Krise beim DFB Tage der Dämmerung
Deutschland und der Fußball, es ist kompliziert, nicht erst seit dem Vorrundenaus der Frauen bei der WM. Und der DFB sucht nach Antworten.
Zuletzt hat Bernd Neuendorf manchmal von seinen Reiseplänen erzählt, es zog ihn in die Ferne, nach Australien und Neuseeland. Neuendorf ist Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), bei der Fußball-WM der Frauen wollte er zum Achtelfinale anreisen, um Deutschlands Nationalmannschaft zu unterstützen. Nur wurden Neuendorfs Pläne noch vor dem Reiseantritt von der Realität durchkreuzt.
Das mit Deutschland und der WM war keine Erfolgsgeschichte, im Gegenteil. Das Achtelfinale findet ohne den zweimaligen Weltmeister statt. Neuendorf, 62, spart sich nun womöglich einen Jetlag, aber vielleicht hätte er den sogar in Kauf genommen, um das zu vermeiden, was ihn stattdessen am Freitag (04.08.2023) erwartete.
In Hanau fand eine Pressekonferenz des DFB statt, eigentlich wollte der Verband über eine Aktion informieren, die bei der EM der Männer im nächsten Sommer für mehr Nähe sorgen soll zwischen Amateurvereinen und Nationalspielern. Hauptpreis ist ein Event-Tag, Zeit also, die Nationalspieler und Amateure zusammen verbringen werden. Nur ging es stattdessen doch ziemlich oft auch um das Ausscheiden der Frauen. Gerne, sagte Neuendorf, hätte er die Mannschaft begleitet, am liebsten bis ins Endspiel. "Nun muss ich leider zu Hause bleiben."
Frauen, Männer, U21 - alle schon in der Vorrunde raus
Aber so war das zuletzt manchmal mit dem deutschen Fußball: Sie hatten beim DFB große Pläne, auch talentierte Fußballerinnen und Fußballer, aber oft war dann irgendwas. Die Männer sind bei Weltmeisterschaften zuletzt zweimal nacheinander in der Vorrunde gescheitert, dazwischen lag noch eine EM, da war im Achtelfinale Schluss. Einen Titel hat die Mannschaft, die nicht mehr "Die Mannschaft" sein möchte, zuletzt bei der WM 2014 gewonnen.
Und dann war da noch die U21-Nationalmannschaft. Sie hatte bei den Europameisterschaften 2017, 2019 und 2021 immer das Endspiel erreicht und zweimal auch gewonnen. Als im Sommer wieder eine EM stattfand, zählte Deutschland zum Favoritenkreis - und schied schon in der Vorrunde aus.
Die Frauen standen bei der Europameisterschaft 2022 im Finale und verloren, es war im neunten EM-Endspiel Deutschlands die erste Niederlage. Und doch war es ein Erfolg. Also hatten viele die Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg auch vor der WM in Australien und Neuseeland zum Favoritinnenkreis gezählt. Es kam anders.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
"Es ist ehrlich gesagt nicht unser Anspruch", sagte Neuendorf, eine Überraschung war das nicht. Das Problem ist nur: Der deutsche Fußball hat einige Probleme, die Ausbildung, die Ansprüche, das Auftreten - und nicht immer ist der DFB daran schuldlos. Es sind gerade Tage der Dämmerung für einen Verband, der nicht den Eindruck macht, als sei er darauf vorbereitet gewesen. Dabei war überraschend nur das frühe Aus der Frauen gewesen. Die große Frage wird nun sein, welche Schlüsse der DFB zieht. Ob er welche zieht.
Neben Neuendorf saß am Freitag in Hanau Rudi Völler, für ihn war es ein Heimspiel, er ist dort geboren. Völler, 63, ist seit einigen Monaten Sportdirektor der Nationalmannschaft der Männer, seine Meinung ist gefragt. Eine Meinung hat Völler eigentlich immer, auch diesmal. Man dürfe das enttäuschende Abschneiden von Männern und Frauen und der U21 nicht vermischen, sagte Völler, das "wäre falsch".
Er nahm also eine Trennung vor. Bei der WM der Frauen seien sie alle davon ausgegangen, dass Deutschland "zumindest das Achtelfinale" erreichen werde, sagte Völler. "Das war dann doch überraschend und enttäuschend. Aber unsere Frauen haben im letzten Jahr bei der Europameisterschaft gezeigt, zu was sie fähig sind."
Keine Experimente mehr - aber reicht das wirklich?
Natürlich sprach Völler auch noch über die A-Nationalmannschaft der Männer. Da, so sieht Völler das, sei schon "viel Luft nach oben". Widerspruch hatte er dafür nicht zu befürchten. Es ging dabei auch um den Bundestrainer Hans-Dieter Flick, den alle nur Hansi nennen. Der Hansi Flick, sagte also Völler, werde ja schon im September gegen Japan und Frankreich "mit dem Experimentieren aufhören, die Basismannschaft einspielen. Er hat ja gesagt, dass er den Kreis der Spieler jetzt etwas enger machen wird." Ja dann.
Ein Ende aller Experimente und Kreise, die enger werden - in der Welt des Sportdirektors Rudi Völler sind die Analysen auch im Jahr 2023 nicht unnötig kompliziert. Die Frage ist nur, ob das dem Zustand des deutschen Fußballs gerecht wird. Ob es beim DFB auch Funktionäre gibt, denen das nicht ausreicht.
In den Monaten nach der verkorksten WM der Männer, als Völler den Job als Sportdirektor gerade angetreten war, hat er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" ein längeres Interview gegeben. Völler sagte, der DFB sei "nicht an allem schuld", als Beispiel nannte er einen Mangel an Mittelstürmern und bei den Außenverteidigern. Und der Verband könne auch nichts dafür, wenn es den Fußballern an Leidenschaft fehle.
In diesem Interview war Völler sogar zu einem Vergleich bereit, er verglich die Nationalmannschaft Deutschlands mit der des Weltmeisters Argentinien. Er sagte: "Abgesehen von Lionel Messi, der herausragend ist und dem jeder diesen WM-Titel gegönnt hat, soll mir doch keiner sagen, dass die Argentinier besser sind als wir."