Eine "ganz normale Schülerin" Nathalie Armbruster - das Gesicht der Nordischen Kombination
Nach ihrem rasanten Aufstieg startet Nathalie Armbruster mit großen Ambitionen in die neue Saison der Nordischen Kombiniererinnen. Im Spagat zwischen Leistungssport und Schule kann sie erneut Geschichte schreiben.
Klassenarbeiten, Tanzkurs, Führerscheinprüfung - eigentlich ist Nathalie Armbruster eine ganz normale 17-Jährige. Eigentlich. Denn die Freudenstädterin geht als große deutsche Hoffnung in die neue Weltcup-Saison der Nordischen Kombiniererinnen am Freitag (ab 12 Uhr im Sportschau-Liveticker) im norwegischen Lillehammer.
Im vergangenen Winter erlebte Armbruster einen kaum für möglich gehaltenen Aufstieg. Gleich bei ihrem Weltcup-Debüt in Lillehammer vor fast genau einem Jahr lief sie als erste deutsche Athletin überhaupt in der Nordischen Kombination auf das Podest. Bis zum Saisonende stand sie fünf weitere Mal auf dem Treppchen, ehe sie bei der WM in Planica mit jeweils Silber im Einzel und im Mixed ihre herausragende erste Weltcup-Saison krönte.
Zwischen Schanze und Schulbank
Armbruster ist das neue Gesicht der Nordischen Kombination - zumindest in Deutschland. "Es ist immer noch sehr komisch. Vor ein paar Jahren war das noch so weit weg", sagte sie im Sommer während der Saisonvorbereitung im Sportschau-Podcast. "Gerade eine Jenny Nowak war ja immer die Pionierin der Nordischen Kombination. Im Laufe der Saison haben viele zu mir gesagt: 'Jetzt bist du die Zugführerin der Nordischen Kombiniererinnen.' Als Jüngste diese Aufgabe zu übernehmen, war am Anfang komisch. Aber es macht mir auch unglaublich viel Spaß."
Den Spaß bringt Armbruster auch mit in den Wettkampf. Trotz ihres jungen Alters tritt sie stets mit einem Lächeln auf. Sie genießt es, um die Welt zu reisen, sich mit den Besten zu messen und ihre Sportart, die derzeit alles andere als einen leichten Stand hat, so gut es geht zu repräsentieren. Nebenbei drückt die Athletin vom SV-SZ Kniebis noch die Schulbank. Während der Saisonvorbereitung ging es - neben einem Schüleraustausch und Führerscheinstunden - dreimal die Woche mit dem Auto zum Sprungtraining und wieder zurück. "Eine organisatorische Meisterleistung", die Früchte trägt. Bei den deutschen Meisterschaften im Oktober in Klingenthal gewann sie den Titel.
"Das war alles wie ein Traum"
Nun kehrt Armbruster gemeinsam mit dem deutschen Weltcup-Team an den Ort zurück, wo vor einem Jahr alles begann: Lillehammer. Dabei stand ihr Debüt im Dezember 2022 zunächst unter keinem guten Stern. Kurz vor dem ersten Rennen plagte sie sich mit einer Erkältung herum. "Ich dachte: 'Das kann doch jetzt nicht wahr sein.' Ich war am Boden zerstört", erinnert sich Armbruster. Wenig später gelang ihr das, was vor ihr noch keiner deutschen Kombiniererin gelungen war: ein Weltcup-Podest. "Das war alles wie ein Traum. Ich habe es nicht realisiert, dass ich damit deutsche Geschichte geschrieben habe."
Nach den Erfolgen im vergangenen Winter könnte sie nun beim Auftakt in Lillehammer, wo zwei Gundersen-Wettbewerbe über fünf Kilometer anstehen, erneut Geschichte schreiben und den ersten Weltcup-Sieg einer deutschen Nordischen Kombiniererin holen. Am Schauplatz der Olympischen Winterspiele von 1994 geht sie als Mitfavoritin an den Start. Es gibt allerdings ein Problem und das heißt Gyda Westvold Hansen. Die norwegische Ausnahmeathletin hat in der vergangenen Saison jedes der zehn Weltcup-Rennen gewonnen und auch bei der WM Gold geholt.
