Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart 1893 e. V.

Verhältnis Mutterverein und AG Wie der Machtkampf beim VfB Stuttgart eskalierte

Stand: 17.03.2024 09:50 Uhr

Der VfB Stuttgart spielt eine rauschhaft erfolgreiche Saison - erlebt aber derzeit mal wieder einen knallharten Machtkampf. Im Mittelpunkt: Präsident Claus Vogt, der Einfluss von Investoren im Aufsichtsrat und die Frage nach der Mitsprache der Mitglieder im Sinne der 50+1-Regel.

Worum dreht sich der aktuelle Konflikt in Stuttgart?

Der VfB Stuttgart hat neben dem Mutterverein seit 2017 eine AG, in die der Profifußball ausgegliedert ist. Im Aufsichtsrat dieser AG war der Präsident des Muttervereins, Claus Vogt, bislang Vorsitzender. Der Aufsichtsrat sprach am Dienstag (12.03.2024) in einer außerordentlichen Sitzung Vogt mehrheitlich das Misstrauen aus und wählte Tanja Gönner als neue Vorsitzende.

In einer gemeinsamen Stellungnahme nannten der Beirat des VfB Stuttgart 1893 e. V. und Präsident Vogt am Donnerstag dieses Vorgehen "rechtlich fragwürdig" und sprachen von einer "vermeintlichen Abwahl". Es stelle sich "in dieser Situation eine entscheidende Frage: Gehört der VfB wirklich noch seinen Mitgliedern? Die Ereignisse des Dienstags und die nicht mit dem Verein abgestimmte Pressemitteilung zeichnen leider ein anderes Bild". Der VfB hatte am Dienstag die Wahl von Gönner zur neuen Aufsichtsratsvorsitzenden verkündet. Auf Anfrage der Sportschau teilte die AG des VfB Stuttgart mit: "Die Pressemitteilung vom Dienstag wurde mit den dafür zuständigen Gremien abgestimmt." Das restliche Präsidium um Vizepräsident Rainer Adrion und Präsidiumsmitglied Christian Riethmüller teilte am Freitag mit, dass sie dem Statement Vogts Teilen des Beirats "in dieser Form nicht zustimmen" konnte.

Im Machtkampf beim VfB ist der als Aufsichtsratsvorsitzender abgewählte Präsident Vogt, der von der organisierten Fanszene gestützt wird, nun geschwächt und steht isoliert da.

Ein Machtkampf tobt: Der Präsident des VfB Stuttgart ist nicht mehr Vorsitzender des Aufsichtsrat

Ein Machtkampf tobt: Der Präsident des VfB Stuttgart ist nicht mehr Vorsitzender des Aufsichtsrat

Warum gibt es die Diskussion um diesen Posten?

Die Ausgliederung trieb noch die Klubführung unter dem früheren Präsidenten Wolfgang Dietrich voran. Am 1. Juni 2017 stimmten nach VfB-Angaben 84,2 Prozent der stimmberechtigten anwesenden Mitglieder dafür, die AG zu gründen und bis zu 24,9 Prozent der Anteile zu verkaufen. Der Ausgliederung gingen lange Diskussionen voraus. Die damalige VfB-Spitze warb eindringlich für die Ausgliederung und versuchte, die Mitglieder mit Erklärvideos und anderen Maßnahmen zu überzeugen, bei der entscheidenden Versammlung gab es Gratistrikots. Später gab es Diskussionen darüber, ob wirklich alle anwesenden Mitglieder technisch einwandfrei abstimmen konnten.

Entscheidend in der aktuellen Diskussion ist aber: Die VfB-Führung gab damals ein Versprechen ab, dass der Aufsichtsratsvorsitz dem von der Mitgliederversammlung gewählten Präsidenten vorbehalten sein soll. "Wir haben den Mitgliedern bei der Ausgliederung gesagt, der Verein wird auch in der Profi-AG eine starke Rolle einnehmen", sagte das damalige Präsidiumsmitglied Bernd Gaiser 2021. "Zu dieser starken Rolle gehört, dass der Präsident zugleich Aufsichtsratsvorsitzender ist. An der Zusage halten wir auch fest. Auf dieses Wort können Sie sich verlassen."

