Deutschlands Sandra Abstreiter im Trikot der Montreal Victoires

Vor dem Saisonstart in der PWHL Sandra Abstreiter lebt ihren "Canadian Dream"

Stand: 27.11.2024 22:29 Uhr

Sandra Abstreiter ist die unangefochtene Nummer Eins im Tor der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft der Frauen. Die 26-Jährige hat als erste Deutsche den Sprung in die nordamerikanische Profiliga PWHL geschafft und lebt den Traum vieler Eishockeyspielerinnen.

Von Julie Bärthel

Als Free Agent in eine Saisonvorbereitung gehen? Per se schon mal mutig. Zusätzlich noch in einer Liga, in der es nur 18 Kaderplätze auf der eigenen Position gibt? Besonders mutig.

In dieser speziellen Situation befand sich die deutsche Eishockey-Nationaltorhüterin Sandra Abstreiter bis vor ein paar Tagen. Nachdem Erfolg beim Deutschland-Cup ging es für ihre Kolleginnen aus der Nationalmannschaft zurück in die Vereine. Für die 26-Jährige nahm hingegen der Kampf um einen Platz im Verein dann erst richtig Fahrt auf. In Montreal, bei Montreal Victoire, musste die Deutsche mit zwei anderen Torhüterinnen um den letzten Platz im finalen Kader kämpfen.

Eishockey-Keeperin Sandra Abstreiter von der deutschen Nationalmannschaft in Aktion im Spiel gegen Schweden

Sandra Abstreiter beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden.

Erfolgreicher Draft für Abstreiter bei Liga-Premiere

Dabei hatte die in Freising geborene Abstreiter ihren Verein eigentlich schon gefunden, als am 01. Januar 2024, die PWHL, die Professional Women’s Hockey League, ihr Debüt feierte. Im Draft wurde die Nationalspielerin von Ottawa Charge in der zwölften Runde, an Position 68, ausgewählt. Ein üblicher Auswahlprozess in den nordamerikanischen Ligen, um die erfolgreichsten College-Spielerinnen zu verpflichten.

Abstreiter: "Sehr cooles Gefühl, wenn man Kinder begeistern kann"

Sportschau, 27.11.2024 22:27 Uhr

Doch am Ende der vergangenen Saison entschied sich die 1,81m große Torfrau dafür, ihren Vertrag bei Ottawa aufzulösen. Sie wollte nicht in einer gewissen Position feststecken, erklärt sie ihre Entscheidung. An der kanadischen Nummer Eins Emerance Maschmeyer war kein Vorbeikommen, sodass die Deutsche lediglich bei drei von 24 Spielen auf dem Eis stand. Ein Zeichen für das extrem hohe Niveau der PWHL, wenn die beste Torhüterin der WM 2024 im Verein nur Ersatz ist.

Kämpfen für den Traum von der PWHL

In der spielfreien Zeit stattete Montreal Abstreiter mit einem Tryout-Vertrag aus. Bedeutet, dass sie sich im zweiwöchigen Trainingscamp vor dem Saisonstart einen Platz im endgültigen Kader erarbeiten muss - quasi ein Mannschaftsmitglied auf Bewährung. "Das Camp war physisch gar nicht so anstrengend, weil man viel Pause hatte. Aber gleichzeitig muss man sich auch voll konzentrieren, wenn man dann im Tor steht, das man dann überzeugt", berichtet die Torhüterin.

Sandra Abstreiter

Sandra Abstreiter bei ihrer Premierensaison in der PWHL mit den Ottawa Charge.

Und überzeugt hat die Deutsche. Um zwanzig vor Vier am Montagnachmittag empfing die Managerin und Trainerin des Teams ihre neue Torhüterin im Büro: "Und dann sagen die einem relativ schnell, was Sache ist".

Montreal Victoire entscheidet sich für die Deutsche

Und Sache ist, dass Abstreiter in ihre zweite Saison in der PWHL geht - und zwar ziemlich schnell. Das erste Ligaspiel steht bereits am Samstag an, ausgerechnet gegen das alte Team: die Mannschaft der Ottawa Charge. Direkt zu Beginn also ein ganz besonderes Spiel für die Torhüterin. Die Vorfreude ist groß: "Die Mädels haben mir alle die Daumen gedrückt, dass ich den Sprung in den Kader schaffe."

Und den Sprung hat sie geschafft, in die einzige professionelle Eishockeyliga der Welt - jedenfalls für Frauen. Und dass die überhaupt existiert, haben die Fans und Spielerinnen unter anderem einer prominenten Sport-Legende zu verdanken: Ex-Tennisstar Billie Jean King. Die 81-Jährige ist eine Ikone im Kampf für Gleichberechtigung von Frauen und hat mit dem Milliardär Mark Walter einen finanzstarken Investor bei diesem Projekt an ihrer Seite. Das Duo gründete im August 2023 eine neue Liga: die PWHL.

Die deutsche Sandra Abstreiter im Trikot der Montreal Victoire

Die Deutsche Sandra Abstreiter im Trikot der Montreal Victoires.

Zuvor bestimmte ein vierjähriger Streik der Spielerinnen-Gewerkschaft PWHPA, mit den besten Eishockey-Spielerinnen der Welt, das sportliche Geschehen und an einen Liga-Alltag war nicht zu denken. Immer wieder bemängelten Spielerinnen die fehlende Krankenversicherung, schlechte Rahmenbedingungen und Gehälter, die weit unter dem deutschen Mindestlohn liegen.

Abstreiter über Zuschauerzuspruch: "Begeisterung ist da“

Sportschau, 27.11.2024 22:25 Uhr

Krankenversicherung, Prämien und Co.

Die Rahmenbedingungen der neuen Liga: ein Tarifvertrag mit Jahresgehältern von 34.000 - 80.000 US-Dollar plus Prämien, eine bessere medizinische Betreuung und klare Vorgaben für die Reisen zu Auswärtsspielen. Und das Konzept überzeugt: Spielerinnen - und auch Fans.

Spiel für Spiel konnten die Teams neue Zuschauerrekorde erzielen, und die Euphorie war bis zum Meisterschaftsfinale in allen sechs Städten der Vereine ungebrochen. Diesen Eindruck konnte zuletzt eine Studie in Kanada untermauern: Die PWHL sicherte sich den Spitzenplatz als vertrauenswürdigste und angesehenste Organisation Kanadas. Auch den Größen der Videospielindustrie, wie EA Sports, ist dieser Aufwärtstrend nicht entgangen. Ab Dezember können sich Eishockey-Fans weltweit über die Implementierung ihrer PWHL-Stars beim Spiel "NHL 25" freuen.

Klares Ziel: Nummer Eins

Abstreiter ist sich sicher, dass der Aufwärtstrend auch in der zweiten Saison weitergeht: "Die Begeisterung ist auf jeden Fall bei allen da. Hinter den Kulissen wird immer weitergearbeitet. Da gibt es schon Gerüchte, dass kommende Saison die Liga mit ein, zwei Teams erweitert werden soll."

Bei all den Highlights und vollen Hallen hat die Torfrau trotzdem noch Wünsche für die Zukunft: "Früher oder später ist es mein Ziel, irgendwo in der Liga die Nummer Eins zu sein. Ich bin an keine Stadt gebunden, wo sich das ergibt, ergibt sich das dann." Eine ruhige und besonnene Herangehensweise, die sich schon beim Wettstreit um den letzten Kaderplatz als erfolgreich erwiesen hat.