Sportliches Ungleichgewicht AFC und NFC - Haifischbecken und Goldfischglas
In der NFL ist das Feld der Anwärter auf den Super Bowl groß. Während die AFC einem echten Haifischbecken gleicht, schwimmen in der NFC auch diverse "Goldfische".
Wer stellt sich Anfang 2024 die Vince Lombardi Trophy in den Schrank? Die Titelverteidiger Kansas City Chiefs mit dem übermächtigen Patrick Mahomes, die ewig ambitionierten Buffalo Bills, die jungen und spektakulären Cincinnati Bengals, die New York Jets mit Aaron Rodgers, die schnellen Miami Dolphins, der zuletzt mehrfache "Geheimfavorit" Los Angeles Chargers, die taktisch runderneuerten Baltimore Ravens oder doch die Jacksonville Jaguars mit Ausnahmetalent Trevor Lawrence?
Und was ist mit den Denver Broncos, die Erfolgscoach Sean Payton verpflichtet haben? Und muss man die Cleveland Browns oder Pittsburgh Steelers nicht auch zum erweiterten Anwärterkreis zählen?
AFC - viele Anwärter für sieben Playoff-Plätze
Bei all diesen Franchises ist jedenfalls irgendwie ein Szenario denkbar, in dem die Mannschaft eine überragende Saison spielt und sich zumindest Hoffnungen auf eine Teilnahme am Super Bowl machen kann. Bei manchen ist dieses Szenario natürlich wahrscheinlicher als bei den anderen, aber denkbar ist es bei allen. Das Besondere: All diese Teams spielen in der AFC.
Kleiner Exkurs: Die NFL ist in zwei Conferences aufgeteilt, die AFC und die NFC. Die sind wiederum in jeweils vier Divisions mit je vier Teams unterteilt. Um die Playoffs zu erreichen, muss man die eigene Division gewinnen, oder unter den verbleibenden zwölf Teams der Conference zu den besten drei Mannschaften gehören. In den Playoffs spielen beide Conferences ihre jeweiligen Sieger aus, die dann im Super Bowl aufeinandertreffen.
Das Anwärterfeld auf die insgesamt sieben Plätze in den Playoffs, die jede Conference zur Verfügung hat, ist in der AFC extrem groß. Auch die bisher nicht genannten Tennessee Titans oder New England Patriots könnten bei optimalem Verlauf an den Playoffs schnuppern. In der AFC gibt es womöglich in der kommenden Spielzeit kaum ein wirklich "schlechtes" Team, zumindest wenn die Houston Texans und die Indianapolis Colts ihre jungen Quarterbacks schnell entwickeln können.
Eagles und 49ers sind die Favoriten in der NFC
In der NFC ist das Feld der echten "Haie" deutlich kleiner, das der "Goldfische", um im Bild zu bleiben, aber größer. Die Philadelphia Eagles sind nach dem knapp verlorenen Super Bowl wieder ein echter Titelkandidat, auch wenn sie sowohl ihren Offensive, als auch Defensive Coordinator an andere Teams verloren haben und diese Umstellung womöglich erst einmal etwas Zeit kosten wird.
Auch die San Francisco 49ers zählen nicht nur bei den Buchmachern zu den ernsthaften Anwärtern auf den Titel. Die 49ers sind wieder extrem stark besetzt - hinter der Quarterback-Position steht aber noch ein großes Fragezeichen: Brock Purdy, der quasi aus dem Nichts Mitte der vergangenen Saison dort übernahm, sich dann aber schwer verletzte, muss erst noch beweisen, dass er die bisher ansprechenden Leistungen weiter erbringen kann. Mit Star-Defensivmann Nick Bosa wurde immerhin nach zähen Vertragsverhandlungen ein neuer Deal ausgehandelt.
Cowboys, Seahawks und Lions - alle mit Fragezeichen
Dahinter klafft schon eine kleine Lücke im Feld der ernsthaften Kandidaten. Die Dallas Cowboys sind, wieder einmal sehr ambitioniert, schafften es aber schon in den vergangenen Jahren nicht so richtig, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und haben ihren Kader nicht dramatisch verändert. Auch dank starker Defense rund um Pass-Rush-Star Micah Parsons soll diesmal aber wirklich der große Sprung gelingen.
Dann gibt es noch die Seattle Seahawks, die in der vergangenen Saison mit Quarterback Geno Smith und einigen jungen Spielern alle Erwartungen übertrafen, diese Überraschungssaison aber erst einmal bestätigen müssen, um überhaupt in die Playoffs zu kommen. Den Detroit Lions mit dem deutschen Wide Receiver Amon-Ra St. Brown trauen diverse Experten ebenfalls eine starke Saison zu, gerade weil man in der zweiten Saisonhälfte der vergangenen Spielzeit einen großen Schritt nach vorn machte - doch auch hier gibt es ein "Aber": Die Lions haben seit 2017 nicht mehr in den Playoffs gespielt und die Defense hat sich zwar auf dem Papier mit neuen Spielern verstärkt, muss aber einen gewaltigen Sprung machen, um gehobenen Ansprüchen zu genügen.
Cardinals als Kandidat für den letzten Platz
Am anderen Ende des Spektrums stehen in den Prognosen die Arizona Cardinals oder sogar die Los Angeles Rams. Zwei Teams, die einen großen Teil ihres Kaders mit weitgehend unbekannten und unerfahrenen Spielern besetzt haben. Gerade die Cardinals, bei denen der verletzte Quarterback Kyler Murray mindestens die ersten vier Spiele fehlen wird, gelten als heiße Anwärter auf die schlechteste Saisonbilanz.
In der NFC South spielen mit den Tampa Bay Buccaneers, den Carolina Panthers, den New Orleans Saints und den Atlanta Falcons zwar durchaus Teams, die spannende junge Quarterbacks (Carolina), eine interessante Offensiv-Philosophie (Atlanta) oder immer noch starke Routiniers im Kader haben (New Orleans, Tampa Bay), aber ernsthafte Chancen im Rennen um die Meisterschaft dürfte auch in einem Best-Case-Szenario niemand von ihnen haben. Ähnliches gilt für die Chicago Bears, die Green Bay Packers oder die Washington Commanders.
Welches NFC-Team profitiert?
Für Teams wie die New York Giants oder die Minnesota Vikings sind das womöglich gute Nachrichten. In der AFC wären ihre Chancen wahrscheinlich eher gering, aber auch in der NFC müssen die Playoffs schließlich befüllt werden. Somit ist auch für voraussichtlich eher im sportlichen Mittelmaß angesiedelte NFC-Franchises eine Saison möglich, die erst gar nicht so weit vom Super Bowl entfernt endet. Unter den Goldfischen ist der Lachs schließlich König - oder so.