Ist das Versprechen an die VfB-Mitglieder hinfällig?

Das Versprechen ist gebrochen, der Präsident ist nicht mehr Aufsichstratsvorsitzender, seine Nachfolgerin ist nicht mal von der Mitgliederversammlung gewählt. "Einer Abweichung von diesem im Rahmen der Ausgliederung maßgeblichen Versprechen bedarf aus unserer Sicht zwingend einer demokratischen Legitimation durch das oberste Organ unseres Vereins: der Mitgliederversammlung", schrieb VfB-Präsident Vogt am Donnerstag.

Gilt das Versprechen also überhaupt noch? "Der VfB Stuttgart fühlt sich weiter an dieses Versprechen gebunden, das wurde auch nie in Abrede gestellt", teilte die Medienabteilung der VfB-AG auf Anfrage mit. Das gehe auch aus Tanja Gönners Stellungnahme hervor, die "ein direkt gewähltes Präsidiumsmitglied" als "Idealbesetzung" für den Posten bezeichnete. Gemeinsam "mit den Aufsichtsratsmitgliedern von Porsche und Mercedes-Benz" sei sie außerdem der Ansicht, dass dazu auch die "notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen" gehören, hieß es in der Mitteilung. Diese Formulierung wurde weitgehend als Nachtreten gegen Vogt aufgefasst. Es geht also möglicherweise nicht nur um Einfluss, sondern auch um Vogt persönlich. Schon zuvor sollen Gönner und das Aufsichtsratsmitglied Lutz Meschke (Porsche) erfolglos versucht haben, Vogt zu einem Rücktritt zu bewegen.

Da Gönner nicht direkt von den Mitgliedern gewählt ist, bleibt allerdings die Frage, ob sie sich bald als Präsidentin zur Wahl stellt. Ihre Antwort darauf sei "ein klares Nein", sagte sie im SWR. Unbeantwortet bleibt, wie und ab wann das Versprechen an die Mitglieder künftig eingehalten werden soll. Gönner stellte das Versprechen für die Zukunft in Frage: "Man muss wahnsinnig aufpassen, ob man jetzt ständig Bezug nimmt auf das, was 2017 war. Oder ob man sagt, Dinge haben sich weiterentwickelt. Ich würde mir wünschen, dass man mehr in die Zukunft schaut, um im Interesse des gesamten VfB erfolgreich sein zu können." Die Präsidiumsmitglieder Adrion und Riethmüller teilten mit, das Versprechen sollte aus ihrer Sicht nicht "ohne Einbindung der Mitglieder verändert werden". Sollte es aber "Argumente geben, dies zu ändern oder anzupassen, muss man das mit den Mitgliedern ausführlich diskutieren". Der AG-Vorstand um Alexander Wehrle forderte in einer Stellungnahme eine Diskussion bei der nächsten Mitgliederversammlung um "verbindliche, zukunftssichere Regelungen für den VfB Stuttgart herbeiführen und verabschieden" zu können.

Hat der Präsident einen rechtlichen Anspruch auf den Aufsichtsratsvorsitz?

In der Satzung des VfB ist nicht verankert, dass dem Präsidenten des Muttervereins der Vorsitz im Aufsichtsrat zusteht. Warum wurde der Vorsitz im Aufsichtsrat versprochen, aber nicht in der Satzung niedergeschrieben? "Eine Verankerung in der Satzung war damals nicht ad hoc möglich und ist auch in der rechtlichen Komplexität zu prüfen", teilte der VfB Stuttgart mit. Der Gesellschaftsrechtler Prof. Dr. Alexander Scheuch von der Uni Bonn sagt im Gespräch mit der Sportschau: "Der Aufsichtsrat einer AG kann immer autonom seinen Vorsitzenden wählen. Sowas kann man nicht in die Satzung schreiben, das wäre unwirksam." Es bleibt also nur das Versprechen.

