupassen. Über Vietnam, Cambridge und China landete er schließlich 2008 in Afrika, als er Cheftrainer Sambias wurde. Der Rest ist bekannt.
Frankreich - Streitkultur in Bahnen lenken
Nun also Frankreich. Und erstmals Frauenfußball. Als sich der französische Verband früh im Jahr von Corinne Diacre getrennt hatte, musste eine rasche Alternativlösung her. Renard wurde angesprochen, löste seinen laufenden Vertrag in Saudi Arabien auf und ist seit März im Amt.
Die französischen Spielerinnen gelten als nicht ganz einfach im Umgang. Sehr fordernd, sehr massiv in ihren Beschwerden und Kritiken. Ein solches Profil scheint maßgeschneidert für Renard, dem erstklassige Menschenkenntnis nachgesagt wird. Ob er die Streitkultur bei "Les Bleues" in die richtigen Bahnen zu lenken weiß? Wir werden es sehen.