Mit 35 auf dem Höhepunkt Titel als Antrieb für den ewigen Benzema
Seit 14 Jahren stürmt Karim Benzema jetzt für Real Madrid, hat starke Konkurrenten, einen großen Skandal und viele Verletzungen überstanden. Am Dienstagabend (18.04.2023, Live-Ticker bei sportschau.de) im Rückspiel der Königsklasse gegen den FC Chelsea ist er wieder der große Hoffnungsträger von Carlo Ancelotti.
Dass Chelsea mit dem zweitteuersten Kader der Fußballwelt (das Ensemble von Manchester City soll noch minimal mehr wert sein) sehr wahrscheinlich nicht über das Viertelfinale der Champions League hinauskommen wird, hat viel mit Karim Benzema zu tun.
Der ewige Stürmer der "Königlichen" ist wieder mal in Galaform, hat beim 2:0 im Hinspiel am 12. April das Führungstor geschossen und ist in der aktuellen Saison schon wieder an 32 Toren in 34 Pflichtspielen beteiligt. 26 hat er selbst erzielt, sechs für die Kollegen aufgelegt. Im Durchschnitt trifft er alle 110 Minuten, was für Chelsea nicht die beste Nachricht ist, denn zuletzt beim 2:0 gegen den FC Cádiz spielte er zwar sehr gut, blieb aber zur Abwechslung mal torlos. Das kommt nicht oft vor: In 639 Pflichtspielen für Real hat Benzema 349 Tore erzielt und 165 vorbereitet.
Er fühlt sich einfach nicht müde
Sein Trainer Carlo Ancelotti schwärmte nach dem Cádiz-Spiel von Benzema, der sehr mannschaftsdienlich agierte: "Es ist einfach wunderbar, ihn spielen zu sehen. Ich hatte darüber nachgedacht, ihm aufgrund seiner Verletzungen in der Vergangenheit mal nicht über 90 Minuten einzusetzen, aber er ist so gut drauf, so frisch. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn runternehme, wenn er sich müde fühlen würde."
Aber Benzema fühlte sich mal wieder nicht müde. Ancelotti nahm die wesentlich jüngeren Lucas Vázquez, Rodrygo und Federico Valverde vom Feld, verzichtete sogar auf zwei seiner fünf möglichen Wechseloptionen und ließ den 35 Jahre alten Benzema durchspielen.
Karim Benzema und Carlo Ancelotti
Seine Auszeiten nimmt er sich inzwischen gelegentlich auch während der 90 Minuten selbst, er geht nicht mehr in jede Pressingsituation, legt nur noch bei Standards den Weg bis in den eigenen Strafraum zurück. Dafür wirkt er bei den eigenen Angriffen tatsächlich so fit wie eh und je, er lässt sich viel in die zweite Reihe fallen, ist permanent anspielbar und bereit für Kombinationen, er geht auch nach wie vor auf beide Flügel.
Seit Katar nicht mehr für Frankreich
Die Mehrfachbelastung mit Verein und Nationalmannschaft tut er sich aber seit der WM in Katar nicht mehr an. Da hat er das Feld wieder seinem langjährigen Kollegen Olivier Giroud überlassen, den er mal, angesprochen auf einen Qualitätsvergleich mit ihm selbst, als Kartfahrer bezeichnete, während er sich selbst in der Formel 1 ansiedelte. Wie scherzhaft das gemeint war, darüber gehen die Meinungen in Frankreich auseinander. Giroud jedenfalls spielte nach Torerfolgen immer wieder mal darauf an, dass das für einen aus der Kart-Kategorie doch ganz gut war.
Vor Katar hatte Giroud die Neuner-Position in der "Équipe Tricolore" auch lange Zeit mehr oder weniger für sich, weil Benzema zwischen dem 8. Oktober 2015 und dem 5. Juni 2021 nicht für Frankreich spielte, er war suspendiert. Die sehr unappetitliche Geschichte hinter seiner fast sechsjährigen Länderspielpause war die Verwicklung in einen versuchten Erpressungsfall.
Bewährungsstrafe und Geldbuße in einem Erpressungsfall
Benzema wurde vorgeworfen, seinen Nationalelfkollegen Mathieu Valbuena zur Zahlung einer Geldsumme gedrängt zu haben, nachdem Valbuena wegen eines Sextapes erpresst worden war. Benzema stritt eigene Interessen in diesem Fall stets ab, gab immer an, er habe Valbuena nur helfen wollen. Die Gerichte in Frankreich sahen das anders, Benzema wurde 2021 zu einer Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro verurteilt, der Tatvorwurf lautete "Beteiligung an einer versuchten Erpressung".
Sportlich geschadet hat diese Affäre Benzema nur in seiner Nationalelf-Laufbahn, trotzdem bestritt er 97 Länderspiele, in denen er 37 Tore erzielte. Real Madrid stellte sich indes immer schützend vor seinen Ausnahmestürmer.
Gesetzt war Benzema im Verein aber nicht immer, zwischen 2007 und 2013 teilte er sich den Job auf der Neun oft mit Gonzalo Higuaín. Anschließend stand Benzema oft im Schatten von Cristiano Ronaldo, den er aber neidlos als besseren Fußballer akzeptierte: "Als er für Real Madrid spielte, hat er zwischen 50 und 60 Toren pro Jahr gemacht. Ich musste mich so bewegen, um Räume für ihn zu schaffen. Er war viel effektiver als ich vor dem Tor. Als er ging, änderte sich vieles. Ich übernahm die Verantwortung, die Tore zu erzielen. Ich kreiere Chancen und ich vollende sie."
Welt- und Europas Fußballer der Jahres
Ronaldo spielt inzwischen bei Al Nassr in der saudischen Pro League, Higuaín hat zu Jahresbeginn seine Karriere mit 35 Jahren beendet. Bei Benzema sieht es danach überhaupt nicht aus. Er ist im vergangenen Jahr erstmals zu Europas Fußballer des Jahres gekürt worden und hat den "Ballon d’Or“ erreicht, nachdem er Real zum fünften Königsklassen-Triumph innerhalb von acht Jahren geschossen hat.
Was ihn antreibt, hat er einmal so beschrieben: "Ich liebe Fußball, wenn er körperlich gespielt wird, wenn man Risiken eingeht. Fußball ist, als würde man einen Ferrari fahren. Fußball muss elegant und schön sein. Für mich geht es nicht mehr um persönliche Auszeichnungen, sondern nur um Titel." Der FC Chelsea darf das durchaus als Drohung betrachten.