Abstiegskampf der Bundesliga Vorteil VfB Stuttgart - Revierklubs unter Druck
Der VfB Stuttgart kann wie in der Vorsaison am letzten Spieltag zu Hause den Klassenerhalt klarmachen. Der FC Schalke 04 und der VfL Bochum sind in Zugzwang geraten. Der Abstiegskampf in der Analyse.
Die schwarze Kappe wollte Sebastian Hoeneß nicht lüften. Weder draußen auf dem Rasen der Mainzer Arena, als der Trainer des VfB Stuttgart vor dem feiernden Anhang kurz die Fäuste ballte. Auch nicht drinnen im Kabinengang oder auf der Pressekonferenz, wo der beinahe demütige Tonfall des Hoffnungsträgers auffiel.
Tenor: Ein Schritt ist mit dem 4:1 beim 1. FSV Mainz 05 gemacht, der zweite muss erst noch am 34. Spieltag folgen. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der einst in Hoffenheim beschäftigte Hoeneß auf die vom ehemaligen VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo zum Klassenerhalt geführte TSG Hoffenheim (Samstag 15.30 Uhr in der Radio-Vollreportage) trifft, um seine Mission zu krönen.
Die Stuttgarter Vereinsführung hat in dieser Saison nicht viel richtig gemacht, aber die Verpflichtung des vierten Fußballlehrers erweist sich als Volltreffer. Der von Hoeneß am 26. Spieltag als abgeschlagenes Schlusslicht übernommene VfB steht jetzt auf Rang 15. Die sachliche Art des Trainers hat sich aufs Team übertragen.
Sebastian Hoeneß hat den Spagat geschafft
Ältere VfB-Fans erinnern sich gerne an dessen Vater Dieter, als der in den 70er Jahren im Trikot mit dem roten Brustring stürmte. Nun könnte der Filius derjenige sein, der fast ein halbes Jahrhundert später den vierten Abstieg der Vereinsgeschichte verhindert. "Ich habe bei den Jungs in der Kabine keine übertriebene Euphorie gesehen", betonte der 41-Jährige, der nach eigenem Bekunden "nicht nach links und rechts" schauen will.
Erleichtert: VfB-Trainer Sebastian Hoeneß nach dem 4:1-Sieg beim FSV Mainz 05.
Dass man es wieder in der eigenen Hand hat, ist schon viel mehr, als die meisten in der bleiernen Zeit unter Bruno Labbadia zu hoffen wagten. Woran sich der unverstandene Feuerwehrmann vergeblich versuchte, hat sein Nachfolger mit wenigen Handgriffen geschafft: eine defensive Stabilität herzustellen, ohne die offensiven Qualitäten zu verraten.
Die enorme Effizienz des VfB Stuttgart verblüfft
Der erst zweite Auswärtssieg war Produkt einer erstaunlichen Effizienz: vier Tore aus sechs Chancen. Linksaußen Silas sprintete vor dem sehenswerten 1:1 von Kapitän Wataru Endo mit Ball schneller als sein Gegenspieler Aymen Barkok, was genauso viel über das schlummernde Potenzial verriet wie der Luftstand von Mittelstürmer Serhou Guirassy beim 2:1. Und warum bitte zündet ein Chris Führich mit seinen Anlagen nicht häufiger seinen Turbo? Drei Scorerpunkte sammelte der Frechdachs mit dem blonden Scheitel nach seiner Einwechslung. "Das ist ein sehr guter Schwung, den wir mitnehmen können", meinte der Matchwinner.
Der fünffache deutsche Meister aus dem Ländle beschäftigt mehr Unterschiedsspieler als die Konkurrenz im Revier. Der FC Schalke 04 (bei RB Leipzig) und VfL Bochum (gegen Bayer Leverkusen) können nicht mehr vorbeiziehen, wenn der VfB seine letzte Hausaufgabe siegreich erledigt.
Schalke ist fast ein Meister der Mentalität
Überhaupt hat sich die Ausgangslage für Schalke und Bochum ziemlich gedreht - und auch der FC Augsburg ist plötzlich noch in Gefahr. Für die "Königsblauen" als Vorletzten ist das Remis gegen Eintracht Frankfurt (2:2) weniger Wert als gedacht. Selbst ein weiteres Unentschieden beim Dritten Leipzig könnte zu wenig sein, aber so geht es Trainer Thomas Reis auch nicht an. Schalke ist Achter der Rückrundentabelle und fast ein Meister der Mentalität in den vergangenen Wochen.
Fußballerische Defizite kompensiert die Mannschaft mit ihrer enormen Leidenschaft - und die Sachsen haben vielleicht schon das DFB-Pokalfinale gegen Frankfurt (3. Juni) im Hinterkopf. Es wäre nicht der erste Verein, der nach einem Coup gegen den FC Bayern kurz durchhängt.
Gemischte Gefühlslage: Die Schalker Spieler nach dem 2:2 gegen Frankfurt
Der VfL Bochum setzt auf seine Heimstärke
Der auf dem Relegationsrang geführte Ruhrrivale Bochum empfängt mit Leverkusen nun einen Gegner, der nach dem Punktverlust gegen Borussia Mönchengladbach (2:2) selbst noch gefordert ist. Der VfL Wolfsburg sitzt der Werkself im Nacken. Für den VfL spricht die Heimstärke, hier holte das Team von Thomas Letsch 23 seiner 32 Punkte.
Und auch das späte Unentschieden bei Hertha BSC (1:1) sollte Mut machen. An der Castroper Straße kündigt sich viel Dramatik an, auch die Relegation würde der Klub gerne noch nehmen. Aber letztlich geht ein Blick auch zur Konkurrenz – und damit wieder nach Stuttgart.
Das dortige Plus: Viele Profis kennen die Konstellation bereits aus dem vergangenen Jahr, als am letzten Spieltag gegen den 1. FC Köln (2:1) die Gefühle explodierten. Nur soll es am Pfingstsamstag nicht wieder bis in die Nachspielzeit dauern, bis der Siegtreffer fällt. Er wünsche sich "möglichst wenig Spannung", aber er sei kein Hellseher, beschied Hoeneß, aber ein Nachteil sei es sicherlich nicht, dass der damalige Last-Minute-Torschütze Endo und Co. diesen Druck schon gespürt und ihm standgehalten haben.
Fabian Bredlow wird zum Faktor
Hilfreich, da auch wieder über einen echten Rückhalt zu verfügen. Genau zur richtigen Zeit zeigte Fabian Bredlow seine wohl beste Saisonleistung, auch wenn der zuletzt kritisierte VfB-Torhüter im Endeffekt dankbare Bälle zu halten bekam. Dennoch prasselte Lob von allen Seiten auf den unter Labbadia zur Nummer eins beförderten Schlussmann herein, der freimütig zugab, dass ihn die öffentlichen Zweifel nicht kaltgelassen haben.
"Die letzten Wochen waren nicht einfach für mich. Ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, dass es spurlos an mir vorbeigeht." Jetzt winkt auch ihm die Versöhnung mit einer Spielzeit, die in den für den VfB Stuttgart fast typischen Wellentälern verlief. Das Happy-End ist zwar nah, aber noch nicht vollbracht. Deshalb blieb ja auch die Kappe auf.