Fußballfans und Polizei Keine Konfliktlösung in Sicht
Umstrittene Polizeieinsätze auf der einen, Fangewalt auf der anderen Seite. Die Bundesliga kämpft weiter mit dem Konflikt zwischen Anhängern und Sicherheitsbehörden. Besserung ist nicht in Sicht, obwohl die Datei "Gewalttäter Sport" auf Rekordtief ist.
Das Verhältnis zwischen Polizei und Fußballfans bleibt belastet. Auch an den ersten Spieltagen der aktuellen Saison ist es rund um die Bundesliga-Stadien regelmäßig zu Vorfällen gekommen. Mal sind es gewalttätige Fans, die sich auf Bahnhöfen prügeln, mal sind es umstrittene Polizeieinsätze, die den Konflikt schüren.
Prügelnde Fans, umstrittene Polizeieinsätze
So gerieten etwa Anhänger von Borussia Dortmund unter anderem mit Anhängern des VfL Wolfsburg und mit HSV-Fans aneinander. Beim Niedersachsen-Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig am vergangenen Wochenende in der 2. Bundesliga musste die Partie minutenlang unterbrochen werden, weil aus den Kurven Feuerwerkskörper auf das Spielfeld geschossen wurden. Ein Polizist soll nach einer Rangelei schwer verletzt worden sein.
Andererseits gab es in den vergangenen Wochen aber auch immer wieder umstrittene Polizeieinsätze: Bei der Partie Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Köln setzte die Polizei großflächig Pfefferspray ein. Laut Polizei um den Zugang wieder zu ordnen. Die Kölner Fanhilfe sprach danach von mehreren verletzten FC-Fans. Nach FIFA-Regularien ist im Stadion der Einsatz von Pfefferspray untersagt.
Im Umfeld des Spiels FC Augsburg gegen Borussia Mönchengladbach löste sich aus der Waffe eines Polizisten des Spezialkommandos "USK" ein Schuss. Angeblich erfolgte der Schuss versehentlich, verletzt wurde niemand. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Augsburg will vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen derzeit keine weiteren Auskünfte erteilen.
Bayerns Fanhilfen stellen Forderungen an die Politik
Für Benedikt Engler von der Fanhilfe Augsburg ist dieser Vorfall nur die sichtbare Spitze des Eisbergs bei der "Kriminalisierung von Fußballfans". Der Schuss verdeutliche aber "die Probleme, die im Zusammenhang mit Fußballspielen auftreten".
Fanhilfen unterstützen die Anhänger an Spieltagen und darüber hinaus bei Konfliktsituationen mit der Polizei und bei der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer bürgerlichen Rechte. In Bayern haben sich die Fanhilfen jetzt mit verschiedenen Forderungen an die Politik gewandt. Unter dem Motto "Fanrechte stärken" fordern sie ein Umdenken im Umgang mit Fußball-Anhängern. Verlangt wird unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten sowie die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Opfer von Polizeigewalt.
Datenspeicherungen von Fans bleibt Streitpunkt
Auch die umstrittene Datei "Gewalttäter Sport" und andere Datensammlungen stehen weiter in der Kritik. Zwar sind derzeit weniger als 6.000 Fußballfans dort registriert, so wenige wie noch nie seit der Einführung der umstrittenen Polizeidatei im Jahr 1994. Diese Zahlen hatte die Sportschau im Oktober exklusiv veröffentlicht.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde zudem eine Reform der DGS fest zugesagt. Bis zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland wird diese Reform aber nach Sportschau-Recherchen nicht kommen. Das Bundesinnnenministerium antwortete auf eine entsprechende Anfrage erst nach der ersten Veröffentlichung dieses Beitrags, ließ die Frage nach einer etwaigen Reform der Datei jedoch unbeantwortet. Allerdings plane das Ministerium, den Tagungsordnungspunkt "Datei Gewalttäter Sport" in die Frühjahrssitzung 2024 der Innenministerkonferenz-Gremien einzubringen.
Reform der Datei "Gewalttäter Sport" nicht vor der EURO
Aus Sicht der Fanhilfen würde eine Reform der Datei aber helfen, um eine Entspannung an Spieltagen und eine generelle Verbesserung der Lage für Fußballfans erzielen zu können. "Es ist aus unserer Sicht sehr bedauerlich, dass die versprochene Reform der Datei Gewalttäter Sport weiterhin auf sich warten lässt", sagt Benedikt Engler von der Fanhilfe Augsburg.
Allerdings gibt es nach Sportschau-Informationen bereits einen Evaluierungsbericht zur Datei "Gewalttäter Sport". Im Sommer vergangenen Jahres ging das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (ZIS), das für die Datei verantwortlich ist, noch von einer Veröffentlichung dieses Berichtes aus. Auf erneute Nachfrage schreibt die Behörde jetzt: "Da der Bericht als Verschlusssache ("nur für den Dienstgebrauch", VS-nfD) eingestuft ist, wird eine Veröffentlichung nicht erfolgen."
Zur Begründung heißt es, dass im Falle einer Nichteinstufung als Verschlusssache polizeitaktische Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen könnten. Dies sei für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig.
"Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Im Sinne der Transparenz sollte der Bericht somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden", sagt Engler, der die "Datenspeicherung" als einen der größten Streitpunkte im Konflikt zwischen Polizei und Fans bezeichnet. Dieser Streitpunkt bleibt nun vorerst weiter bestehen.
Disclaimer: Die Stellungnahme des Bundesinnenministeriums wurde nachträglich eingefügt, da diese erst nach Redaktionsschluss und Veröffentlichung der ersten Fassung vorlag.