Im deutschen Profifußball ist die AG wie beim VfB Stuttgart neben der GmbH und der GmbH & Co. KGaA eine der üblichen Rechtsformen. "Wenn es um die Wahrung der Rechte von Vereinsmitgliedern geht, ist die AG mit Sicherheit die schlechteste Wahl", sagt Scheuch, "denn der Vorstand ist nicht weisungsgebunden."

Adrion und Riethmüller teilten mit, dass die Porsche AG in den Verhandlungen über einen Einstieg "die konkrete Erwartung verknüpft" habe, dass Vogt den Aufsichtsratsvorsitz abgibt. Vogt habe dies schriftlich akzeptiert, so Adrion und Riethmüller. Medienberichten zufolge hat Vogt dazu aber die Einbindung der Mitglieder gefordert. Beim Heimspiel gegen Union Berlin nahm sich die organisierte Fanszene des VfB auf Plakaten des Themas deutlich an: "Meschke & Co. in die Schranken weisen. Der AR-Vorsitz bleibt beim e.V.-Präsidenten! Präsidium: Habt ihr uns verkauft? Antworten jetzt!" Noch deutlicher wurde der Unmut beim Auswärtssieg in Stuttgart. "Mitglieder verkauft und verraten - ihr habt zwei Wochen Zeit, diesen Fehler zu korrigieren", stand auf einem Banner.

Fans des VfB Stuttgart: "Mitglieder verkauft und verraten - ihr habt zwei Wochen Zeit, diesen Fehler zu korrigieren."

Fans des VfB Stuttgart: "Mitglieder verkauft und verraten - ihr habt zwei WochenZeit, diesen Fehler zu korrigieren."

Verstößt Stuttgart gegen die 50+1-Regel?

Der Aufsichtsrat hatte bislang neun Mitglieder, seit dem Einstieg von Porsche sind es elf. Von den aktuell elf Mitgliedern des Aufsichtsrats kommen sieben aus der vom VfB Stuttgart 1893 e.V. dominierten Hauptversammlung der AG, darunter mit dem Präsidenten des Muttervereins und einem weiteren Präsidiumsmitglied mindestens zwei direkt von der Mitgliederversammlung gewählte Personen (aktuell sitzen drei gewählte Präsidiumsmitglieder im Aufsichtsrat). Die anderen vier Sitze teilen sich die beiden Investoren Mercedes-Benz und Porsche. Auf diese Weise sitzen im Aufsichtsrat sieben vom Mutterverein mitbestimmte Mitglieder mit vier von den Kapitalgebern berufenen Mitgliedern an einem Tisch.

Porsche hatte zuletzt 5,49 Prozent der Anteile an der VfB AG erworben und soll im Sommer weitere Anteile erhalten, der Sportwagenhersteller wird dann 10,4 Prozent halten, Mercedes-Benz ebenfalls 10,4 Prozent und der Sportartikelhersteller Jako 1,0 Prozent. Dem Mutterverein des VfB gehören dann 78,2 Prozent der Anteile und damit auch die klare Mehrheit in der Hauptversammlung der AG.

"Auf diese Weise wird die 50+1-Regel eingehalten", sagt der auf Sportrecht spezialisierte Jurist Holger Jakob im Gespräch mit der Sportschau. "Man darf aber schon fragen, warum wenige Wochen nach dem Einstieg von Porsche der Vorsitz des Aufsichtsrats gewechselt wird. Hier setzt man sich offensichtlich über den Willen der Mitglieder hinweg." Eine Einflussnahme liegt nahe, durch die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat ist allerdings auch klar: Mehrere Vertreter im Aufsichtsrat, die auch Mutterverein berufen wurden, müssen gegen Vogt gestimmt haben.