Wer stoppt Westvold Hansen?
In diesem Winter geht die erst 21-jährige Gesamtweltcup-Siegerin erneut als große Favoritin an den Start. Auch deshalb hält sich Armbruster mit Kampfansagen zurück. Zunächst einmal wäre es "großartig", die Ergebnisse aus der vergangenen Saison im Ansatz zu bestätigen. Zudem weiß man nach dem Sommer nie mit Sicherheit, wo man leistungstechnisch steht. "Vor dem ersten Wettkampf der Saison ist man immer etwas unsicher, wo man im internationalen Vergleich steht und ob das richtig war, was man in den letzten Wochen trainiert hat."
Nebenbei muss Armbruster den Fokus auch auf ihr Abitur richten, was im kommenden Jahr ansteht. Im Gegensatz zu den anderen Athletinnen muss sie ihr Training daher mit der Schule abstimmen. "Leben am Limit", wie sie es scherzhaft ausdrückt. Dass Armbruster den Spagat zwischen zwei Welten schafft, hat sie aber bereits bewiesen. Vielleicht ist es auch gerade diese Unbekümmertheit, die sie zu Höchstleistungen auf der Schanze und in der Loipe antreibt. Sie sei weiterhin eine "ganz normale Schülerin" und schaue "dass ich auf zwei Beinen im Leben stehe".
IOC-Entscheidung "nullkommanull nachvollziehbar"
Das hält sie allerdings nicht davon ab, klar Stellung zu beziehen. Schon in der vergangenen Saison machten die Nordischen Kombiniererinnen mit verschiedenen Protestaktionen - wie gekreuzten Skiern vorm Start oder aufgemalten Bärten - ihrem Ärger darüber Luft, dass sie nicht bei dem Olympischen Spielen 2026 antreten dürfen.
Eine Olympia-Teilnahme wäre auch für Armbruster ein "Kindheitstraum", weshalb auch sie nicht mit Kritik spart. "Die Entscheidung des IOC ist nullkommanull nachvollziehbar. Geld regiert eben die Welt. Das ist wahnsinnig traurig und unfair uns gegenüber." Armbruster weiß aber auch, dass sie mit 17 Jahren ihre Karriere noch vor sich hat. Sollte sich ihr Olympia-Traum erfüllen, wäre sie bei den Spielen 2030 mit dann 24 Jahren im besten Alter.
Armbruster nun die Gejagte
Zunächst aber gilt die volle Konzentration den anstehenden Aufgaben - egal ob Schule oder Sport. Was letzteres angeht, wird sie nun oft die Gejagte sein. Zudem hat sie ihren Status als Gesamtweltcup-Zweite zu verteidigen. Dass es "nach einer so erfolgreichen Saison nicht einfach ist, das auch zu halten", weiß auch Frauen-Bundestrainer Florian Aichinger. Die zahlreichen Medientermine nach der WM habe sie aber "super gemanagt - ich bin gespannt, wie die Saison bei ihr verlaufen wird".
Lillehammer könnte mit Blick auf ihr historisches Debüt im vergangenen Jahr kaum besser für den Auftakt in die neue Saison geeignet sein. Und dieses Mal ist Nathalie Armbruster auch noch gesund.
Das Aufgebot der Nordischen Kombinierer in Lillehammer
Frauen: Nathalie Armbruster (SV-SZ Kniebis), Magdalena Burger (SC Partenkirchen), Maria Gerboth (WSV Schmiedefeld), Jenny Nowak (SC Sohland), Svenja Würth (SV Baiersbronn)
Männer: Manuel Faißt (SV Baiersbronn), Vinzenz Geiger, (SC Oberstdorf), Johannes Rydzek (SC Obersdorf), Julian Schmid (SC Oberstdorf), Wendlin Thannheimer (SC Oberstdorf), Terence Weber (SSV Geyer), Fabian Rießle (SZ Breitnau)