Die Geschäftsstelle des VfB Stuttgart in der Mercedesstraße in Bad Cannstatt

Die Geschäftsstelle des VfB Stuttgart in der Mercedesstraße in Bad Cannstatt

Wer sitzt alles im Aufsichtsrat?

Neben den vier Vertretern der Investoren Mercedes-Benz und Porsche sind von der vom Mutterverein dominierten Hauptversammlung der AG weitere Menschen mit wirtschaftlichem Hintergrund in das Gremium berufen worden.

Die neue Aufsichtsratsvorsitzende Gönner, früher für die CDU Landesumweltministerin in Baden-Württemberg, ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Mit Tobias Röschl ist ein Vorstandsmitglied von VfB-Investor Jako dabei. Ein anderes Beispiel ist Alexander Kläger, ein hochrangiger Vertreter des Softwareunternehmens SAP, das in einer strategischen Partnerschaft mit VfB-Investor Porsche steht.

Aufsichtsrat VfB Stuttgart AG
Person weitere Posten
Tanja Gönner* Hauptgeschäftsführerin BDI
Peter Schymon** Mercedes-Benz (Controlling)
Franz Reiner Mercedes-Benz (Mobility)
Lutz Meschke Vorstand Porsche
Albrecht Reimold Vorstand Porsche
Alexander Kläger Präsident Mittel-/Osteuropa SAP
Tobias Röschl Vorstand Jako
Beate Beck-Deharde Geschäftsführerin Beck GmbH
Claus Vogt Präsident VfB Stuttgart e.V.
Rainer Adrion Vizepräsident VfB Stuttgart e.V.
Christian Riethmüller Präsidiumsmitglied VfB Stuttgart e.V.

*Vorsitzende
**Stellvertreter

Der Aufsichtsrat beruft den Vorstand der AG und könnte ihn auch abberufen. Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern:

  • Alexander Wehrle (Vorsitzender)
  • Thomas Ignatzi (Finanzen)
  • Rouven Kasper (Marketing und Vertrieb)
Alexander Wehrle (vorne) umarmt Claus Vogt, links Lutz Meschke von Porsche

Alexander Wehrle (vorne) umarmt Claus Vogt, links Lutz Meschke von Porsche

Verkauft Stuttgart noch mehr Anteile?

Per Satzung dürfte der VfB weitere Anteile in Höhe von 3,9 Prozent verkaufen und das ist nach Informationen der Sportschau sogar eine Maßgabe der DFL, weil Porsche bis Sommer mit insgesamt 10,4 Prozent einsteigen wird (bisher 5,49 Prozent). Laut DFL-Satzung darf kein Investor an mehr als drei Klubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga beteiligt sein. Nur bei einem Klub darf der Investor eine Beteiligung von mehr als 10 Prozent haben. Die Porsche AG gehört wie die Audi AG zur Volkswagen AG. Volkswagen besitzt bereits den VfL Wolfsburg vollständig und ist darüber hinaus über Audi mit 8,33 Prozent beim FC Bayern München und mit 19,94 Prozent beim FC Ingolstadt involviert.

Die DFL stimmte dem Deal in Stuttgart trotzdem zu. Begründung: Seit dem Börsengang von Porsche bestehe kein Beherrschungsvertrag mehr zwischen VW und Porsche. Durch den vorgesehenen Verkauf der weiteren 3,9 Prozent würde der Anteil von Porsche beim VfB entsprechend "verwässert". Dass die Volkswagen AG an mehr als einem Klub mehr als 10 Prozent hält und bei einem Aufstieg des FC Ingolstadt vier statt der erlaubten drei Klubs zum VW-Netzwerk gehören würden, ist durch einen "Bestandschutz" von vor 2015 geschlossenen Beteiligungen erlaubt.